In der überregionalen Presse ist Kleve derzeit sehr präsent – allerdings getreu dem alten Journalistenmotto »Only bad news are good news«. Den Anfang machte Der Spiegel, dessen Reporterin Barbara Schmid sich eingehend mit den Ermittlungen gegen Kleves umtriebigsten Tierschützer Sigurd T. (70) beschäftigte. Der sitzt seit Monaten in Untersuchungshaft, weil er Sozialversicherungsabgaben in Höhe von 640.000 Euro nicht gezahlt haben soll. Es sei sogar noch mehr, berichtete das Blatt – und große Mengen Bargeld wurden auch noch gefunden. +++ Am Montag legte die Süddeutsche Zeitung nach: Reporter Bernd Dörries hatte an einer Stadtführung von Helga Ullrich-Scheyda unter dem Motto »Kleves dunkle Seiten« teilgenommen, aber nur, um vom Pesthauch des Mittelalters einen Bogen zu den Pofallas der Neuzeit spannen zu können (mit im Sack auch Linssen und Tebartz-van Elst). Was hat der Niederrhein, dass hier so viele schlechte Menschen gedeihen, so die für ein Blatt mit dem Anspruch der SZ doch recht bescheidene Grundfrage des Artikels, für den dann auch noch Bruno Schmitz als Zeuge der Anklage herhalten musste. »Dünnes Hündchen«, hätte mein Ex-Chef Michael Spreng zu so einer Geschichte gesagt.
Die dunkle Seite der Macht – oder: von einem der auszog, neue Nachrichten aus Politik und Kultur zu recherchieren.
Nun wissen wir es: Im 17 Jahrhundert gab es ein Alkoholproblem in Kleve am Niederrhein und heute essen dort die Menschen pünktlich zu Abend.
Umwerfend! Neu! Glänzend recherchiert!
Beides ist natürlich Quatsch, denn der Zeitungsmann hat nicht hingehört und nicht genau gelesen: die kluge Stadtführerin hat als studierte Historikern auf die Armutsproblematik hingewiesen und auf den Fleiß der Menschen und ihr Mitleid, diesem mit Armen- und Pesthäusern zu begegnen.
Der Schreiberling versteht auch wenig vom Stadtmarketing; es ist gerade – auch am Erscheinungsort der Süddeutschen – en vogue – mi Pesthäusern, Hinrichtungsstätten und Gefängnisse die dunkle Seite von Städten zu zeigen – und, wie auch in Kleve, die Ãœberwindung vor allem durch Werke der Caritas mit ihren Spuren bis heute gleich mit.
Denn der Schreiberling hat ja etwas ganz anderes im Sinn: er will freundlich belächelte Klischees aus der Provinz – mal sind es die Ostfriesen, dann die Oberschwaben und jetzt müssen wir einen Verteidigungsexperten für das Landwirtschaftsministerium akzeptieren, nur weil der passend aus Franken kommt, wo immer dieses Hintertupfingen liegen mag – nutzen, um sich dem „Enthüllungsjournalismus“ zu ergeben. Dabei vergisst er, in die Geschichtsbücher zu schauen. Ein ganz großer, nämlich Friedrich der Große, hatte so seine liebe Not mit den aufgeklärten, gebildeten und immer obrigkeitskritischen Klevern, die so gar nicht stolz auf ihre Großkopferten waren und sind. Das überlassen wir gerne den Bayern mit ihrem Kini- und Kaiserkult. Tapfer leiden wir mit den niederrheinischen Mannschaften unter der Bayernvormacht und gedenken eines klugen Arztes, den ein verrückter König mit in den nassen Tod nahm.
Der Niederrheiner ist sicher so genügsam und bescheiden, wie der große Dieter Hüsch ihn liebevoll beschreibt; so können sich auch Sünderlein wie Pofalla, Linssen und Tebartz-van-Eltz auf menschliches Vergeben verlassen, auch wenn gleichzeitig nüchterne Rechenschaft und Einstehen für Unkluges oder gar für Straftaten eingefordert wird
Und eines schätzen wir gar nicht am platten Land: Familienschelte und üble Nachrede. Was kann die Schwester eines Bischofs für seine Eskapaden und kleine Schwächen einer engagierten Sozialdemokratin verzeihen auch schwarze Klever.
