Darknet-Dealer doch nur der Kurier? Ein interessantes Geständnis…

War Chalet Nr. 26 im Ferienpark Reewold das Zentrum des internationalen Drogenhandels oder doch nur für kurze Zeit eine Lagerstätte für allerlei illegale Substanzen?

Die Ermittler waren monatelang auf seiner Spur. Sie beschlagnahmten mehr als hundert Lieferungen mit Drogen aller Art, sie tätigten Scheinkäufe, sie verfolgten das Treiben auf der Handelsplattform „Dreamweb“, sie observierten Paketstationen und werteten Videoaufnahmen aus – und am Ende waren sie sicher: Der Niederländer Richard W., 33 Jahre alt, gelernter Handwerker, ist die zentrale Figur für eine Vielzahl illegaler Drogengeschäfte, die über das berüchtigte Darknet abgewickelt wurden.

Staatsanwältin Lisa Klefisch von der Cybercrime-Abteilung der Staatsanwaltschaft Köln ging von Einnahmen in Höhe von mehr als einer halben Million Euro aus. Sie brachte das Verfahren wegen der diversen Postfilialen in Kleve, Emmerich und Rees, von denen die illegale Ware verschickt wurde, in Kleve zur Anklage. Am Montag war der dritte Verhandlungstag (hier der Bericht vom Prozessauftakt: Drogen für die Welt, der Bericht vom zweiten Verhandlungstag unter diesem Text).

Ein Zollfahnder erklärte am Montag vor der 1. großen Strafkammer des Landgerichts, wie diese Zahl zustande kam. Danach waren auf der Plattform noch rund 700 Transaktionen mit Bewertungen und Kaufsumme sichtbar, weitere Ratings hingegen nicht mehr. Bei der zweiten Gruppe handelte es sich um 2750 Käufe, für die die Fahnder jeweils zugunsten des Angeklagten die niedrigste Summe der 700 bekannten Transaktionen annahmen – und die lag bei gerade einmal 142 Euro.

Ein weiterer Ermittler berichtete zudem, dass der Händler mit dem markanten Namen „berlinmannschaft“ auch auf der Plattform Wall Street Market aktiv war (die von einem Auszubildenden aus Kleve mit betrieben wurde). Dieser Händler habe mehr als eine Million Euro Umsatz gemacht, gleich kiloweise seien dort Kokain und Amphetamine sowie Ecstasy-Pillen vertrieben worden.

Und dafür soll Richard W. allein verantwortlich gewesen sein?

Über seinen Anwalt ließ er gestern eine völlig andere Version der Ereignisse erzählen. Demnach sei er von einem Bekannten, dessen Namen er allerdings nicht mitteilen wollte, zunächst für die Kurierfahrten angeheuert worden. Für jede Fahrt habe er Spritgeld, zweihundert Euro und ein bisschen Kokain bekommen, was ihm als gelegentlichem Drogenkonsumenten sehr entgegengekommen sei.

Also ein großer Unbekannter?

W.s Geschichte ging so: Eigentlich hatte er vor, seinen Lebensunterhalt mit der Vermietung von acht Chalets zu bestreiten, die ihm seine Familie im Ferienpark Putten nördlich der Hoge Veluwe gekauft hatte. Doch das Engagement endete im Desaster, nachdem in der Siedlung Dauermieter nicht mehr zulässig waren. Die Behörden verhängten Bußgeldbescheide und erhoben Steuerforderungen, es gab sogar bereits Pfändungsbescheide. „Ich hatte Angst vor dem sozialen Absturz“, so der Angeklagte.

Da kamen die Kurierfahrten gerade recht. Und Ende vergangenen Jahres habe er das Geschäft sogar komplett übernehmen können. Der Freund, so die Einlassung von W., habe ihm die restlichen Drogen zum Weiterverkauf überlassen und obendrein noch 16.000 Euro als Überbrückungskredit gegeben. Wenn die Drogen komplett verkauft worden wären, hätte er Einnahmen von 20.000 Euro gehabt, und damit, so die Abmachung, wären die beiden Dealer quitt gewesen.

Einige Indizien stützten die Geschichte tatsächlich, gleichwohl strapazierte diese Version mit dem großzügigen Kompagnon die Langmut der Staatsanwältin erheblich. Für die Einlassung sprach beispielsweise, dass es in der fraglichen Übergabezeit des Geschäfts im Oktober/November eine Betriebspause bei „berlinmannschaft“ gegeben hat. Erst am 23. November hieß es auf der Plattform wieder: „Back again!“

Dagegen sprach, dass der Angeklagte sich trotz seiner Finanznöte noch im Oktober 2018 einen neuen 7er BMW kaufte. Angeblich sei das Luxusauto aus dem Verkaufserlös von drei der acht Chalets finanziert worden. „Ich weiß, dass das dumm war“, so der Angeklagte. Der Vorsitzende Richter Jürgen Ruby gab zu bedenken, dass es „hilfreich“ sein könne, den Namen des ominösen Unbekannten zu offenbaren. W. schüttelte den Kopf.

