Murmeltierverwaltung

Zumindest was die Zahl der Skaterplätze angeht, bewegt sich Kleve auf dem so sehr ersehnten weltstädtischen Niveau. Es gibt derer gleich zwei, wovon das Schicksal der innerstädtischen Anlage unlängst Gegenstand der lokalen Berichterstattung wurde – weil das 1991 angelegte und 2002 für 6000 Euro renovierte Areal am Heideberg nicht bestimmungsgemäß genutzt werde und vergammele.

Sogar Joachim Schmidt, Geschäftsführer des Caritasverbandes, mit etwas Phantasie als Initiator der Geschichte auszumachen, fühlte sich bemüßigt, etwas zu sagen, denn die Caritas betreibt in der Nachbarschaft die Seniorenwohnanlage Heideberger Tor. Er präferiere eine Umwidmung in Parkplätze, gab Schmidt dem Lokalreporter in etwas gespreiztem Deutsch mit auf den Weg, vermutlich um die Kuriosität zu pampern, dass ausgerechnet der Vorsitzende des Klever Jugendhilfeausschusses (der Schmidt nämlich auch ist) einen Spielplatz vernichten möchte, um dort Parkraum zu schaffen. Chapeau!, wie der Fachmann sagt.

Doch die Geschichte wird noch besser, und in ihrer vollständigen Version zeigt sie einmal mehr, wie wunderlich es mitunter auf den Fluren des Rathauses zugeht.

Sie begann mit der Beobachtung einiger in der Innenstadt wohnender Schüler, dass der fragliche Platz kaum für seinen eigentlichen Zweck genutzt wird. Deshalb schrieben sie an den Bürgermeister und fragten an, ob dort nicht ein Basketballfeld errichtet werden könne, denn das sei ihr Hobby und es gebe nirgendwo in der Innenstadt die Möglichkeit, diesen Sport außerhalb einer Turnhalle zu spielen. Theo Brauer ließ sich nicht lange bitten und antwortete umgehend:

Deinen Brief, in dem du und deine Freunde anregen, den Skaterplatz zum Basketballfeld umzufunktionieren, habe ich gestern erhalten und ihn an die entsprechenden Fachämter hier im Hause weitergeleitet. Die Fachämter werden die Angelegenheit prüfen, was einige Zeit in Anspruch nimmt. Sobald das Ergebnis der Prüfung vorliegt, wird man dich unterrichten.

Das war im Juli 2006. Es folgten die Sommerferien, der Herbst, Weihnachten, der Jahreswechsel, Karneval, Ostern, und dann begannen schon wieder die Sommerferien. Kurz vor Ende dieser Ferien, also etwa zwölf Monate nach dem Vorschlag, waren die zuständigen Fachämter dann zu einem Ergebnis gelangt, das wiederum staunen lässt: Der Platz werde noch intensiv von Skatern genutzt, deshalb sei es nicht möglich den Vorschlag zu realisieren.

Verblüffend ist die Antwort deshalb, weil in den zwölf Monaten, die zwischen dem Brief der Schüler und der Antwort aus dem Rathaus liegen, das Areal nahezu vollständig von Bauunternehmen in Beschlag genommen wurde, die die Altenwohnanlage errichteten. Wie das selbst nach der Fertigstellung im April 2007 aussah, wurde sogar im kleveblog dokumentiert:

Spielplatz

Skater müssten schon sehr selbstquälerische Züge haben, wenn sie ihre Kunststücke dort vollführen wollten. Dass der Platz seit der Fertigstellung der Wohnanlage sehr stiefmütterlich behandelt wird, wurde hier ebenfalls geschrieben, denn die unten abgebildete Bank ist Teil des Spielplatzensembles (und gleichwohl finden sich immer wieder Kinder, die dort zwar nicht skaten, aber spielen).

Bank

Doch die Geschichte nimmt eine weitere Wendung, die es vollends absurd erscheinen lässt, Eingaben an die Verwaltung zu machen. In der RP-Berichterstattung verkündete ein „Klaus Keysers von der Kämmerei“, dass die Stadt kurz vor der Aufstellung eines neuen Haushaltes stehe: „Da können Wünsche mit aufgenommen werden.“

Und so schrieben zwei der Schüler, die schon damals den Brief an den Bürgermeister mit unterzeichnet hatten, erneut an die Stadt und machten den Vorschlag mit dem Basketballfeld. Und siehe da, es kam eine Antwort, diesmal von Dirk Posdena. Er schrieb:

Vielen Dank für Ihre Anregung. Aufgrund des Presseberichtes in der Zeitung sind bisher eine Vielzahl von Anregungen bei mir eingegangen. Ihre Idee gehört mit Sicherheit zu den interessanten Vorschlägen. Wenn es zu einer Umplanung kommen sollte, so werde ich auf Ihre Idee zurückkommen und einer entsprechenden Prüfung unterziehen.

