Auf Diebeszug in der NordWestBahn

Weichenstellungen des Lebens
Weichenstellungen des Lebens

Einer der Zeugen, die am letzten Verhandlungstag im Saal I des Amtsgerichts Geldern auftreten, arbeitet als Zugbegleiter auf der NordWestBahn-Strecke Düsseldorf-Kleve. Er sitzt zwei Meter vor der Richterin, und das ist auch genau der Abstand, den er im Zug zu den Tätern hatte, die jetzt auf der Anklagebank sitzen. „Vor meinen Augen haben sie versucht, Fahrgäste zu bestehlen“, sagt er. Seit 15 Jahren sei er im Sicherheitsgewerbe tätig, seit fünf Jahren bei der NordWestBahn als Zugbegleiter beschäftigt. Die Dreistigkeit der Täter, das ist ihm anzumerken, macht ihn immer noch fassungslos.

Vor dem Amtsgericht Geldern wurde am Donnerstag der Schlussstrich gezogen unter eine beispiellose Diebstahlserie, die sich in Nordrhein-Westfalen und insbesondere in den Zügen der NordWestBahn auf der Strecke zwischen Düsseldorf und Kleve abgespielt hat. Angeklagt waren vier junge Männer aus jener Region, die seit den Ereignissen der Silvesternacht in Köln unter Generalverdacht steht – aus Nordafrika.

Drei der Täter stammen aus Algerien, Zwillingsbrüder darunter, der vierte kommt aus Libyen. Alle sind sie Anfang 20, alle haben sie Asyl beantragt, alle lebten in Kevelaer in einer Flüchtlingsunterkunft. Von Kevelaer aus starteten sie ihre Diebeszüge.

Es sind Menschen wie die vier in Geldern angeklagten Männer, die dafür sorgen, dass eine Vielzahl rechtschaffener Asylbewerber und ausländischer Mitbürger in Verruf geraten. Dass rechtsradikale und ausländerfeindliche Propaganda Munition bekommt. Dass die Stimmung, was immer in diesem Zusammenhang „die Stimmung“ ist, zu kippen scheint.

Dieser Artikel soll ausdrücklich nicht dazu beitragen – allerdings ist auch niemandem damit gedient, wenn Kriminalität dieser Art aus der öffentlichen Wahrnehmung ausgeblendet oder schöngefärbt wird. Es handelt sich um Kriminalität, und dafür – und nicht für Stimmungen – ist eben die Justiz zuständig, in diesem Fall das Jugendschöffengericht in Geldern.

In einer Verhandlungspause berichtet der Zugbegleiter von seinem Arbeitsalltag. Er erkenne schon, was auf ihn zukomme, wenn der Zug in einen Bahnhof einfahre. Wenn dort eine Gruppe junger Menschen stehe, die sich nach dem Einsteigen nicht zusammen hinsetze, sondern sich gezielt über den ganzen Triebwagen verteile. Fahrgäste, die dann scheinbar motivationslos durch den Gang liefen. „Die suchen sich ihre Opfer“, sagt der Zugbegleiter.

Beliebt sind die Abendzüge, wenn ermüdete Pendler eindösen. Und die ersten drei Züge am Samstagmorgen sowie am Sonntagmorgen aus Düsseldorf in Richtung Kleve, wenn angetrunkene Altstadtbesucher die Heimfahrt antreten. „Da steigen manchmal sieben oder acht von denen ein“, sagt der Zugbegleiter. „Von denen“, das sind die organisierten Taschendiebe. Er ist allein im Zug. „Wie will man die Fahrgäste beschützen, wenn man nicht einmal sich selbst beschützen kann?“ Gute Frage. Er macht persönliche Durchsagen, wenn er verdächtige Gruppen sieht. Geklaut wird trotzdem.

Das eine oder andere Mal wurde doch einer der Täter gefasst, Personalien wurden festgestellt, die Spur zurückverfolgt bis nach Kevelaer, wo die Angeklagten zuletzt von der Polizei beschattet wurden. Die Beamten beobachteten sie dabei, wie sie in Twisteden unverschlossene Autos nach Wertgegenständen durchsuchten und im Zug auf Beutetour gingen. Dann erfolgte die Festnahme, seit Mitte des vergangenen Jahres sitzen die vier jungen Männer in Untersuchungshaft.

Insgesamt 27 Delikte listet der Staatsanwalt in seinem Plädoyer auf, die den vier Angeklagten in wechselnder Besetzung zugeordnet werden können, nur bei dreien ist er sich nicht sicher genug. Allein 36 Minuten benötigt er für die chronologische Auflistung aller Straftaten, wobei neben den Eigentumsdelikten auch die Schwarzfahrten angeklagt sind.

Die jungen Männer erhalten als Asylsuchende zwar ein so genanntes „Sozialticket“, doch das ist nur innerhalb des Kreises Kleve gültig. Werden sie bei einer Tat jenseits von Aldekerk im Zug erwischt, kommt als Delikt automatisch das „Erschleichen von Leistungen“ hinzu.

Gestohlen wurden mit Vorliebe Smartphones, Tablets und Laptops. Manche der Taten konnten auf den Überwachungsvideos der NordWestBahn nachverfolgt werden, von anderen Beutestücken machten die Diebe mit den (vermutlich ebenfalls) gestohlenen Smartphones Fotos, ein Telefonbesitzer bekam sein Samsung S5 Galaxy wieder zurück, weil der Täter anderthalb Stunden nach seinem ersten Diebstahl bei einem weiteren dingfest gemacht werden konnte.