Der Prozess wird am Freitag um zehn Uhr fortgesetzt.

Zweiter Verhandlungstag: 

Darknet-Dealer: Entscheidender Hinweis aus der Postfiliale Rindern

Einer aufmerksamen Mitarbeiterin einer Postfiliale war es zu verdanken, dass die Ermittlungen einen entscheidenden Schritt vorankamen. Wie ein Mitarbeiter der Zollfahndung am Mittwoch als Zeuge vor dem Landgericht erzählte, war die Suche nach dem Darknet-Dealer, der über die Plattform Dream Market Drogen in die ganze Welt versandte, auf den Raum Kleve/Emmerich eingegrenzt worden. 

Insbesondere in einer Postfiliale, die zu einem Superrmarkt an der Keekener Straße in Rindern gehört, waren häufig Pakete mit illegalen Substanzen aufgegeben worden. Als die Fahnder mit einer Mitarbeiterin sprachen, erinnerte diese sich an einen „gut aussehenden Niederländer“, der regelmäßig Pakete verschicke.

Dieser „gut aussehende Niederländer“, das zeigten auch die Videoaufnahmen, die später im Gerichtssaal gezeigt wurden, war Richard W. Der 33 Jahre alte Mann aus Hilversum, der jetzt in Kleve angeklagt ist, im Ferienpaark Reewold ein großes Angebot an illegalen Drogen vorgehalten und via Postfilialen in Kleve, Emmerich und Rees in die ganze Welt versandt zu haben. Eine halbe Million Euro, schätzt die Staatsanwaltschaft, soll er mit dem florierenden Onlinegeschäft verdient haben.

Der Zollfahnder, der am zweiten Prozesstag als Zeuge kam, berichtete, wie die Ermittler dem Dealer auf die Spur kamen. Zunächst habe er Hinweise aus dem „Sachgebiet 300, Informationsgewinnung“ erhalten. Die Abteilung hatte im nationalen Postzentrum am Frankfurter Flughafen 69 Briefsendungen mit Drogen abgefangen – und war sich sicher, dass diese einem Absender zuzuordnen waren.

In den Sendungen fanden sich unter anderem Pillen mit der Präfung „F1 Max Verstappen“. Die Fahnder scrollten sich durch die illegalen Marktplätze dieser Welt und fanden schließlich exklusiv bei einem Anbieter namens „berlinmannschaft“ dieses spezielle Produkt. Wer aber steckte hinter „berlinmannschaft“?

Die Sendungen hatten eine weitere Gemeinsamkeit: Sie waren alle in den Postleitzahlbereichen 46 und 47 aufgegeben worden. Die Fahnder klapperten die entsprechenden Packstationen und Filialen ab und bekamen den Hinweis auf den Niederländer, der, so die Mitarbeiterin, trotz der regen Geschäftstätigkeit nie eine Quittung verlangt habe.

Eine „Scheinkaufmaßnahme“, wie es in Fachkreisen heißt, brachte die Gewissheit, dass es in der Tat dieser Händler war, der die Tabletten vertrieb. DNA-Spuren, die – wie sich später herausstellen sollte – zu Richard W. passten, bekamen die Fahnder obendrein. Durch Auswertung der Überwachungskameras gelangten die Fahnder in den Besitz von Fotos.

Die endgültige Identifizierung gelang im August 2018, als eine Packstation am Bahnhof in Kleve überwacht und das Autokennzeichen des Mannes abgelesen werden konnte. Mittels eines zweiten Scheinkaufs setzten die Fahnder den Dealer nochmals in Bewegung zu dem Supermarkt in Rindern, dort erfolgte dann Ende des vergangenen Jahres der Zugriff. 

Wer sich das Profil von „berlinmannschaft“ auf Dream Market ansieht, findet den Hinweis, dass dieser bis zum 10. Dezember 2018 aktiv sei. Mittlerweile, so der Fahnder, handele es sich um einen „Zombie-Account“.

Die Überwachung zeigte zur allseitigen Überraschung der Fahnder auch, dass W. trotz des Nicknames „berlinmannschaft“ keinerlei Komplizen hatte. „Die Ermittlungen ergaben, dass es sich offensichtlich um einen Einzeltäter gehandelt hat“, so dder Fahnder. Die Amphetamine aus seinem Angebot habe er selbst hergestellt, den Rest offenbar zugekauft.

