Mordprozess: „Vielleicht ist es ein Trost, dass ich ab jetzt mein Leben im Gefängnis verbringen muss“

Zum Prozessauftakt verbarg Tom K. sein Gesicht hinter einem Aktenordner

Dr. Jack Kreutz, der psychiatrische Sachverständige, hatte mehrere Termine mit dem Angeklagten. Um herauszufinden, was Tom K. im innersten bewegt, sprach der Mediziner rund zwölf Stunden mit ihm. Er setzte Intelligenztests ein und andere Verfahren, die mit Buchstabenserien abgekürzt werden oder so klangvolle Namen haben wie: „Freiburger Persönlichkeitsinventar“.

Über all das berichtete der Psychiater gestern am dritten Verhandlungstag im Mordprozess um den Eltener Tankstellenpächter Robert C. vor dem Landgericht Kleve. Knapp zwei Stunden dauerte der Vortrag des Experten. Doch alle Expertise, alle psychiatrische Finesse prallten an dem 25 Jahre alten Angeklagten ab. „Irgendwas trägt er mit sich herum“, so Kreutz. „Was, konnten wir nicht herauskriegen.“

Der Angeklagte hat einen Intelligenzquotienten von 92, ist also durchschnittlich intelligent. Doch schon da begann für den Gutachter das Dilemma, denn ein anderer Test kann nur auf einen Wert von 72, was der Mediziner aber eher als Folge einer flüchtigen Vorgehensweise verbuchte. „Er war ein Mensch, der mir sehr komplex erschien“, fasste Kreutz seinen ersten Eindruck zusammen.

Das war die diplomatische Ausdrucksweise dafür, dass sämtliche Tests mit widersprüchlichen Resultaten endeten. Immerhin, so Kreutz, sei eine „erhöhte Erregbarkeit“ deutlich geworden, und auch die Aggressivität liege „im oberen Durchschnitt“.

Die Aggressivität äußerte sich am 14. Dezember 2017 in einer Bluttat von bemerkenswerter Grausamkeit. Nach einigen vergeblichen Versuchen, das Leben seines 77 Jahre alten Opfers mit roher Gewalt zu beenden, zertrümmerte der Kraftsportler aus Kleve den Kopf des Mannes mit einem Feuerlöscher.

Drogeneinwirkung spielte nach Auffassung von Kreutz bei dem Tatgeschehen keine Rolle. Tom K. kann zwar auf eine persönliche Drogenhistorie zurückblicken, bei der unter anderem Alkohol, Kokain, Heroin, Cannabis, Amphetamine und Chrystal Meth zum Einsatz kamen, doch das meiste davon habe er nur „ab und zu“ oder „sehr unregelmäßig“ konsumiert, wie er dem Gutachter anvertraute. Als er anfing, Bodybuilding zu betreiben, trank er weniger, spritzte sich dafür aber Testosteron. Wenige Tage vor der Tat nahm er Ketamin, ein Betäubungsmittel aus der Tiermedizin, zu sich, doch das hatte sich nach Auffassung des Gutachters weitestgehend abgebaut.

Recht rational schilderte der Angeklagte dem Arzt die Motivlage für sein Verbrechen. Demnach habe er Geld gebraucht, um vernünftig zu essen und um Drogen zu kaufen. Außerdem habe er wissen wollen, wie es ist, jemanden zu töten. Und schließlich sei er mit dem Opfer sexuell intim gewesen, was Kreutz zufolge für den 26-Jährigen mit großer Scham besetzt war. Der einzige Zeuge dieser homoerotischen Kontakte habe gewissermaßen aus dem Weg geräumt werden sollen.

Insgesamt bescheinigte Kreuz Tom K. eine dissoziale Persönlichkeitsstörung mit „akzentuierten Persönlichkeitszügen ohne großartigen Krankheitswert“. Kreuz: „Man kann aus der Grausamkeit einer Handlung nicht auf eine Krankheit schließen.“

Das heißt, für Tom K. wird es wohl keine Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt geben. Er selbst hat wohl auch nicht damit gerechnet. In einem Brief, den er dem Adoptivsohn des Opfers zugesandte und der vor Gericht verlesen wurde, schrieb er: „Ich hoffe, es ist ein kleiner Trost für Sie, dass ich ab jetzt mein Leben im Gefängnis verbringen muss.“

Der Prozess wird am 2. Juli um 14 Uhr mit den Plädoyers fortgesetzt.

