Für Ulla O., die gemeinsam mit ihrem Mann Johannes auf der Anklagebank sitzt, waren die letzten 29 Minuten und 7 Sekunden der Verhandlung am Freitag wohl so etwas wie eine nostalgische Erinnerung an die Zeiten, als die Welt der Prostitution an der Benzstraße in Goch noch in ihrem Sinne „in Ordnung“ war. Als die gelernte Bürokauffrau durch die Medien dieser Welt gereicht wurde als Expertin und Qualitätskontrolleurin in Sachen käuflicher Liebe.
Das war so, weil die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts, vor der sich das Ehepaar wegen verschiedener Abgabevergehen mit einem unterstellten Gesamtschaden in Höhe von 1,9 Millionen Euro verantworten muss, eine Fernsehstunde abhielt. Der Vorsitzende Richter Christian Henckel ließ eine 2018 ausgestrahlte WDR-Dokumentation abspielen, bei der die Journalistin Donya Farahani im Rahmen der Reihe „Donya unterwegs im Westen“ eine Woche in dem Gocher Bordell als Thekenkraft arbeitete und sich bei ihrer Tätigkeit sowie bei den Gesprächen mit Prostituierten, Freiern, Mitarbeitern und auch der Chefin Ulla O. filmen ließ.
Als nach dem Prozessauftakt der Film hier auf kleveblog verlinkt wurde, entspann sich eine lebhafte Diskussion darüber, wie authentisch der Film wirklich ist. Auf der einen Seite gab es den Standpunkt, dass die gezeigten Beispiele zu einer klischeehaften Romantisierung beitragen, etwa wenn die aus Ungarn stammende Protagonistin erzählen darf, dass sie nur noch ein paar Monate im „FKK van Goch“ arbeiten möchte, um dann mit dem verdienten Geld in ihrer Heimat ein Altenpflegeheim zu betreiben.
Auf der anderen Seite hielten Diskutanten dem entgegen, dass so immerhin ein Einblick in die Arbeitswirklichkeit möglich werde. Allerdings hat der Film einige Szenen, etwa einen vor laufender Kamera auf der Tanzfläche ausgeführten Sexualakt, die zumindest den Verdacht aufkeimen lassen, hier hat vielleicht die Betreiberin oder wer auch immer etwas nachgeholfen, um ein paar spektakuläre Bilder zu liefern.
Man weiß es nicht, aber immerhin hatte zu Beginn des Prozesses Ulla O. über ihren Anwalt einräumen lassen, dass bei der RTL-2-Bordelltester-Dokumentationsreihe „Rotlichtexperten im Einsatz“ gar nichts stimmte und alles inszeniert war. Davon ist der WDR natürlich weit entfernt, und wenig überraschend – Sex sells – ist im Wikipedia-Eintrag zu der Journalistin nachzulesen: „Ihre Reportage aus einem Bordell am Niederrhein gehört zu den erfolgreichsten Filmen im Dokukanal des WDR auf YouTube.“
Das alles spielte jedoch am Freitag bei der öffentlichen Vorführung des Werks im Saal A 105 des Landgerichts im Kleve keine Rolle, wobei die Frage, wie der offenbar etwas exhibitionistisch veranlagte Freier, der auf der Tanzfläche zur Tat schritt, mit der Prostituierten den Preis für die Leistung vereinbart und wie er bezahlt hat, vielleicht doch für die Beweiserhebung von Bedeutung sein könnte, denn bisher hieß es von Seiten der Angeklagten immer, es handele sich um selbstständig tätige Frauen.
Von den Mitarbeitern des Westdeutschen Rundfunks ist an dieser Stelle keine Aufklärung zu erwarten. Die Staatsanwaltschaft hatte offenbar nachgefragt, ob Donya Farahani zu den Umständen der Filmaufnahmen etwas sagen möchte, allerdings eine Absage erhalten (was das gute Recht der Journalistin ist).
So mussten die Anwesenden mit dem vorlieb nehmen, was der Bericht hergab. Am Anfang, während eine barbusige Mitarbeiterin einen Mann zu einem „Verrichtungszimmer“ geleitet, heißt es: „Erst flirtet sie, dann verhandelt sie den Preis, und dann kann sie mit dem Gast aufs Zimmer gehen, so läuft das.“ Es klingt, als hätte bei der Passage ein Steuerberater den Text vorgegeben.
Eine Minute später erklärt Donya Farahani: „Die Frauen sind selbständig. Sie zahlen 40 Euro Eintritt, 10 Euro [davon] gehen als Vorsteuer ans Finanzamt. Den Preis mit den Freiern machen die Prostituierten selber aus. [Jetzt leicht angeekelt klingend:] Los geht es schon ab 35 Euro – für 20 Minuten Sex. Nach oben sind die Preise aber offen.“ Woher die Untergrenze kommt, wenn die Frauen doch selbständig arbeiten, wird nicht erläutert.