Befindet sich unsere schöne kleine Stadt womöglich in einer Zeitfalle – ganz wie im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“? Weckt mich, wenn die Körbe stehen…

(Bemerkung: Dass der Verfasser selbst Basketball spielt, dürfte hinlänglich bekannt sein. Die Briefe/Mails entstanden aber ohne mein Zutun.)

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10 Kommentare

  1. 10

    Hallo, ich hab selber Kinder, find es aber trotzdem übertrieben, an jeder Ecke einen hippen Trendypartysportspielplatz zu erwarten

     
  2. 9

    …oder das Theo-Brauer Denkmal

    mit City-Love me tender-Train Haltestelle, angeschlossenem Einkaufshighlight und einem Dauerparkplatz für willi 1.0

    Zitat Wlli: „Im Gegensatz zu Kleve verfügt die Bedburg-Hauer CDU über keinen Macher, Manager und Visionär wie Theo Brauer“

    „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“
    (Helmut Schmidt)

     
  3. 7

    @ rainer
    Man könnte natürlich auch eine Boulebahn anlegen. Dies ist ziemlich trendy und für alte – sorry: im meine natürlich alle – Generationen attraktiv. Natürlich nur vorübergehend, bis wieder Bauland an zentraler Stelle in Kellen benötigt wird (z. B. von der Caritas).
    @ killerplatze
    nö, keine Lust.

     
  4. 6

    Hallo, ist das nicht ein bisschen naiv? „Mit rund 490.000 Mitarbeitern ist die Caritas der größte private Arbeitgeber in Deutschland“…..“als Deutscher Caritasverband e. V. mit über 900 einzelnen Organisationseinheiten – die meisten davon als selbstständig eingetragene Vereine – organisiert“……????

     
  5. 5

    Hallo Rainer,

    wende Dich dann doch mal mit dem Vorschlag an unsere liebe Verwaltung………….aber dabei nicht vergessen: es ist alles Bauland von hier bis zum nördlichen Polarkreis. 🙂

     
  6. 4

    Nur der Vollständigkeit halber: auch in Kellen, unweit der Willibrord-Kirche existiert ein Skateboard-Gelände. Meines Erachtens überwiegend ungenutzt. Hier dürften drei bis vier Basketballfelder hineinpassen od. z. B. ein Basketballfeld, ein Tennisplatz, ein Beachvolleyballfeld … . Ich fände, dass wäre weltstädtisch.
    P. S.: Warum eigentlich nicht?

     
  7. 3

    @ KlePeter

    Hätten die beiden versprochen, bei einer Eröffnung für die Anwesenheit der Presse und ein Bierfass zu sorgen, wäre alles kein Problem gewesen.

    Im Gegenteil, von der Propagandaabteilung wäre darauf gedrängt worden, sofort anzufangen.

     
  8. 2

    Der Haken sitzt im Detail:

    ……..Wenn es zu einer Umplanung kommen sollte, so werde ich auf Ihre Idee zurückkommen und einer entsprechenden Prüfung unterziehen.

    Mal eine rhetorische Frage, wie wird wohl diese Prüfung ausgehen?

    „In der linken Ring-Ecke, der Caritas-Verband, von der Stadt bestens geschätzt und verknüpft, nicht zuletzt durch die zahlreichen Arbeitsplätze und Ehrenpöstchen.

    In der rechten Ring-Ecke zwei Bürger, die ausgerechnet unserer Stammwählerschaft, den Senioren „auf die Nerven gehen wollen“.

    Disclaimer:

    Die letzten beiden Absätze werden wohl so nie direkt formuliert werden, das Ergebnis der langen und sorgfältigen Prüfung wird jedoch eindeutig zu Gunsten des Verbandes ausgehen.

     
  9. 1

    Skandalös, so geht mann als Bürgermeister nicht mit Bürger/Jugendlichen um. Es gibt einen Ausschuss für Bürgeranträge, da hätte das Schreiben 2006 hingehört. Die Beerdigung durch die Verwaltung ist ein Abwimmeln 2. Klasse- aber in Kleve durchaus üblich.
    Wann kriegen wir endlich ein Jugenparlament in Kleve?