Gerichtsbericht

Für die Rheinische Post verfolge ich derzeit den Prozess gegen vier Männer aus Rumänien, die in Kleve eine 18-jährige Landsmännin gemeinschaftlich mehrfach vergewaltigt haben sollen. Zum Prozessauftakt kamen – bei dem Tatvorwurf nicht weiter verwunderlich - einige Medienvertreter, aber es ist davon auszugehen, dass sich die Reihen im Laufe der acht noch angesetzten Verhandlungstage ausdünnen. Dabei liefern die Aussagen (abseits des Tatgeschehens) auch ein Sittengemälde, wie es heute in Europa so zugeht, wo auf allen Baustellen aus Osteuropa stammende Arbeiter für Hungerlöhne schuften (800 bis 1000 €, von denen sie dann noch ein Großteil an die Familie in die Heimat schicken). Sie schlafen in abgewrackten Wohnungen auf Matratzen, und wenn sie Alkohol trinken, dürfte dabei vielleicht auch der Wunsch eine Rolle spielen, für ein paar Stunden die Trostlosigkeit der ganzen Situation zu vergessen. Tja, und dann gibt es offenbar auch Leute, die bei den Arbeitern noch ein anderes Bedürfnis erkennen - und dann daraus auch noch ein Geschäft machen…

Hier mein Artikel zum Prozessauftakt (die in der RP erschienene Version musste gekürzt werden, weil ich zu viel geschrieben hatte, aber das ist ja das Schöne am Internet – die Seiten sind endlos…)

KLEVE. Der erste Mann weint, sodass die Verhandlung für 20 Minuten unterbrochen werden muss. Der zweite Mann faltet in einer Geste der Fassungslosigkeit die Hände vors Gesicht und schüttelt beinahe unmerklich den Kopf. Der dritte Mann wischt sich verstohlen Tränen aus den Augenwinkeln, während er mit der anderen Hand postkartengroße Porträtfotos seiner Kinder umklammert. Der vierte Mann hält den Kopf gesenkt und fixiert eine imaginäre Stelle auf dem Boden des Schwurgerichtssaals A110 in der Schwanenburg.

Das Bild, das die aus Rumänien stammenden Männer im Alter von 28 bis 33 Jahren abgeben, passt so gar nicht zu der Anklage, die Staatsanwalt Gerd Schulte soeben verlesen hatte. Sie lautete auf gemeinschaftliche, teils mehrfache Vergewaltigung und Körperverletzung.

Die Anklage zeichnet das Bild eines alptraumhaften Martyriums, das sich über mehrere Tage erstreckt haben soll: Costinel L. (30), Ionut U. (28) sowie die Brüder Iordache (33) und Mihai N. (29), allesamt Familienväter und seit Jahren Wanderarbeiter auf den Baustellen Europas, sollen in Kleve eine 18 Jahre alte Landsmännin mit einem abgebrochenen Stuhlbein und einem Messer bedroht haben, sie sollen sie mit einem Besenstiel traktiert haben, wie sollen sie zum Sex in verschiedenster Form gezwungen haben – und sie sollen sich gegenseitig geholfen haben, indem zwei sie an den Armen festhielten, während ein Dritter sich an ihr verging.

Der erste Prozesstag war geprägt von dem Versuch, zumindest sprachlich eine Verständigungsebene zu finden – in der Sache gingen die Darstellungen soweit auseinander, wie das bei Vergewaltigungsprozessen eben möglich ist.

Drei der Angeklagten sprechen einen rumänischen Regionaldialekt, der den Dolmetschern einiges abverlangt. Costinel L. hat sich demgegenüber nach neun Jahren in Deutschland auf die deutsche Sprache verlegt, beherrscht sie allerdings nur bruchstückhaft – auch dies für alle Prozessbeteiligten eine Herausforderung.

Costinel L. (30) ist der einzige, der zur Sache etwas aussagt. Dass es Mitte Januar in dem Haus in der Klever Innenstadt gleich mehrfach zu sexuellen Handlungen gekommen sei, räumt er ein. Er berichtet, dass er das mutmaßliche Opfer ebenso wie die Mitangeklagten bereits auf einer Baustelle in der Nähe von Frankfurt kennen gelernt habe. Was er dann sagt, ist eine Überraschung, die die Urteilsfindung der 1. großen Strafkammer unter Richter Jürgen Ruby sicherlich nicht erleichtern wird: »Ich wusste, dass die Frau eine Prostituierte war. Ich habe mich mit ihr über Preise unterhalten. Wir hatten einvernehmlichen Sex.«

Am Abend des 16. Januar 2011 fuhr die Rumänen-Gruppe in zwei Autos von Frankfurt nach Kleve, die Frau und ihr Freund waren auch dabei. Sie bezogen in einem abgewrackten Haus an der Kirchstraße Quartier und arbeiteten an den folgenden Tagen auf einer Baustelle in Emmerich.