In Minute 23 besucht die Reporterin, von der Kamera begleitet, die über dem Bordell wohnende Ulla O. in ihrem Büro. Süß die Szene, wie Ulla O. zunächst ihre drei kläffenden Minihunde beiseite räumen muss, um Donya Farahani Einlass zu gewähren. Im Büro stehen zwei große Monitore, von denen die Chefin aus das Geschehen im Erdgeschoss verfolgen konnte, auch, wie Kamera 7 zeigt, während sich die Frauen umkleiden.
„Ich will wissen, wie Ulla O. das Bordell organisiert“, so Donya Farahani. Die Chefin, die zuvor schon hatte erklären lassen, dass dazu die Software WiSo Mein Büro zum Einsatz gekommen sei, berichtet: „Das ist praktisch der Vertrag. [Ich mache] mit jeder einzelnen einen Vertrag. Das ist die Zusicherung, dass sie dann auch wirklich unter diesen Rahmenbedingungen arbeiten möchten…“
Alle diese Erläuterungen entsprechen genau der Version der Verteidigung – und sind so ziemlich exakt das Gegenteil von dem, was die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage behauptet. Mehr als wahrscheinlich also, dass die beiden Seiten wie gestern auch schon, selbst bei kleinen Anlässen sich gegenseitig attackieren und der Vorsitzende Richter Mühe hat, die Streithähne wieder zu beruhigen. Der Prozess wird am Dienstag um 13 Uhr fortgesetzt.
Hier der Bericht zum Prozessauftakt: RTL2-Bordelltesterin vor Gericht: Die Sendung hatte mit der Wirklichkeit nichts zu tun
@Hedwig (also known as Rainer) „Deutschland ein Zuhälterparadies“
was bleibt es unter diesem Thread ängstlich still ?
Ich bin sicher, beinahe jeder hat das Video abgespult, aber hier dokumentieren, dass er den Artikel gelesen hat, wagt sich anscheinend keiner.
Dabei handelt der Thread nur am Rande von Sex und Prostitution, in der Hauptsache geht es einmal um die Frage, wieviel Geld alleine in so einem relativ kleinen Kaff wie Goch mit solch einem Puff eingenommen werden kann, dass dabei knappe 2 Mio Euro Steuern hinterzogen werden können, oder zumindestens der Vorwurf dazu entstehen kann.
Und was He/Ra ´s Einwurf betrifft, so ein Etablissement schafft keine Luden, es verhindert sie eher indem es, und das ist das einzig Positive, was ich solchen Häusern zugestehen will, den Schutz der Mädels selbst in die Hand nimmt.
Weil aber die übrige Leserschaft so viel Leerraum unter diesem Thread lässt, fülle ich eimal ein wenig davon mit einer Posse des bekannten Cabaretiers Toon Hermans auf, die ich just heute im NL-Radio gehört habe.
Eine Ordensschwester (für wer es nicht weiss, das sind die Katholischen) fährt im NIAG-Bus, es ist recht frisch, und ihr gegenüber sitzt ein extrem leichtbekleidetes Mädchen.
Um ein Gespräch zu beginnen sagt die Schwester >> na Kind, Du bist aber leicht bekleidet, du holst dir noch den Tod.
Worauf das Mädel antwortet, ja,ehrwürdige Schwester, ich muss mich wohl so leicht kleiden, ich bin nämlich eine Prostituierte.
Darauf die Ordensschwester >>Kind, kannst Du das noch einmal wiederholen, ich fürchte, ich habe dich nicht richtig verstanden.
Das Mädel wiederholt noch einmalruhig und deutlich >>ehrwürdige Schwester, ich bin eine Prostituierte !
Darauf die Ordensschwester >> ach so, dann bist Du ja ein braves Mädchen, ich hatte schon Angst, ich hätte dich falsch verstanden.
Beim ersten Mal meinte ich doch glatt gehört zu haben, du hättest gesagt, du seist eine Protestantin .
@rd. Danke übrigens, auch im Namen der Ungehörten, für die Reportage über den Prozess.
Ich bin ausgesprochen gespannt, wie der Prozess enden wird, auch wenn schon jetzt feststehen wird, dass die Geschiche noch mehrere Instanzen durchlaufen wird.
Sowohl Herr Timmer, als auch die Angeklagte machen nicht den Eindruck, ein Urteil unwidersprochen zu lassen.
Dafür geht es für sowohl den Staat, als auch die Branche, um viel zu viel Geld.
man sollte erwähnen das D ein zuhälterparadies ist