Es gibt in der deutschen Sprache das selten genutzte Wort „unprätentiös“, das ein Auftreten beschreibt, welches zurückhaltend und ruhig ist. Dieter Dormann war im besten Sinne des Wortes ein unprätentiöser Mensch, so war er schon, als er Mitte der achtziger Jahre zur Lokalredaktion der Rheinischen Post stieß, schon damals rauchend und vorzugsweise Strickpullover tragend, und so ist er Zeit seines Lebens geblieben, zuletzt beispielsweise, wenn er zu einer Zigarettenpause vor die Redaktion trat (auch das meistens im Pullover), und dort, am Hasenberg, einer kleinen Unterhaltung nicht abgeneigt war, auch dann nicht, als die Krankheit schon ihr Zerstörungswerk begonnen hatte.
Lakonisch, so wie es seine Art war, erzählte er von seiner Operation und von bevorstehenden Behandlungen, die jedoch gegen einen übermächtigen Gegner nur das Ziel haben konnten, ihm Zeit abzuringen. Gut anderthalb Jahre nach der Diagnose Gehirntumor, die ihn zu Beginn eines Italien-Urlaubs ereilte, starb Dieter Dormann nun im Alter von 61 Jahren. Der Journalismus in Kleve verliert einen besonnenen Vertreter seines Fachs, einen Mann, der noch die Gabe hatte zuzuhören und der das Staunen nie verlernte. (Beides sehr wichtig im Beruf des Journalismus.)
Nach seinen Anfängen in der Klever Lokalredaktion absolvierte Dieter Dormann, der eigentlich Lehrer werden wollte, aber in Jahrgängen mit zu vielen Absolventen keine Aussicht auf eine Stelle hatte, ein Volontariat in der Hauptredaktion der Rheinischen Post in Düsseldorf und war danach viele Jahre für den Reiseteil zuständig, später dann auch für die Reportage-Seite der Zeitung. Vor gut einem Jahrzehnt kehrte er auch beruflich in seine niederrheinischen Heimat zurück und arbeitete wieder in der Redaktion, in der seine Laufbahn begann. Dieter Dormann lebte mit seiner Frau in Keeken in einem ländlichen Idylle und träumte davon, im Ruhestand, der bereits in Sichtweite zu sein schien, wieder mehr zu reisen. Das war ihm nicht mehr vergönnt.
„Dieter Dormann redete nicht viel. Wenn er aber etwas sagte, dann hatte es Gewicht“, schrieb die Rheinische Post in ihrem Nachruf auf den Kollegen. „Er sprach bedacht, mit Hintergrund und klarer Meinung. Er war für die Redaktion wichtig, weil er offen und ehrlich Notwendiges in die redaktionsinterne Diskussion einbrachte. Er hatte viel Verständnis für die jungen Kollegen. Er verstand sich als ihr Mentor.“ Sein ehemaliger Kollege Christian Breuer ergänzte auf Facebook: „Ich habe ihn als einen Kollegen kennengelernt, der mit einem einzelnen hörbaren Atemzug, einem kurzen Nicken oder Stirnrunzeln und einem angedeuteten Lächeln sehr viel mehr sagen konnte als die meisten Menschen in einer langen Erklärung.“
Das ist gut und richtig beobachtet und soll an dieser Stelle nur um einen Kniff des Lokaljournalismus ergänzt werden, den ich von Dieter Dormann lernte und nie vergessen habe – den großzügigen Einsatz des Wortes „stolz“. Wenn Dieter Dormann von der Einweihung eines neuen Feuerwehrgerätehauses oder von der Eröffnung einer Kaninchenzüchterausstellung in die Redaktion zurückkehrte, fand sich mit großer Zuverlässigkeit in den von ihm verfassten Beiträgen das besagte Wort: „Mit Stolz blickte der Löschzugführer auf den Neubau.“ Oder: „Stolz präsentierte der Züchter den prämierten Deutschen Widder.“
Man mag das für eine Petitesse halten, aber die Wortwahl bezeugte, dass Dieter Dormann auch dem vermeintlich Kleinen und Nebensächlichen mit Achtung und Respekt begegnete und die Gefühle der Menschen, über die er schrieb, aufnahm. In diesem Sinne können die Redakteure der Rheinischen Post stolz sein, einen Kollegen wie Dieter Dormann in ihren Reihen gehabt zu haben.