Schläge und Tritte am 1. Januar 2013, 1:54 Uhr

Das nur wenige Minuten lange Video, aufgenommen von der Überwachungskamera, lässt die Zuschauer im Saal A110 des Landgerichts Kleve betroffen zurück. Es zeigt, wie vier junge Männer am frühen Neujahrsmorgen 2013 im Bereich Großer Straße/Marktstraße regelrecht Stellung beziehen, auf den nächstbesten Passanten warten, diesen in ein kurzes Gespräch verwickeln und dann sofort auf ihn einprügeln und eintreten. Dann ziehen sie sich zurück. Ein Pärchen läuft die Große Straße hinab, biegt nach rechts in die Wasserstraße ab und beachtet den am Boden liegenden Mann scheinbar nicht. Kaum ist das Pärchen verschwunden, kehren zwei der vier Männer zurück, rauben dem Opfer das Portemonnaie und malträtieren es erneut, unter anderem mit Tritten gegen den Kopf.

Das Opfer, Trockenbauer Thomas S. (44), kann von Glück sprechen, dass es bei dem Prozess gegen drei der vier Täter, der gestern vor der vierten Strafkammer des Landgerichts in Kleve begann, als Nebenkläger auftreten kann. Er habe schon Fälle gesehen, so der Vorsitzende Richter Ulrich Knickrehm, bei denen Menschen durch ähnliche Gewalteinwirkung zu Tode gekommen seien.

Wer aber sind die drei jungen Männer (der vierte konnte nicht ermittelt werden), die zu einer solchen Tat fähig sind. Es handelt sich um Alexander B. (24), André M. (25) sowie Dietmar P. (29), allesamt deutsche Staatsbürger mit kasachischen bzw. russischen Wurzeln, die ihr Leben entweder nicht auf die Reihe bekommen oder zumindest den einen oder anderen Aussetzer zu verzeichnen haben.

Alle drei sind geständig, wobei exzessiver Alkoholkonsum die Erinnerungen an die Tat teilweise vernebelt, und alle drei bitten sie auch gleich am ersten Verhandlungstag das Opfer, das ihnen gegenübersitzt und von Anwalt Ulrich Kerschka vertreten wird, um Entschuldigung.

Alexander B. hat im Theodor-Brauer-Haus nach abgebrochener Hauptschule Koch gelernt, doch das Arbeiten in diesem Beruf war ihm „zu stressig“, und so verdingte er sich als Gerüstbauer, der morgens auf dem Weg zur Arbeit schon den ersten Joint rauchte. Sein Vorstrafenregister enthält fünf Eintragungen, darunter eine versuchte räuberische Erpressung mitten im Klever Moritzpark.

André M. blickt auf eine abgebrochene Tischlerlehre zurück, kam auch schon mal mit dem Gesetz in Konflikt, arbeitete dann einige Monate als Trockenbauer, bevor er den Job wegen ausbleibender Lohnzahlungen quittierte, so dass er zuletzt arbeitslos war. Drogen? „Ich habe alles genommen, das fing mit 15 mit Marihuana an, Ecstasy, Amphetamine, Kokain, Heroin.“ Beim Gericht löste diese Auflistung allerdings vor allem Zweifel aus.

Dietmar P. schaffte an der Hauptschule Materborn den Realschulabschluss, absolvierte eine erfolgreiche Ausbildung zum Binnenschiffer, ließ sich dann zum Berufskraftfahrer umschulen und ist heute in diesem Beruf tätig. Im Frühjahr vergangenen Jahres wurde er vom Amtsgericht Kleve wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Strafe von 50 Tagessätzen verurteilt. Es ging um eine Schlägerei im Schweizerhaus.

Am Silvesterabend trafen sich die drei erst privat und ließen sich volllaufen, dann gingen sie in das Lokal „Le Journal“, wo noch mehr Bier, Wodka und Whisky konsumiert wurde. Der Versuch, in die Gaststätte „Route 66“ zu wechseln, scheiterte – geschlossene Gesellschaft. Also liefen sie zurück zur Großen Straße, wo sich das brutale Geschehen wenige Minuten später abspielte.

„Warum musste Herr S. getreten werden?“, fragte Richter Knickrehm. „Ich war wütend“, so B. „Warum?“ – „Ich weiß es nicht.“ Die beiden anderen Angeklagten sagten noch aus, vom Opfer beleidigt worden zu sein – was dieser aber strikt abstritt. Er erinnerte sich nur an Neujahrswünsche.

„Gedrehter Halbkreisfußtritt zum Kopf“ (2. Prozesstag)

Zwei Sachverständigengutachten standen im Mittelpunkt des zweiten Verhandlungstages im Prozess gegen die drei Deutschen (24, 25,29), die am Neujahrsmorgen einen Klever (44) verprügelten und ausraubten. Zunächst betonte ein Gerichtsmediziner, wie viel Glück das Opfer gehabt habe, mit dem Leben davon gekommen zu sein. Dann erklärte der psychiatrische Sachverständige, dass er für zwei der drei Angeklagten wegen ihrer Alkoholsucht eine stationäre Therapie von zwei Jahren Dauer empfehle.

