Klever Reichsbürger vor Gericht

„Aufgeklärt im Sinne des Völkerrechts“: Hohle Rhetorik hinter der Windschutzscheibe

An seinem schwarzen Mercedes hatte der 45 Jahre alte Klever deutlich sichtbar den Hinweis angebracht, dass er sich den so genannten „Reichsbürgern“ zugehörig fühlt, einer obskuren Gruppe von Menschen, die allesamt der Ansicht sind, dass die Bundesrepublik Deutschland eine illegale Rechtskonstruktion ist und in Wahrheit das Deutsche Reich fortbesteht.

In der kruden Logik dieser Menschen haben die Institutionen unseres Staates keine Autorität. Für den Klever, der ein Tätowierstudio betrieb, dürfte deshalb der Termin am 5. Mai um 9:00 Uhr die größtmögliche Herausforderung seines Weltbildes darstellen: Um diese Uhrzeit beginnt vor der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Kleve im Saal A 103 in der Schwanenburg der Prozess gegen ihn – allerdings nicht wegen seines aus dem Lot geratenen Weltbildes, sondern wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Zudem soll der Angeklagte das Waffengesetz missachtet haben.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, in nicht geringer Menge mit Betäubungsmitteln gehandelt zu haben. Hinzu kommt der erschwerende Umstand, dass der 45-Jährige bei seiner Festnahme nicht nur fünfzig Gramm hochkonzentriertes Kokain mit sich führte, sondern auch eine im Hosenbund versteckte Schusswaffe der Marke Heckler & Koch sowie ein Spring- und Butterflymesser.

Diese Kombination wird im Betäubungsmittelgesetz ausdrücklich erwähnt: Demnach ist mit Haft nicht unter fünf Jahren zu bestrafen, wer „mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schusswaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind“. Wenn sich die 2. große Strafkammer der Auffassung der Ankläger anschließt, droht dem Reichsbürger also eine langjährige Freiheitsstrafe.

Der 45 Jahre alte Klever war Anfang Februar verhaftet worden. Eigentlich sollte er nur ergänzende Informationen zur „Vermögensauskunft“ geben (früher Offenbarungseid genannt), doch die zuständige Gerichtsvollzieherin befürchtete bei diesem Verwaltungsakt Komplikationen und beantragte deshalb einen Haftbefehl, den das Amtsgericht auch beschloss. Da der Tätowierer polizeibekannt war und in Polizeikreisen als „sehr gefährlich“ eingestuft wurde, fällte die Polizei die Entscheidung, bei der Verhaftung ein Sondereinsatzkommando einzusetzen.

Als die Elitepolizisten die Wohnung des Mannes in Materborn stürmten und ihn überwältigten, fanden sie in seiner Weste das Rauschgift. In ersten Presseberichten hieß es, es seien Amphetamine (Aufputschmittel) gefunden worden; offenbar ergab die spätere Analyse der Substanzen, dass es sich um Kokain handelte. Bei der anschließenden Durchsuchung der Geschäftsräume entdecken die Fahnder im Tresor eine Feinwaage sowie 20 Druckverschlussbeutel, die in entsprechenden Kreisen in der Regel dazu benutzt werden, Drogen zu portionieren.

Ein Sprecher des Landgerichts teilte mit, dass der Angeklagte im Ermittlungsverfahren den Tatvorwurf teilweise einräumte. Zur Hauptverhandlung sind vier Zeugen geladen.

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24 Kommentare

  1. 23

    Ist ja mal ein schöner Ritterschlag, wenn jetzt schon ein SEK kommt um die Vermögensauskunft einzuholen.

    Warum wurde nicht berücksichtigt, dass man mit der Reichsbürgerei noch jegliche Aufmerksamkeit auf sich zieht? Es ist in der heutigen Zeit doch gar kein Problem mehr galant seine drei Fingerchen beim Gerichtsvollzieher zu heben und dann voll geschäftsfähig mit einem AMG davon zu blubbern.

     
  2. 22

    Da war dann noch die historische Erkenntnis eines Samuel Colt (1860) : “ Meine Waffe macht alle Männer gleich“ ..wie schön ist das denn ?