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13 Kommentare

  1. 13

    @??? Volle Zustimmung. Finde besonders asiatische Techniken gut. Alle fördern auch die allgemeine Selbstwahrnehmung.

     
  2. 12

    @11. Sichtweise

    In Sachen Prävention………stimme ich 100% zu…….nur sollte man auch die Menschen, bereits im Kindesalter nach oben keine Altersgrenzen, dazu ermutigen, den eigenen Körper durch Selbstverteidigungstraining zu schützen.

    Das stimuliert auch die vorausschauende Gefahrenerkennung……..

     
  3. 11

    Und in Sachen Prävention: Die stärkste Prävention liegt in einer sicheren, vertrauensvollen Bindung zwischen Eltern (oder anderen Bezugspersonen) und Kindern, in der Erfüllung angemessener Bedürfnisse von Kindern nach Versorgung, Sicherheit, Autonomie, Aufmerksamkeit, Anerkennung u.a., in konsistenten Regeln, in einer gewaltfreien Erziehung/Umgebung und einer angemessenen Förderung – wenn dazu viel Liebe, ein liebevoller Umgang kommen, ist das eine Basis, die Menschen bis an ihr Lebensende stärkt und den Weg weist.

    Daran sieht man aber auch, was für eine Aufgabe es ist, Kinder zu großzuziehen. Es gibt Menschen, die bekommen von den aufgezählten Faktoren nur ein Minimum und in manchen Bereichen auch gar nichts.

    Das Kontinuum menschlicher Persönlichkeiten ist deshalb breit … bewegt sich zwischen Menschen mit verschiedensten psychischen Erkrankungen und/oder Defiziten und Menschen, die bereit und stark genug sind, ihr Leben für andere zu riskieren (siehe aktuell Thailand, Rettungsaktion). Die meisten Menschen bewegen sich im Mittelfeld.

    Auch noch wichtig: Nur die allerwenigsten (!) psychischen Erkrankungen führen dazu, dass andere Menschen gefährdet werden.

     
  4. 10

    Lieber Drei Fragezeichen, Sie machen sich viele Gedanken um die Menschen und ihr Zusammenleben – das war Ihren Posts schon oft zu entnehmen. Das ist immer gut.

    Aber jetzt ist ein Missverständnis entstanden. Der Täter hier wurde doch von niemandem als „Missverstandener“ hingestellt. Wenn das Gutachten eine psychische Störung feststellt, dann ist das eine Diagnose und in keinster Weise eine Rechtfertigung oder eine Forderung nach einer bestimmten strafrechtlichen Behandlung. Das steht der sachverständigen Person auch nicht zu und ist auch nicht Sinn eines Gutachtens. Vor Gericht geht es um Fragen der Schuldfähigkeit, des Strafmaßes und ggf. der Sicherungsverwahrung und das Gutachten ist eine von mehreren Grundlagen dafür. Es geht darum, wie das Gericht (stellvertretend für die Gesellschaft) diese Tat ahnden muss.

    Die Zehn Gebote sind – auch unabhängig von der christlichen Lehre – meiner Meinung nach sehr gute Leitlinien für die Lebensweise Einzelner. Aber es reicht ja nicht zu sagen, so, jetzt leben mal alle nach diesen Leitlinien. Dass die Welt anders ist, muss ich Ihnen sicher nicht erklären. Da reicht ein Blick in die Zeitung oder Nachrichten.

    Es ist wichtig, dass wir eine funktionierende Judikative und u.a. das Strafgesetzbuch haben. Das diese immer erst zum Zuge kommen, wenn etwas passiert ist, liegt auf der Hand.

    Sie haben Recht, man kann nur hoffen, niemals solchen Leuten zu begegnen. Ergänzend füge ich hinzu: man sollte die eigene Intuition in Bezug auf Menschen ernst nehmen. Es gibt Menschen, auf die das eigene Radarsystem sofort reagiert, auch ohne dass es einen Vorfall gibt. Darauf sollte man achten und Abstand suchen, egal wo.

     
  5. 9

    Tot ist tot………. man kann nur hoffen, dass man nicht einem „Mißverstandenen“, gerade zur falschen Zeit am falschen Ort über den Weg läuft……….Anwalt und die wissenschaftlichen Methoden werden es schon judikativ richten…….

     
  6. 7

    @??? Wir haben eine Judikative und die wird den Täter verurteilen. Psychologische Gutachten werden mittels wissenschaftlichen Methoden angefertigt und geben Aufschluss über die Täterpersönlichkeit. Das dient vor allem der Frage, ob der Täter in eine normale JVA kommt oder in die geschlossene forensische Psychiatrie – beides ist Haft.