„Potenziell lebensgefährlich“ seien die Tritte gegen den Kopf und Brustkorb des Mannes gewesen, so die Einschätzung von Dr. Matthias Schubries, Gerichtsmediziner aus Duisburg. Es hänge einzig vom Zufall ab, so der Experte, ob jemand nach solchen stumpfen Gewalteinwirkungen gegen Oberkörper und Kopf lebensbedrohliche Verletzungen davon trage oder nicht.

Auch die Schuhe der Täter sind nicht ausschlaggebend, was die Abschätzung möglicher Folgen der Tritte angeht. „Auch mit leichtem Schuhwerk können schwere Verletzungen hervorgerufen werden“, so Schubries. Fazit: Der 44 Jahre alte Thomas S., der am 1. Januar 2013 um zwei Uhr morgens in der Großen Straße vor dem Juweliergeschäft „Mina“ niedergeprügelt und -getreten wurde, hatte einfach nur gewaltiges Glück.

Eine 28 Jahre alte Studentin der Hochschule Rhein-Waal und ihr Freund (26) schilderten als Zeugen, wie sie das Geschehen erlebten. Die beiden – das Pärchen, das auf dem Video zu sehen ist – liefen stadtabwärts, sahen den Überfall und verständigten aus sicherer Distanz von der Wasserstraße aus die Polizei – entscheidend für den Fahndungserfolg. Die Täter konnten schon wenige Minuten nach der Attacke in Höhe der Tankstelle an der Kalkarer Straße gefasst werden.

Der psychiatrische Gutachter Dr. Harald Hippler bescheinigte den beiden Angeklagten Alexander B. (24) und André M. (25) ein chronisches Alkoholabhängigkeitssyndrom sowie eine dissoziale Persönlichkeitsstörung. Beim dritten Angeklagten, Dietmar P. (29), erkannte er lediglich einen Alkoholmissbrauch. Alle drei Täter wiesen zur Tatzeit Promillewerte zwischen 1,9 und 2,5 auf.

Dennoch sei bei keinem der drei Männer die Steuerungsfähigkeit eingeschränkt oder gar aufgehoben gewesen. Kurioserweise begründete der Mediziner dies Im Fall von André M. damit, wie dieser, ein Kampfsportler, das Opfer getreten habe. Es habe sich um einen „gedrehten Halbkreisfußtritt zum Kopf hin“ gehandelt – und wer in der Lage sei, eine derart komplexe Bewegung auszuführen, habe sich noch unter Kontrolle.

Veröffentlicht am
Kategorisiert in Alles

Deine Meinung zählt:

17 Kommentare

  1. 17

    werden die Täter den dann auch „wegen guter Führung“ frühzeitig entlassen werden (können) ? Oder ist bei solcherart
    Vergehen ausgeschlossen?

     
  2. 16

    Carlos Kolumnus! Die Täter kommen bei guter Führung nach 3 Jahren wieder frei. Es ist ein nicht hartes Urteil.
    Wer so auf einen Wehrlosen tritt müßte wegen versuchtem Totschlag verurteilt werden.

     
  3. 15

    @Günter: Also es waren jeweils 6 1/2 Jahre und das ist kein Pappenstiel, eher ein hartes Urteil als ein Witz!

     
  4. 14

    6 Jahre Haft sind ein Witz. Und die Verwandten der Schläger sitzen weinend im Gerichtssaal. Sie sollten mal lieber um den armen verprügelten Mann weinen.

     
  5. 13

    Bin sehr gespannt, wie das Urteil ausfällt.
    Hatte vor 20 Jahren eine ähnliche Begegnung mit 2 extrem provozierenden und gewaltbereiten Jugendlichen.
    Traten erst gegen Autos und gingen dann auf mich los.
    Meine Beine waren glücklicherweise schneller als die betrunkenen Kerle.
    Die Polizei griff die Jungs wenig später auf. Wie sich über den Funk der Kollegen herausstellte stadtbekannte Schläger, welche man mehrfach monatlich aufgreift und wieder laufen läßt.
    Ein halbes Jahr später die Verhandlung. Zwei Tage vorher die Ladung als Zeuge im Briefkasten. Habe das Gericht vor der Verhandlung angerufen, dass ich erstens so schnell nicht meinen Kalender leer schaufeln kann und zweitens höchstens anonym für die zwei unsichtbar hinter einer spiegelnden Scheibe aussagen möchte, da ich später noch in Ruhe in Kleve ausgehen will.
    Als ich abends nach Hause kam, erzählte mir meine Frau, dass mittags zwei junge Herren vom Richter zu uns geschickt worden waren, mit der Aufgabe sich bei mir zu entschuldigen….
    Sprich: Der Richter hatte entgegen meiner Bitte um Anonymität den Tätern meine Adresse gegeben. Wie sich herausstellte hatte ich andersrum keinen Anspruch auf die Adresse der Täter.

    Später darüber mit einem Polizisten gesprochen.
    Der Richter hat in Polizeikreisen den Spitznamen Papa Gnädig.
    Auf die Frage, warum dieser so handelt gab´s die logische Antwort: Der Richter hat Angst!