     
  3. 21

    @17. laloba
    doch, geben tat es die auch damals, aber die Frage ist doch mehr, was hat den Auslöser für die „Erleuchtung“ deiner Bekannten gegeben.
    Das gilt doch für so viele Ansichten und „Erkenntnisse“, die man auch als Luxusprobleme bezeichnen kann.

     
  4. 20

    @19 R H
    Hallo, ich möchte die Diskussion über Waffen nicht weiter fortsetzen, das führt doch zu nichts, allerdings die These aufzustellen, Waffen sind zum töten , finde ich unhaltbar.
    Ebenso unhaltbar finde ich die These, den Hersteller von Waffen für die Folgen des Einsatzes derselben verantwortlich machen zu wollen.
    Jeder Mensch ist für seine eigenen Taten verantwortlich.
    Wohin die These von 5. leitet, haben wir an der Prohibition gesehen.

     
  5. 19

    hallo, @15, ihr Wissen in allen Ehren. Ihr Verständnis stößt auf Grenzen. Eine Waffe ist zum töten. Ich rede hier nicht von Atomwaffen. Im Verhältnis zur Atombombe sind wesentlich mehr Menschen durch konventionelle, halb- oder vollautomatische Handfeuerwaffen ums Leben gekommen. Hierzulande auch ein Verkaufsschlager

     
  6. 18

    @17. laloba

    Das Thema und die dazugehörenden Menschen gab es schon………man hat vielleicht nicht öffentlich darüber gesprochen oder geschrieben…….

     
  7. 17

    @16 jb Das besagte Thema war früher kein Thema. Gab`s die „Reichsbürger” damals schon?

     
  8. 16

    @9. laloba
    ja, diese Entfernung vom ursprünglich gleichen Standpunkt erlebt man immer wieder.
    Sowohl was Ansichten und Lebensanschauungen betrifft, aber auch auf anderen Ebenen.

    Wer kann sich z.B. vorstellen, dass Kim Zong UN in seiner Jugend in der Schweiz zur Schule gegangen ist und dort überhaupt nicht aufgefallen ist.
    Oder Assad, der in der Nähe von London als Augenarzt praktiziert hat bis er seinen Brider ersetzen „musste“.

     
  9. 15

    @5. Rainer

    alte Diskussion, aber 1. die genannte Waffe ist kein Billigprodukt, die wird von der US-Armee benutzt, ich habe im Netzt irgendwo einen Neupreis von ca. €800,- gefunden, da gibt es aus China oder CZ Sachen für weniger als die Hälfte.
    2. eine .45 (Inch) hat ein Kaliber von 11,5 mm.
    Zum Vergleich: Luftgewehr 4,5 , ein KK 5,5mm , richtig schwere Pistolen meist 9mm.

    mit `ner .45 lassen sich schon erhebliche Löcher anrichten.

    Aber das wichtigste, eine Waffe ist erst dann gefährlich, wenn sie als Waffe verwendet wird.
    Und dann kommt es noch eher auf den Hersteller der Munition an, denn ohne Patronen ist der grösste Colt nutzlos.

     
  10. 14

    @11 rd
    Ich habe gerade versucht, die Echtheit der „Dokumente” beim der Reichsmeldeamt telefonisch bestätigt zu bekommen.
    Leider hatte ich keinen Erfolg, dort ist freitags keine Sprechstunde, die Mitarbeiter der Reichsregierung brauchen ihre freie Zeit.
    Irgendwann muss man ja die auf der polnischen Bankverbindung eingegangenen „Gebühren” abheben und ausgeben können.
    Wer noch einen „echten” Reichs-Ausweis zu €50 oder einen noch echteren Reichspass zu €100 haben möchte, hier das wichtigste: die polnische IBAN PL 13 1160 2202 0000 0002 DRDR 1604.
    den Rest finden Sie auf der Homepage der Reichsregierung 🙂
    Aber lieber rd, wer sagt Ihnen, daß die (ich will sie mal nicht „Dokumente” nennen) Papiere „echt” waren?
    Es gibt ja so viele Fantasten, die gut in Photoshop sind, ich sage immer, traue keinem Papier, das du nicht selbst gefälscht hast.