Unser weites Land, unser frischer, erasmusgestählter Geist lacht über alle, die der Stadt klug den Spiegel vorhalten; zu Kleve gehört einer der ältesten Karnevalsgesellschaften und Kleinkünstler und das Kabarett gedeihen hier hoch geachtet und immer „hart an der Grenze.“.
Hier wurde der Auf- und Neubau einer Fachhochschule gestemmt; übrigens, liebe Berliner und Hamburger, wir Provinzler bauen frist- und budgetgerecht. Museen des Jahres von Weltruf in der Tradition von Koekoek und Beuys begeistern ein kritisches Publikum gerade auch aus der geschätzten niederländischen Nachbarschaft. Als Kind des Ruhrgebiets – auch so ein Objekt des Wir-machen – die schon-lächerlich-Journalismus- erlebe ich eine lebendige, engagierte, spenden- und opferbereite Bürgerschaft. Das macht die Stadt mit den Menschen. Möge die Macht mit dem Schreiberling sein!
Bernhardine A. Büscher-Kahl M.A.
Trübsche Straße 7 47533 Kleve
Tel. +49 28221 3345
Tel.: +49 15157134081
Buescher-kahl@network-nrw.de
Und die Industriestr. Tweestrom – Rheinbrücke war dann auch nur eine Fehleinvestition – oder was?
Der Weeze-Bericht in der aktuellen „Titanic“-Ausgabe war auch nicht übel 😉
Nicht zu vergessen das mit Regelmäßigkeit in der RP ( wo sonst?) wiederkehrende Thema “ Querspange“ Eichenallee.
Jetzt muss auch der BUND als Eichhörnchenzählverein die Spangenplanung gutheißen.
Der nächste Schildbürgerstreich nimmt seinen Lauf.
Wenn denn die (Spykstrassen ) Brücke baufällig ist /oder wird , je nach Gusto Strassen NRW, dann muss vorher die Querspange kommen, dann , kann die Brücke abgerissen werden, … und die ehemals durchgängige Spykstrasse wieder geöffnet werden.
Die jetzige „Umgehungsstrasse“ wird dann nicht mehr gebraucht.
Mehr Volksverdummung geht wohl nichtmehr !Zonenrandgebiet, auch im Denken unserer Volksvertreter.
-> Claus
Ach so. Muss was übersehen haben.
->Wolfgang Look,
Als (ehemaliger) Klever kommt es mir aber genauso vor wie die Süddeutsche es schreibt. Zonenrandgebiet ist durchaus nicht daneben. „Zollgrenzbezirk“ trifft es vielleicht besser.
Und das in Kleve die Welt endet, in Nijmegen aber wieder anfängt, den Eindruck hatte ich auch manchmal.
Und solche Kirchturms-Possen wie die um eine Madonnenstatue an der Gruft oder die gescheiterte Zulassung evangelischer Lehrer an der Grundschule Rindern sind auch eher im Zonenrandgebiet und nicht in urbanen Ballungsräumen zu finden.
Lieber Lohengräm, der Ralf hat sich doch schon 2008 geoutet, als er einen bekannten Klever durch den Kakao zog. Stichwort „Violetta“
@rd
Angeber!
Du hast den Artikel nur geschrieben um mal scheinheilig-dezent irgendwo unterzubringen, dass du unter Michael Spreng gearbeitet hast.
🙂
Wär mir allerdings peinlich, in irgendeiner Form mit der „Bild“ in Verbindung gebracht zu werden. Das Blatt, mit dem man nach Volker Pispers „toten Fisch beleidigt wenn man ihn darin einwickelt“.
🙂
„Zonenrandgebiet“ nennt die Süddeutsche Kleve. Als ob es eine Arte leblose Todeszone mit Sondergesetzen aber eiskalt und grausam ist und voller Wachsoldaten mit Schießbefehl. Positiv sind laut dem Artikel die „Holländer, die etwas Weltoffenheit und Freude mitbrachten“. Vielleicht sollte er die Stiftskirche umbenennen in „Kirche im Todesstreifen“ oder die Radwege am Kartenspieler Weg in „Mauerwege“ oder die Schwanenburg in „Wachturm“ oder den Grenzübergang in „Checkpoint Pofalla“, vielleicht aber sollte er auch sich etwas genauer mit der Region befassen und fragen, ob seine Wahrnehmung nicht etwas einseitig ist.