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10 Kommentare

  1. 10

    @ No. 3 (Mr. Chewgum)
    Where, the fu!!, is there a corner pub in Kleve?
    I still haven’t found one! Please help!
    I need urgently some beers!

     
  2. 9

    @7. rd
    🙂

    Drogenmafia? In Kleve gibt es auch noch Drogenmafia??? 🙂

    Und natürlich ist der kürzeste Weg zur Auslieferung von A nach B durch die Fußgängerzone Richtung Hoffmannallee, Stechbahn und Römerstraße ……… 😉

     
  3. 7

    @??? Langsam wird’s ein Plot. Zwei irre Professoren an der HSRW (=Breaking Bad) kocht Crystal Meth (in seiner Freizeit), wissen aber nicht, wie siedas Zeug (gelagert in leerstehenden Gebäuden der Landesklinik) loswerden soll. Da kommt ihnen ein Student zur Hilfe (Darknet-Fall Kleve). Gemeinsam wird es ein florierendes Geschäft, das von der von den ersten Erlösen gekauften Landesklinik (=2. Darknet-Fall) aus organisiert (kleiner Nebenplot: die Opfer werden gleich nebenan im anderen Bereich der Klinik behandelt). Es werden immer mehr Häuser gekauft (= Real Monopoly), bis sich Bernd Zevens herausgefordert fühlt und das Treiben mit einem noch zu bestimmenden Plottwist persönlich beendet. Epilog: Die Drogenmafia entführt die Professoren und zwingt sie, in einem unterirdischen Verlies bis ans Ende ihrer Tage Crystal Meth zu kochen. Sie bereuen ihr Tun. Vergeblich (El Camino, Prometheus). Filmrechte bei mir.

     
  4. 6

    Kleve, „Mysteriously City“ ………… Darknet-Krimi, Anonyme an oder in der HSRW, Reality Monopoly ………. 🙂

     
  5. 5

    @rd Interessant ist der Fall allemal. Weil die Vorgehensweise erstmal so einfach erscheint – auf der Grundlage der Möglichkeiten des Internets.

    Wenn jetzt noch ein kranker Bruder, ein Tippgeber vom Zoll und eine deutsche Polizistin, mit der er eine Affäre hat, hinzukommen, reicht es für eine Fortsetzungsgeschichte.

     
  6. 4

    @Chewgum Es gab immerhin schon eine Krimiserie namens Undercover, in der ein Drogenbaron sein Imperium von einer Ferienhaussiedlung in Limburg aus steuerte.

     
  7. 3

    Mehr als Stoff für eine Folge einer kleinen Krimi-Serie wie „Letzte Spur Berlin“ oder „Die Chefin“ gibt das aus meiner Sicht nicht her. Dafür fehlt (noch) die Tragik.

    Oder man muss sich einen Anwalt aus der Welt von Schirachs vorstellen, der in einer Eckkneipe, in die er nur durch schlechtes Wetter geraten ist, den ebenfalls durchnässten nicht mehr ganz so gut aussehenden Niederländer kennenlernt. Dieser erzählt ihm dann – mittlerweile aus der Haft entlassen -, wie sein Leben beeinträchtigt wurde, weil das Gericht ihm nicht glaubte und es leider Indizien gab, die gegen ihn sprachen. Dass nun der damalige Auftraggeber des Niederländers nicht nur sein ehemals bester Freund ist, sondern auch noch mit seiner damaligen großen Liebe verheiratet ist und sein Kind aufzieht. Spätestens an dem Punkt vergisst der Schirachsche Anwalt das Regenwetter …

     
  8. 2

    Eine verworrene Legende, die der Angeklagte da auftischt.
    Kurier, aber nicht an Quittungen interessiert um später abrechnen zu können ?
    Ãœbrigens, der Fall taucht in den niederländischen Medien überhaupt nicht auf.
    Bei einem 50kg Fund mit Hausdurchsuchung im Bungalowpark ist auch das höchst bemerkenswert.
    Schön, dass wenigstens Staatsanwältin Lisa Klefisch von der Cybercrime-Abteilung sich da ´reinhängt,
    wäre auch interessant, von welchem Kaliber der Anwalt des Angeklagten ist.

    Ãœbrigens, @ rd : ist schon etwas über das Verfahren gegen Madiea Ghafoor bekannt, das sollte doch auch in Kleve spielen ?
    Ãœbrigens, die Mutter von Madiea arbeitet bei der Staatsanwaltschaft in den Haag, Madiea wird von einem schwergewicht-Anwalt , Prof. Dr. Dr. Karsten Fehn aus Köln vertreten.
    Und wie steht´s mit dem Verfahren gegen den Klever Azubi ?

    @ rain , die Fälle leihen sich alle als vVorlage zu einem Film.