Kommt nicht in die Tüte

Schaukästen waren so etwas wie Homepages, als Telefone noch Wählscheiben hatten und Kreuzungen noch keine Ampeln. Sozusagen die Visitenkarte einer Einrichtung. Und wenn Fußgänger heute an der Stadtbücherei vorbeischlendern, stoßen sie auf dieses eindrucksvolle Objekt, das sicher auf der documenta ebenso gut aufgehoben wäre: Schaukasten

Wir sehen neun Handzettel und zwei Plakate – alle elf Objekte mit der Aufschrift „Schock den Lehrer – lies ein Buch!“. So weit so gut. Aber vollendet wird dieses ästehtisch anspruchsvolle Objekt durch die souveräne zentrale und laterale Platzierung von fünf Brötchentüten. Man könnte lange über diese Komposition sinnieren. Warum die Plakate in unterschiedlichen Größen, die Brötchentüten dagegen in Einheitsgröße, obwohl es nicht nur Tüten für fünf, sondern auch für für zwei und zehn Brötchen gibt? Ist das Ganze nur der dezente Hinweis, dass die Stadtbücherei jetzt auch Bücher von Max Brod im Bestand führt? (O.k., der Kalauer war billig.) Oder sollen uns die Tüten an den uralten Stevie-Wonder-Witz erinnern? (Den ich nicht weiter ausführe, weil noch billiger.) Oder ist hier der Widerspruch gleich mit eingebaut: Bücher lesen – kommt mir nicht in die Tüte!

Links und rechts des Schildes Stadtbücherei wurden übrigens noch zwei gelb-schwarze Aufkleber angebracht: „Wir sehen uns in der Stadtbibliothek.“ Müsste ca. 1980 sein.

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