     
  6. 12

    Na, ja, ein Rauchverbot in Kneipen haben wir schon mal. Da ist die Gefahr geringer, dass mir ein „Reval ohne Filter“-Kettenraucher oder sogar ein total Bekiffter auflauert.

    Jedenfalls sollte man auch den vor Gericht zerren, der diesen Typen so viel Geld und Zeit für den Drogenkonsum einräumte. Jemand wie ich, der den ganzen Tag um sein Ãœberleben kämpft, könnte das gar nicht.

    Die haben keinen Job? Her mit den Mindestlöhnen, dann gibt es bald noch mehr von der Sorte, nicht wahr!?

    Oder müssen wir das als eine Nebenwrikung unseres Systems durchgehen lassen? Egal wie das Urteil lautet, weitere Fälle wie diese wird es nicht verhindern.

    @Fox: !

     
  7. 11

    Ich sehe schon…..schwere soziale Schicksale, keine Perspektive und irgendwie wird man der deutschen Gesellschaft schon noch einen Teil der Schuld unterjubeln können, weil diese 3 Fachkräften der goldene Löffel nicht weit genug in den Hintern geschoben wurde.

    Opfer lebt ja noch und die haben Sorry gesagt.
    Da kann man ja mal über ein paar Monate oder ein volles Jahr über Bewährung reden oder?
    Aber am Ende reicht vl auch der böse „DuhDuh“-Finger des Richters.

    Ein wunderbares Zeichen der Zeit und des Respekts vor dem Leben, diese Tritte gegen den Kopf der Leute.
    Hier muss man einfach milde Urteile verhängen.

    (…)

    Für mich ist ein Tritt gegen den Kopf nix anderes als ein Stcih mit nem Messser in den Oberkörper. Ich nehme hier willentlich den Tod des Anderen in Kauf. (…)

     
  8. 10

    @rd
    Monokausalitäten gibt es in solchen Fällen nicht. Dafür sind Menschen zu verschieden. Und das Einsortieren in Gruppen ist immer ungerecht gegenüber einzelnen.

    Aber es gibt kulturelle Werte und Einflussfaktoren, die oft Einfluss aufs Verhalten haben. Positiv wie negativ.
    Und da ist das Eintreten auf Köpfe in manchen Gebieten oder Milieus halt weniger „tabuisiert“ als in anderen.

    Ich finde, dass darüber eine demokratische Gesellschaft debattieren kann und muss. Nicht nur potentiellen Opfern hilft man dadurch.
    Gerade diesen Milieus hilft man dadurch, sich positiv zu entwickeln.

    Die Selbstzensur vieler hiesiger Journalisten auf diesem Gebiet mag ja heren Absichten entspringen, in Wirklichkeit wirkt es verheerend. Es stabilisiert nach meiner Wahrnehmung problematische Zustände durch die Tabuisierung der Debatte. Ich halte dies für gesellschaftspolitisch verantwortungslos.

     
  9. 9

    @all Der Migrationshintergrund ist natürlich in keiner Weise kausal für das Tatgeschehen verantwortlich.

     
  10. 8

    @7

    Ach so, dann sollte das Opfer ja Verständnis aufbringen und nicht noch zusätzlich als Nebenkläger auftreten.

    Den gebeutelten Tätern erst mal eine sechswöchige Reha in der Karibik und hinterher auf Lebenszeit doppelte H4-Bezüge.

     
  11. 7

    Die drei sind also deutsche Staatsbürger mit Wurzeln außerhalb der BRD.
    Das alleine begründet mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits deren gesellschaftsuntypisches Verhalten, denn falls die Herrschaften außerhalb der BRD aufgewachsen sein sollten und bspw. in einer „deutschsprachigen Enklave“ in einem osteuropäischen oder westasiatischen Land wie Kasachstan leben mussten, dann hatten sie dort einen harten Stand.

     
  12. 5

    grade unter den jungen leuten in unserer stadt muss man sagen,gibt es immer mehr (…) gangstergehabe. sich immer wichtig zu machen und sich beweisen zu müssen was man für ein harter kerl ist weil man es im leben zu nichts gebracht hat. (…) In Kasachstan hätten die drei (…) Herren 20 Jahre Zuchthaus bekommen.

     
  13. 4

    @Mäuschen und Knecht! 10 Jahre Zuchthaus wären noch zu wenig. 20 Jahre Arbeitslager in Rußland wären angemessen. (…) Und Susi…. ein Verteidigungskurs hilft bei diesen brutalen Straftätern bestimmt nicht!

     
  14. 3

    @2. Mäuschen

    10 Jahre Zuchthaus wären angemessen!

    Wenn dieser Vorfall auf einem gebührenpflichtigen Parkplatz stattgefunden hätte, wäre garantiert ein Ordnungshüter in Sichtweite gewesen.

     
  15. 1

    Deswegen gehe ich 2mal die Woche zum Selbstverteidigungskurs und ich empfehle es jeden (egal ob Frau oder Mann)