(Regen. Fette Tropfen prasseln auf die Plastikplanen des Festzeltes, das in einer doppelten Nachtschicht vom Technischen Hilfswerk, Ortsgruppe Kleve, auf den Trümmern der Stadthalle errichtet wurde. Windböen zerren an den Abdeckungen, sodass beständig Karabinerhaken gegen Metallgestänge klackern. Alles in allem ein würdiger Rahmen für die Verleihung des einzig wahren Klever Unternehmerpreises. Thomas Helmer moderiert.)
HELMER: Meine Damen und Herren, es liegt schon eine gewisse Ironie in der Tatsache, dass angesichts der Tragödie um die mongolischen Künstler und die Klever Stadthalle der erste Platz in dieser Konkurrenz ausgerechnet an ein Unternehmen geht, das sich dem Überleben in unwirtlichen Umfeldern verschrieben hat. Nein, damit meine ich nicht das Nagelstudio Döllekes und auch nicht Wein Peters.
Meine Damen und Herren, Platz 1 geht an (Trommelwirbel von einem tragbaren CD-Player)
Camping Freizeit Sport (ehemals Servos) dafür, dass
es dort alles gibt (ausser Tiernahrung)
(Applaus brandet auf, der in ein frenetisches, rhythmisches Klatschen übergeht. Vereinzelte Rufe ertönen: „Ein würdiger Sieger!“ Thomas Helmer räuspert sich und kann nun die Begründung der Jury vortragen.)
HELMER: Dieses Geschäft kann man eigentlich nicht beschreiben. Der erste Eindruck ist, dass bei einem Einbruch in eine Lagerhalle die Täter aufgeschreckt wurden und die Flucht ergriffen haben. Doch im scheinbaren Chaos eines komplett zugestellten Verkaufsraums hat der äußerst sympathische Firmenchef den absoluten Überblick. Er ist sein eigenes SAP.
Man sagt allerdings, dass er manchmal Google Maps anwirft, um seltener gefragte Produkte zu orten. Lange Zeit mussten Kunden niederknien, wenn sie mit ihrer ec-Karte bezahlen wollten. Angeblich war das Kabel nicht lang genug. In Wahrheit auch dies ein raffinierter Test, ob der Käufer für die ausgewählten Produkte überhaupt noch in Frage kam.
Sonnenbrillen, Schlitten, Skateboards, NATO-Parkas, Warndreiecke, Taschenmesser, Campingkocher, Wanderstiefel, Springseile, Dartscheiben, Wollsocken, Angeln, Schlauchboote, Nebelleuchten, Feuerwerkskörper, Käppis, Trampoline, Regenhosen, Skier vereinigen sich hier zu einem stimmigen spätkapitalistischen Ensemble der Survival-(of-the-fittest)-Gesellschaft, das schon durch bloße Begehung einen Erkenntnisgewinn beschert: Wer es bis zu den Schlafsäcken hinten links geschafft hat, hat bewiesen, dass er auch ohne Schlafsäcke in freier Natur überleben kann.
(Wieder brandet Applaus auf, als der Firmenchef auf die Bühne tritt. Er ist perplex und muss improvisieren. Aber das macht er gut.)
DER CHEF VON CAMPING FREIZEIT SPORT: Vielen Dank. Ich weiß gar nicht, womit ich diese Ehre verdient habe. Sicher denken Sie, dass ich nun mit dem Preisgeld und den schönsten meiner Produkte einen gaaaanz gefährlichen Survivalurlaub machen werde. Doch meine wahre Leidenschaft ist das Riesenradfahren, und werde das Geld bis zur nächsten Klever Kirmes aufheben und dann mit meiner Tochter noch öfter Riesenrad fahren.
(Applaus, was sonst? Bürgermeister Theo Brauer wischt sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel.)
BRAUER (scheinbar cool): Das Dach ist wohl nicht ganz dicht.
(Den mongolischen Artisten geht es den Umständen entsprechend gut. Aber Ute Schulze-Heiming vom Kleve Marketing ist schon beim Bürgermeister „vorstellig“ geworden, damit der Etat für die Künstler im kommenden Jahr verdoppelt wird – auf 300 Euro. Es wird ihr gelingen.)
Hat eigentlich mal jemand auf seine (Wie heißt der gute Mann eigentlich?) Fußbekleidung geachtet?
Er ist der einzige Deutsche, der (Woll-)Socken in Sandalen tragen darf (und kann). Und das bei jedem Wetter…!
In der Tat ein würdiger Preisträger. Nicht nur, dass man dort Kleinteile bekommt wie anno dazumal bei van Hezik (neue Spitze für den Wanderstock z.B.), hier gibt es Einkaufserlebnisse wie nirgendwo anders. In der Nähe der Schlafsäcke gibt es die Hängematten, die man – wenn es hinten mal wieder kein Licht gibt – eigentlich nicht sehen, sondern nur ertasten kann. Macht aber nichts, die Beratung ist gut und es macht noch mehr Spaß bei einem MENSCHEN zu kaufen, der einfach nur er selbst ist als beim freundlichen, dauerlächelnden, marketinggeschulten Dienstleister. Ich glaube, wenn er Leute blöd findet, verkauft er denen auch nichts. Hat was.
Ja. Vor und nach dem Essen, ohne das man: Ego Thelo na Pio sagen muss, und manchmal mittendrin auch.
Lass dich trösten, Rainer. emotionale Intelligenz ist ja auch wichtig! Obelix hat ja auch nicht studiert und Rehagel nur Volksschule!
Hautsache, du kannst beim Griechen bestellen! IAMAS!
Das Glück liegt bei den Halbwissenden!
(Gibt´s bei Akropolis eigentlich vor und nach dem Essen einen Ouzo vom Haus?)
lernen Sie griechisch…
Kalimera
Kalispera
Kalinichta
Yia Sou
Ego Thelo na Pio
Ego Pinao
Epharisto
– Guten Morgen
– Guten Abend
– Gute Nacht
– Hallo
– Ich möchte etwas trinken
– Ich habe Hunger
– Danke
Parakalo
Yia Mass
Ti Kanis
Isse Kala
Poli Orea
Antio
– Bitte
– Prost
– Wie geht es dir?
– Geht es dir gut?
– Sehr schön
– Auf Wiedersehen
Oder wie der Grieche sagt:Ton Logariasmo!
Aliae iactae sunt!
Si qui forte mearum ineptiarum lectores eritis manusque vestras non horrebitis admovere nobis. (Latein? Pah! Eigentlich wollte ich für die Leser dieses Blogs mindestens das Graecum verlangen.)
Sorry, aber ich bin nur ein Junge der unteren Mittelschickt, der Grimm nur von den Märchen her kennt.
Habe auch kein großes Latinum, ist denn das hier eine Grundvoraussetzung?
Nein, ich meinte unwirtlich im Sinne von Grimms Wörterbuch, wo zum Beispiel der „unwirthliche Caucasus“ als Beleg angeführt wird. Kaukasus und Kleve, da drängen sich die Parallelen doch nur so auf (Horaz od. 1, 22, 7 inhospitalem Caucasum) — jaaaa, hier ist die humanistische Bildung noch was wert!
du meintest „unwirklich“ oder „unsäglich“ oder „unersättlich“?
Es geht um das Ãœberleben in unwirtlichen Umfeldern… obwohl – genau genommen passt auch das!
Nagelstudio Döllekes?
Dann gibt es also doch schon ein Laufhaus in Kleve??