Costinel erzählt, dass es auch in Kleve zu variantenreichem, einvernehmlichen Sex zwischen ihr und ihm gekommen sei. Er habe sogar mit seinem iPhone ein Foto davon gemacht, das er jedoch auf Wunsch der Frau wieder gelöscht habe. »Es gab keine Gewalt, keine Schläge, keine Drohungen«, so Costinel. Auch mit seinem Kollegen U. soll die 18-Jährige Sex gehabt haben.

Zu Handgreiflichkeiten sei es erst gekommen, als der Mann, der laut Anklage der Freund der Frau ist, von den sexuellen Handlungen erfahren hätte. Ist er wirklich nur der Freund? Costinel L. schildert seine Rolle nicht ganz so romantisch: »Er bestimmte, wer wann und wie Sex mit ihr haben durfte.« Also eher ein Zuhälter?

Es kam L.’s Schilderungen zufolge zu einem Handgemenge, in dessen Verlauf die 18-Jährige von ihrem Freund geschlagen und getreten worden. Als die Polizei wegen des nächtlichen Lärms am Ort des Geschehens eintraf, schilderte Costinel L. den Beamten die Geschehnisse als einen etwas außer Kontrolle geratenen Streit um die Frau. Sie habe dann das Haus verlassen und einem der vier Angeklagten auf Rumänisch gedroht: »Dir hänge ich eine Vergewaltigung an.«

Also alles nur eine abstruse Rachefantasie? Oder doch ein alptraumhafter Exzess von Sex und Gewalt? Es sind zwei Schilderungen wie Tag und Nacht, die am ersten Prozesstag aufeinander prallen.

Wie der auf neun Verhandlungstage angesetzte Prozess weitergeht, wird entscheidend von der Aussage der Frau abhängen. Sie tritt als Nebenklägerin auf, war beim Prozessauftakt jedoch nicht anwesend (dazu besteht auch keine Pflicht). Auch ihr Anwalt ließ sich nach einer Prozesspause nicht mehr blicken. Mit der Zeugenaussage der Frau wird der Prozess am 23. August fortgesetzt.

Deine Meinung zählt:

5 Kommentare

  1. 5

    @ Beobachter

    Was diese „seriösen“ Firmen in die Lage versetzt ein günstiges Angebot abzugeben und, wie hier, den Zuschlag zu erhalten.

    Der Auftraggeber hat jedoch m. E. auch die Verpflichtung auf die Einhaltung sozialer Standards zu achten. Hier böte sich eine Zertifizierung an, eine Art „Verhaltens-TÃœV“. Nur Firmen, die diese Zertifizierung besitzen können bei Ausschreibungen berücksichtigt werden.

     
  2. 4

    Das Problem ist doch, dass meist diese Arbeiten an „seriöse“ Firmen vergeben werden und die bestellen einen Sub und der Sub einen Sub und der Sub einen Sub und der Sub einen Sub und der Sub einen Sub und der Sub einen …

     
  3. 3

    @ pd

    Zum Thema Bezahlung sollte auch noch erwähnt werden, dass genau auf dieser hier angesprochenen Baustelle durch die Fahndungsgruppe Schwarzarbeit na was wohl angetroffen wurde?

    Bei der Sanierung des Zollamtes. Respekt. Soviel Dreistigkeit muss man erstmal nachmachen.

     
  4. 1

    „…wie es heute in Europa so zugeht, wo auf allen Baustellen aus Osteuropa stammende Arbeiter für Hungerlöhne schuften (800 bis 1000 €…“

    Nicht auf allen Baustellen. Vater Staat, Vater Stadt/Kreis/Land schaut aber ungerne genau hin, kommen zwar für jeden furz 30seiten vorbemerkungen in jeder ausschreibung aber wirklich interessieren tut es kaum jemanden unserer rundumversorgten.

    wenn ich dann in der rp lese, dass die Rumänen das hauptzollamt in emmerich saniert haben weiß ich nicht ob ich mich totlachen soll oder einfach nur kotzen.

    dreimal dürft ihr raten wer über die Einhaltung des Mindestlohns (ca. 2000,–€/Monat) auf dem bau wacht.. es ist die Finanzkontrolle Schwarzarbeit! Eine Abteilung des ….

    trommelwirbel…

    Zolls!