Eine Eigenheit von Jürgen Ruby ist es, am Ende der Urteilsbegründung auch der verlorensten aller Seelen einen aufmunternden oder versöhnlichen Satz mit auf den Weg in die Strafanstalt zu geben. Doch bei Tom K., den die 4. große Strafkammer des Landgerichts Kleve soeben zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt hatte, fehlten dem Vorsitzenden Richter offenbar die begütigenden Worte. „Die Sache ist hiermit erledigt“, mit diesem Satz endete die juristische Aufarbeitung des brutalen Mordes an dem Tankstellenpächter und Kirchenorganisten Robert C. aus Emmerich-Elten, der kurz vor Weihnachten nach einem Gewaltexzess mit mit einem Feuerlöscher erschlagen worden war.
Lebenslang – dieses Strafmaß hatte Staatsanwalt Marco Held in seinem Plädoyer verlangt, Rechtsanwalt Dr. Karl Haas, der als Nebenkläger den Adoptivsohn des Opfers vertrat, hatte sich dieser Forderung angeschlossen und zusätzlich 50.000 Euro Schmerzensgeld eingeklagt, und auch Tanja Reintjes, die Verteidigerin des gelernten Dachdeckers aus Kellen, hatte im Angesicht der eindeutigen Beweisaufnahme der Version der Ankläger weitestgehend folgen müssen und für eine „angemessene Bestrafung“ plädiert.
Der Angeklagte selbst, der im kommenden Monat 26 Jahre alt wird, hatte während des ganzen Prozesses geschwiegen. Allerdings hatte er sich bereitwillig an einer gefilmten Rekonstruktion der Tat beteiligt, und an weiteren Sachbeweisen bestand kein Mangel. Unmittelbar nach der Tat sandte er eine SMS an seine Freundin: „Ich habe richtig, richtig, richtig Scheiße gebaut. Fuck!“ Gestern, am fünften und letzten Prozesstag, meldete sich Tom K. erstmals zu Wort. Er sagte: „Es tut mir sehr leid, was ich getan habe, und ich bereue es zutiefst.“ Dieses Bedauern hatte er zuvor auch schon in einem Brief an den Adoptivsohn ausgedrückt, verbunden mit der Erwartung, den Rest seines Lebens hinter Gittern zu verbringen.
Dafür sorgte die 4. große Strafkammer gestern mit ihrem Urteil.
Nach Ansicht der Kammer führte eine Kombination mehrerer Umstände zu der schrecklichen Tat vom Dezember vergangenen Jahres. Den Anstoß gab eine sexuelle Begegnung der beiden Männer in der Wohnung des Dachdeckers im September vergangenen Jahres. Sie hatten sich über ein Internetportal kennen gelernt, am Brücktor in Kleve kam es dann nach Auffassung des Gerichts zum Analverkehr. Das hatte der Angeklagte zwar nie zugegeben, aber die Kurzmitteilungen des späteren Opfers sprachen eine andere Sprache. Richter Ruby: „Der Angeklagte hat darauf möglicherweise mit Abscheu vor sich selbst reagiert.“
Als bei Tom K. einige Monate später Finanzprobleme auftraten – unter anderem musste der Drogenkonsum konsumiert werden -, begann zielgerichtet die Suche nach einem Opfer. Ein früherer Arbeitgeber schied aus, weil der Familie hatte und sich deshalb offenbar so etwas wie Mitgefühl regte. Daraufhin rückte der Sexualpartner aus Elten ins Visier – ein 77 Jahre alter, allein lebender Mann mit einem nach Ansicht des Dachdeckers lohnenswert erscheinenden Vermögen.
„Das bestimmende Motiv war, dass er Geld haben wollte“, so Ruby – Mordmerkmal Habgier. 350 Euro hatte der Täter in der Wohnung gefunden, nachdem sein Opfer im Keller einer Vielzahl von Verletzungen erlegen war. Deshalb kam zum Schuldspruch wegen Mordes noch der wegen Raubes mit Todesfolge hinzu.
Die beiden anderen möglichen Mordmerkmale wollte die Kammer hingegen nicht gelten lassen. Heimtücke schied aus juristischen Gründen aus, weil das Opfer sich noch einmal zur Wehr setzen konnte und einen – beinahe sogar erfolgreichen – Fluchtversuch unternommen hatte. Mordlust sei ebenfalls nicht gegeben gewesen, auch wenn der Angeklagte Tötungsfantasien eingeräumt hatte. „Das Töten war nicht der einzige Zweck der Tat“, so die Einschätzung des Gerichts.
Bei der Einschätzung möglicher Einschränkungen der Schuldfähigkeit folgte das Gericht vollständig dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Jack Kreutz. Der Chefarzt der Rheinischen Kliniken hatte zwar Anzeichen für Persönlichkeitsstörungen gefunden, allerdings nicht in einem solchen Ausmaße, dass der Angeklagte vermindert schuldfähig oder sogar schuldunfähig ist. Auch der Drogenkonsum von Tom K. war nach Auffassung des Mediziners nicht so weit eskaliert, dass ein psychiatrisches Eingreifen erforderlich ist.
Das ist halt die von Slime recht treffend umschriebene „Gerechtigkeit der deutschen Justiz“.
Recht und Gericht haben mit Gerechtigkeit nichts zu tun.
Es wird grundsätzlich versucht, die tatausführende Person zu schützen und sämtliche die Tat dieser Person relativierende Umstände zu berücksichtigen.
„Lebenslang“ ist nicht lange genug. Manche Leute gehören für immer weg von der Straße.