Waldstraßenasphalthymne

Schwarzer Schick: Asphaltsdeckschicht Waldstraße (Loock Erd- und Tiefbau, 2016)
 Schwarzer Schick: Asphaltsdeckschicht Waldstraße (Loock Erd- und Tiefbau, 2016)
Schwarzer Schick: Asphaltsdeckschicht Waldstraße (Loock Erd- und Tiefbau, 2016)

Wir treten ihn mit Füßen, doch er nimmt uns das nicht krumm: Asphalt!

Üblicherweise finden hier sonntags auf kleveblog florale Betrachtungen statt, die der Schönheit der Schöpfung in Gestalt zierlicher Lebensformen huldigen. Kürzlich aber wandelte ich über die frisch wiederhergestellte Waldstraße und dachte mir: Das ist aber ein feiner Asphalt! So glatt, so glänzend, als hätte sich der Asphaltmeister so richtig Mühe gegeben.

Aber man weiß so wenig über den Asphalt. Der hier sich ab und an Bahn brechende Drang, die Volkshochschule rechts zu überholen, sorgt nun also heute dafür, dass Sie von Blumen verschont bleiben und fortan die Straße, über die Sie schon morgen wieder zur Arbeit fahren, mit ganz anderen Augen sehen werden.

Interessanterweise wird Asphalt schon in der Bibel erwähnt, und zwar bei der Schilderung des Turmbaus zu Babel. In der Genesis heißt es im 1. Buch Mose: „Und sie sagten einer zum anderen: Auf, lasst uns Ziegel streichen und hart brennen! Und der Ziegel diente ihnen als Stein, und der Asphalt diente ihnen als Mörtel.“

Diese Episode führt geradewegs zu den etymologischen Wurzeln des Wortes, die im Griechischen zu finden sind. In dieser Sprache gibt es das Verb „σφάλλω“ (sphállō), das übersetzt „zu Fall bringen“ bedeutet. Mithilfe einer sprachlichen Konstruktion, die Fachleute Alpha privativum bezeichnen, wird daraus ein so genanntes negiertes Verbalsubstantiv. Auf gut Deutsch: Man stellt ein Alpha (ἄ) vors Wort, und schon bedeutet es das Gegenteil. Im Deutschen gibt es übrigens ähnliche Konstruktionen, dann wird entweder die Vorsilbe „un“ dem Wort vorangestellt („untätig“), oder das Suffix „los“ angehängt („sinnlos“). Asphalt ist also der „nicht zu Fall bringende Stoff“. Er hielt die Steine zusammen.

Asphalt kommt in der Natur vor. Beispielsweise entdeckte der griechische Arzt Eirini d`Eirinis 1712 im Val de Travers in der Schweiz das gigantische Asphaltvorkommen La Presta. Seine 1721 erschienene „Dissertation über den Naturasphalt“ (Originaltitel: Dissertation sur l’asphalte ou ciment naturel) gilt heute als der Ursprung der modernen Asphalttechnologie.

Was aber ist überhaupt Asphalt?

Es handelt sich um eine Mischung von Steinkörnern und dem Bindemittel Bitumen, das überaus zäh ist und die Steinchen zusammenhält. Eine deutsche Naturasphaltlagerstätte befindet sich beispielsweise in Vorwohle, Landkreis Holzminden. In Trinidad gibt es sogar einen Asphaltsee, der am 22. März 1595 vom englischen Entdecker Sir Walter Raleigh entdeckt wurde, was sein Glück war, denn damit konnte er sein beschädigtes Schiff abdichten lassen und war so überhaupt erst in der Lage, die Rückreise anzutreten. Der Asphalt auf unseren Straßen stammt aber in aller Regel nicht mehr aus natürlichen Vorkommen, sondern wird in Asphalsmischanlagen hergestellt. Diese Apparaturen können bis zu 350 Tonnen Asphalt pro Stunde produzieren.

In diesen Anlagen werden zunächst die Gesteinskörnungen in eine Trockentrommel gegeben, in der die Feuchtigkeit verdampft und der Feinstaubanteil mithilfe einer Entstaubungsanlage abgetrennt wird. Dann landen die Steinchen, zuvor in aller Regel genau abgesiebt, in einen Mischturm, wo sie 15 Sekunden lang mit dem heißen Bitumen vermengt werden. Das fertige Produkt, in der Regel zwischen 160 und 180 °C heiß, kann direkt verladen werden. Das Mischungsverhältnis liegt etwa bei 95 Prozent Gesteinskörnung und 5 Prozent Bitumen, dieses Verhältnis kann jedoch nach oben oder unten geringfügig verändert werden. Die beigegebene Menge (sogenannter Bindemittelgehalt) und die Härte (also die Bindemittelsorte) des Bitumens verändern das Materialverhalten wesentlich.