     
  11. 13

    @10. Andreas Bulkens
    W a s können Sie nicht verifizieren?
    Die Angehörigkeit zum deutschen Sandkastenspiele-Reich , oder die kriminelle Grundeinstellung von jemandem, der laut Presseberichten eine .45 Pistole im Hosenbund, und Koks mit einem Strassenpreis von etwa 4.000 Euro einstecken hat ?

     
  12. 12

    @9 laloba

    ……..Mail-Kontakt und ein Treffen hatten wir auch schon geplant.

    Dann wurde es bei ihnen politisch, das hat mich nicht interessiert. Aber bis dahin, das war soooo romantisch, einfach toll. Besser als jede Sendung von Rosamunde Pilcher. Wann geht´s weiter????? Bin so gespannt.

     
  13. 11

    @Andreas Bulkens Vor der Verhaftung hat er mir seinen Mitgliederausweis gezeigt. Und seinen Reichspass.

     
  14. 9

    Vorletztes Weihnachten war ich krank, als mich die Mail einer früheren Freundin erreichte, mit der ich als Jugendliche oft abgehangen habe … vorzugsweise bei ihr zu Hause, wo es nur einen vielbeschäftigten Vater gab. Zeitweise wohnten dort auch Gastmitarbeiter des Instituts, an dem er im benachbarten Nimwegen arbeitete. Ich fand die weltoffene Atmosphäre interessant. Außerdem konnten wir machen, was wir wollten oder anders ausgedrückt: es kümmerte sich niemand um uns. Das hatte was, für mich jedenfalls. Später zog sie weiter weg, da habe ich sie nochmal besucht und dann haben uns irgendwann mehr oder weniger aus den Augen verloren.
    Dann ihre unerwartete Mail. In den Weihnachtstagen bis ins neue Jahr hinein entwickelte sich ein intensiver Mail-Kontakt und ein Treffen hatten wir auch schon geplant. Aber als es irgendwann auch um politische Themen ging, stellte sich heraus, dass sie Anhängerin der Reichsbürger-(Verschwörungs-)Theorien geworden war … zuerst hab ich das gar nicht so geschnallt, aber es wurde immer heftiger. Die Amerikaner hätten alles unter Kontrolle in Deutschland, Deutschland kein souveräner Staat, das Grundgesetz ungültig etc.
    Mit Argumenten war nichts zu machen. Sie schickte mir Propaganda-Material und hörte damit tagelang nicht mehr auf. Am Ende habe ich die Mails nur noch ungelesen gelöscht. Fassungslos hat mich gemacht, mit welcher Ãœberzeugung sie das alles vertreten hat.

     
  15. 5

    Es gibt nicht wenige Stimmen die behaupten Heckler+Koch, Rheinmetall, SigSauer usw. , seien nicht mitverantwortlich. Wer Billigwaffen produziert und exportieren kann, ist mitverantwortlich

     
  16. 4

    Bezeichnet sich der Mensch selber als Reichsbürger? Der Windschutzscheibenwisch könnte durchaus auch in der Windschutzscheibe gelegen haben, um schlicht zu provozieren.
    Wer sagt denn bitte, dass dieser Mensch „unsere” bundesdeutschen Privilegien in Anspruch genommen hat?
    Ich sehe keine belastbare Basis, den Menschen als „Reichsbürger” zu betiteln oder ihm eine wie auch immer geartete politische Gesinnung anzudichten.
    Fakt ist – so lese ich es:
    Gerichtsvollzieherin wollte ergänzende Informationen, nahm Amtshilfe in Anspruch und die Ausführungsgehilfen der Staatsanwaltschaft nutzten dies zur Ermittlung von Gesetzesverstößen.