     
  7. 6

    @5. Sichtweise

    Ich verstehe, was Se meinen…….. ich habe mich auch nur ganz vorsichtig ausgedrückt.

    Trotzdem geht mein Verständnis dahin, dass nicht der Täter zum Opfer gemacht wird.

    Gut, wir kennen diese psychologischen Erkenntnisse, Ausbildungen und Gutachten…..für welchen Personen- und Kulturkreis gelten diese Wertvorstellungen?

    Vielleicht sollte sich die allgemeine Gesellschaft für die grundlegenden, menschlichen, einfachen 10 Gebote Gottes entscheiden?

     
  8. 5

    Ergänzung: Wobei es hier nicht um Marotten oder einfach mal ein paar schlechte Tage geht, sondern um einen pathologischen Bereich menschlichen Verhaltens.

     
  9. 4

    @??? Das sehe ich auch so.

    Es wäre wünschenswert für die Gesellschaft, wenn in diesem Fall Sicherungsverwahrung in Aussicht gestellt würde. Hoffe, dass die Feststellung „ohne großen Krankheitswert“ im Gutachten dies nicht verhindert.

     
  10. 3

    @2. Sichtweise

    Sie haben das alles sehr gut und verständlich erklärt……..trotzdem……mir persönlich fehlt das Verständnis, dass ein Mensch vorsätzlich umgebracht wurde oder wird.

    Kein Mensch ist perfekt, jeder Mensch hat seine Eigenarten………es gibt gute und weniger gute Tage und Zeiten, aber da darf doch kein anderer Mensch, darunter leiden und dafür büssen…….. das ist meine Sichtweise.

     
  11. 2

    Es ist allerdings schon erstaunlich, dass eine dissoziale Persönlichkeitsstörung bescheinigt wird, also eine psychische Erkrankung – und gleichzeitig kein besonderer Krankheitswert. Das könnte daher kommen:
    Persönlichkeitsstörungen sind dadurch gekennzeichnet, dass von den Betroffenen in der Regel kein akuter Leidensdruck empfunden wird (außer in einer Krise) – im Gegensatz zu z.B. Menschen mit Neurosen verschiedenster Art.
    Menschen mit Persönlichkeitsstörungen gelten als niedrig organisiert hinsichtlich ihrer Abwehrmechanismen und ihre gesamte Persönlichkeit kompensiert dies auf eine grundsätzlichr Art – durch die Herausbildung von Charakterzügen, die oftmals zu Problemen mit der Umwelt führen – die Person fühlt sich meist im Recht, weil sie aus ihrer Logik heraus handelt, die aber sehr konträr sein kann zur Logik, zu den Werten der Umgebung. Dabei findet kein Realitätsverlust statt wie bei Psychosen, aber es fehlt meist die Einsicht in die eigenen Erkrankung. Das macht die Therapie schwierig bis unmöglich. Es kann in einigen Fällen graduelle Einsicht erreicht werden, aber in der Regel keine vollständige. Diese Menschen sind sehr krank, auch wenn sie sich nicht so fühlen. Sie leiden eher darunter, dass – aus ihrer Sicht – die Umwelt ihnen Unrecht tut.

    Menschen mit z.B. Angstneurosen fühlen sich krank, haben nicht selten das Gefühl, ihr Leben nicht mehr meistern zu können. Sie sind aber in der Regel nicht so krank wie die mit Persönlichkeitsstörungen. Meistens kann eine Therapie helfen.

     
  12. 1

    Laut international anerkannter Klassifikation ICD-10 zur Diagnose psychischer Erkrankungen:
    F60.2 – Dissoziale Persönlichkeitsstörung:
    Eine Persönlichkeitsstörung, die durch eine Missachtung sozialer Verpflichtungen und herzloses Unbeteiligtsein an Gefühlen für andere gekennzeichnet ist. Zwischen dem Verhalten und den herrschenden sozialen Normen besteht eine erhebliche Diskrepanz. Das Verhalten erscheint durch nachteilige Erlebnisse, einschließlich Bestrafung, nicht änderungsfähig. Es besteht eine geringe Frustrationstoleranz und eine niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätiges Verhalten, eine Neigung, andere zu beschuldigen oder vordergründige Rationalisierungen für das Verhalten anzubieten, durch das der betreffende Patient in einen Konflikt mit der Gesellschaft geraten ist.