2011 wurden in Deutschland fünfzig Millionen Tonnen Asphalt produziert. In Deutschland sind 95 Prozent aller befestigten Straßen asphaltiert. Im Straßenbau kommen verschiedene Asphaltsorten zum Einsatz. Ganz unten liegt die Asphalttragschicht, die mindestens acht Zentimeter dick zu sein hat. Bei stärker befahrenen Straßen wird darauf eine Asphaltbinderschicht gelegt (7-10 cm stark), die die durch den Verkehr verursachten Kräfte in die unteren Schichten der Straße weiterleitet. Ganz oben liegt die Asphaltdeckschicht, die auch als Verschleißschicht bezeichnet wird. Die Faustregel für die Mächtigkeit dieser Schicht lautet: Durchmesser des Größtkorns, multipliziert mit 2,5.

Nach dem Ende des römischen Reichs spielte Asphalt viele Jahrhunderte keine große Rolle mehr. Erst im 19. Jahrhundert wurden die Qualitäten des Materials für den Straßenbau wieder entdeckt, allerdings war der Asphalt lange Zeit nicht unumstritten: Noch 1928 empörte sich ein Kommentator in der Vossischen Zeitung darüber, dass die Berliner Tiefbauverwaltung trotz des großen Unfallrisikos – bei Nässe wurde der Asphalt glatt – nicht von der Verwendung des Materials abrücken wollte.

Die Qualität von Asphalt wird seit 1936 mit einem speziellen Prüfverfahren gemessen: mit dem Ring-und-Kugel-Versuch (genaue Bezeichnung: Erweichungspunkt Ring und Kugel, kurz: EP RuK). Dabei wird eine Stahlkugel mit dem Gewicht von 3,5 g und einem Durchmesser von 9,8 mm auf einen konvexen Stahlring gelegt, der mit Bitumen gefüllt ist. Dann wird die Anordnung in einen flüssigkeitsgefüllten Becher gestellt und erhitzt. Bei einer gewissen Temperatur biegt sich das Bitumen durch, die Stahlkugel sackt nach unten – der Erweichungspunkt ist erreicht.

Lieber Leser, ich vermute, auch dein Erweichungspunkt ist hier längst erreicht, aber morgen wirst du ein anderer Mensch sein, wenn du in deinen SUV steigst und das Büro deiner Wahl ansteuerst. Vielleicht vor dem Einsteigen einmal über den Asphalt streicheln!

Und trotzdem noch eine Bonusinformation: Was ist der Unterschied zwischen Asphalt und Teer? Der Asphaltinhaltsstoff Bitumen ist ein Erdölprodukt, der Grundstoff für Teer ist hingegen (in der Regel) Kohle. Teer ist gesundheitsschädlich und darf in Deutschland seit 1984 (Ostdeutschland: 1990) nicht mehr im Straßenbau eingesetzt werden.

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6 Kommentare

  1. 6

    Wenn Sie damit zum Ausdruck bringen wollen, dass viele Leute mit dem Zufahren von Rheinkies und Sand aus der Region ihren Lebensunterhalt verdienten, nur dann kann ich Ihre Einlassung begrüßen.

     
  2. 5

    „Rheinkies und Sand wurden aus der Region zugefahren“

    Es gibt glücklich machende Sätze, dies ist so einer …

    (keine Ironie)

     
  3. 4

    Es ist schön, dass dieser Bericht über Asphalt und den Straßenbau gebracht wurde. Bis Ende der 1980er Jahre betrieb die Firma Schneider & Klippel u.a. in Rindern eine Asphaltmischanlage. Ein Teil der Zuschlagstoffe, wie Oberrheinmoräne und Syenit wurde per Schiff über den Hafen Kleve bezogen. Basaltsplitt kam per LKW von der Basalt AG, einer Tochter der Firma Werhahn, über die in den letzten Tagen in der RP berichtet wurde. Rheinkies und Sand wurden aus der Region zugefahren.

    Der Bericht nimmt die Bauarbeiten an der Waldstraße zum Anlass für die Darstellung des Straßenbaus. Alte Klever wissen, dass die Inhaber der Firma Schneider & Klippel an der Waldstraße ansässig waren.

     
  4. 2

    Sehr interessant, da fühle ich mich doch glatt an eine Vorlesung im 1. Semester erinnert. Die geschilderten Prüfungen können noch durch weitere Verfahren ergänzt werden. Dies führt hier allerdings zu weit.

    Nur eine kleine Korrektur wegen eines Zahlendrehers: Die Verwendung von Teer ist seit 1984 nicht mehr gestattet. Und ausgebauter teerhaltiger Straßenbelag ist kostspielig und aufwendig zu entsorgen.

     
  5. 1

    Danke für den Asphalt-Exkurs. Er gab mir aber nicht die Erkenntnis, dass der Asphaltinspirator in Zukunft
    nicht freihändig durch die Natur fahren sollte, denn nur mi zwei Händen kann er genießen, was um ihm
    herum geschieht.

    Da lobe ich mir naturbewusste andere Verkehrsteilnehmer, die den Asphalt verlassen, um auf sandigen Wegen
    ihre Beobachtungsfähigkeiten zu steigern. Aber was nicht ist, kann ja noch kommem🚴🚴🚴🚴🚴