     
  17. 2

    @jb Mit dem Kokain war es in der Weimarer Republik aber nicht so eindeutig. Im Geo Special Berlin, einige Jährchen alt, findet sich die folgende Passage: „Offiziell bekommen nur wenige Kranke Kokain in Reinform vom Arzt verschrieben – und wenn, dann in geringen Mengen (0,05 Gramm). Jeder Apotheker ist verpflichtet, alle auf gefährliche Droge lauteten Rezepte in seinem ,Kokainbuch` zu registrieren.
    Bei einer Berliner Apotheke sind eingehende und bereitwillig bediente Kokain-Rezepte in „über 95 v.H. grobe Fälschungen…, die von einem Fachmann sofort als solche erkannt werden mussten“, wie ein Referent im Innenministerium 1924 empört feststellt. Der Polizei fallen aber oft auch ,echte`, also von Ärzten tatsächlich ausgestellte Rezepte auf. Da verschreibt ein Arzt 100 Gramm reines Kokain, ein anderer 300 Gramm (mehr als der Jahresbedarf einer mittleren Apotheke), ein dritter erhält binnen weniger Tage auf zwei Rezepte kolossale 1,5 Kilogramm Heroin.“

     
  18. 1

    normalerweise fühle ich ja mit andersdenkenden Geistern zumindest wenn sie sich für ihre Umwelt harmlos manifestieren. Das setzt allerdings voraus, dass sie eine gewisse Konsequenz in ihrer Denkweise erkennen lassen.
    Schon alleine bei dem Wisch unter der Windschutzscheibe, zur besseren Lesbarkeit siehe hier:
    https://www.facebook.com/permalink.php?id=168328803320863&story_fbid=216437881843288
    fällt das hohe Mass an Inkonsequenz auf , Entschuldigen Sie, aber ich hatte keine andere Wahl des
    Parkens und bin gleich wieder da…
    Wenn man eine Autorität nicht anerkennt, ist weder eine Entschuldigung angebracht, noch die faule Ausrede, man habe keine andere Wahl so zu parken. Wenn er sich im Recht befindet, nimmt er nur die Privilegien in Anspruch, die ihm zustehen.
    In einem solchen Wisch auch noch an gesetzliche Regelungen anzuknüpfen, deren gesetzliche Grundlage man anzweifelt ist dann schon lachhaft.
    Aber fangen wir einmal von Vorne an.
    Der Herr fährt ein Auto und hat als HöllenEngel vermutlich ein Motorrad ? Weshalb meldet er das eigentlich bei Behörden an, die er nicht anerkennt, bringt ein EU Nummernschild des Kreises Kleve an . lässt sich Personalausweis, Führerschein und Fahrzeugschein der für ihn nicht existenten Bundesrepublik ausstellen, und macht auch sonst bei staatlichen Massnahmen mit (z.B. Sozialhilfe) die ihm opportun erscheinen.
    Was die Handhabung von Drogenhandel im Reich betrifft, selbst hier müssen sich die „Reichsbürger“ vorwerfen lassen, dass z.B. Cannabishandel bereits 25. März 1872: Regelung zu Cannabis in Deutschland – in der „Verordnung, betreffend den Verkehr mit Apothekerwaaren“ wird bestimmt, dass bestimmte „Drogen und chemische Präparate“ nur in Apotheken verkauft werden dürfen, darunter auch „Indischer Hanf – Herba Cannabis Indicae“.
    Um es auf den Punkt zu bringen, wer eine Waffe im Hosenbund mit sich führt , 50 g Kokain und die Vorrichtungen zur verkaufsmässigen Portionierung vorhält, ist kein idealistischer Spinner , sondern ein Krimineller grossen Kalibers.
    Das wird ihm, ob er deren Legitimation nun anerkennt, oder nicht, die 2. grosse Strafkammer wahrscheinlich mit Brief und Siegel attestieren.

    Da das Thema Reichsbürger auch in unseren Gefilden eine grössere Bedeutung annimmt, hier für Alle, die es betrifft, noch ein passender Link für den Umgang mit dieser Klientel :
    http://www.verfassungsschutz.brandenburg.de/media_fast/4055/Reichsbuerger%20Ein%20Handbuch.pdf