Der Haupttäter ist Morad R., 20 Jahre alt und aus Algerien stammend. Ihm ordnet der Ankläger 13 Delikte zu. Er spricht von einem „gewerbsmäßigen Handeln, um sich den Lebensunterhalt zu finanzieren“. Und er ist überzeugt: „Es muss eine große Zahl weiterer Taten gegeben haben, die hier nicht angeklagt worden sind.“

Was hat R. für eine Geschichte? „Er hat in seinem Heimatland familiäre Gewalt erfahren und sich ihr durch Flucht entzogen“, sagt sein Anwalt Dr. Karl Haas. R. schlug sich nach Spanien durch, reiste nach Frankreich weiter und gelangte schließlich nach Deutschland, wo er Asyl beantragte.

Hatte er je irgendwo eine Chance? Er hat keinen Schulabschluss und keine Berufsausbildung, und er spricht kein Deutsch. Unmittelbar nach seiner Einreise nach Deutschland begann er damit, Straftaten zu begehen. Das Amtsgericht Siegen verurteilte ihn am 20. Januar 2015 zu 30 Tagessätzen à zehn Euro. Wovon hätte er die Strafe bezahlen sollen? Von seinem Taschengeld als Asylbewerber? Oder vom Erlös der verkauften Beute? Diese Strafe gilt jetzt jedoch als verbüßt, weil R. sie in Untersuchungshaft gewissermaßen „abgesessen“ hat.

„Morad R. ist entwurzelt, er lebt allein in einem fremden Land“, so Dr. Haas. Ein Vertreter der Jugendgerichtshilfe hält den Angeklagten für „traumatisiert“ und empfiehlt dem Gericht, tagesstrukturierende Maßnahmen aufzuerlegen – und einen Deutschkurs. Es solle eine Jugendstrafe zur Bewährung verhängt werden.

Dem mochte das Jugendschöffengericht allerdings nicht folgen. Es verurteilte Morad R. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ohne Bewährung. Welche Auswirkungen die Strafe auf seinen Aufenthaltsstatus haben wird, ist noch offen. Zwei seiner Mittäter erhielten Bewährungsstrafen, der dritte eine Geldstrafe in Höhe von 1500 Euro.

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15 Kommentare

  1. 13

    Was mir noch so einfällt bei dem derzeitigen Thema, es ist doch interessant und diskussionswürdig, Themen die Kleve betreffen und Themen die über Kleve hinausstrahlen zu diskutieren. Auch seine eigene Ansicht eventuell zu revidieren, andere anzunehmen und über Thekengespräche hinauszugehen.

    Nicht immer das „ewig“ Neue soll uns zum Schreiben veranlassen, sondern aktuelle Themen mit „alten“ Inhalten
    zwingen uns zu Gedanken und Äußerungen, die wir vielleicht mit dem nächsten Bekannten oder Nach(T)barn
    nicht in dieser Form besprechen können.

     
  2. 12

    @laloba Er ruft natürlich die Polizei. Aber bis zur nächsten Station ist er allein im Zug. Er kann einen stellen, aber nicht drei oder mehr.

     
  3. 11

    Jede straffällig gewordene Person hat Gründe, warum sie sich so verhält. Mitleid an der falschen Stelle ist nicht angebracht. Ich möchte auch nicht, dass Morad R. von meinen Steuern hier ‚resozialisiert‘ wird. Das Geld soll lieber für traumatisierte Kriegsflüchtlinge ausgegeben werden.

    Was mich ganz erheblich stört, ist, dass Männer einer bestimmten Herkunft offensichtlich für sich festgestellt haben, dass sie in der Gruppe ’stark‘ sind. Das war in Köln u.a. der Fall, das ist hier der Fall. Auf diese Weise den öffentlichen Raum zu okkupieren, geht gar nicht.

     
  4. 10

    Ein paar Fragen stellen sich mir da noch.

    Ist ein Zugbegleiter eigentlich nicht in der Lage die Polizei zu rufen, die diese dann ein paar Stationen weiter empfängt? Schaut er stattdessen zu, wie Fahrgäste beklaut werden und macht … nichts? Oder wie soll man sich das vorstellen? Warum fährt der Zug überhaupt ab, wenn solche Gruppen zusteigen? Da kann man ja erstmal hingehen und sich die Fahrscheine zeigen lassen und wenn’s keine gibt, müssen die Leute gleich wieder aussteigen. Was würde passieren, wenn ein Zugbegleiter so vorgehen würde? Würde es gefährlich werden? Wenn ja, noch ein Grund mehr, dass der Zug mit diesen Leuten drin nicht abfährt …

     
  5. 9

    Nicht nur der Artikel, ebenso dein Kommentar ist bemerkenswert.

    Der Hinweis auf die Verteidigung könnte unter Umständen als unlauterer Wettbewerb angesehen werden, in Anbetracht der Klienten werden gewiss keine Beschwerden auftauchen 🎭

     
  6. 8

    Wie sagte der Dichter :“ Wer in der Demokratie schläft wird in der Diktatur erwachen“ da bietet sich zur Zeit ja diverses , Presse Freiheit schon mal „leicht“ neben der Spur, die große Politik..? zu viele Lügen und Vertuschen…die Justiz ? …wenn eben möglich Political Correctness….aber nun denn…. da warten wir mal gespannt ab, es wird sicher noch nett.

     
  7. 7

    @6 Klever Justiziar
    Ein Versuch wäre es wert, die Rechnungen den Damen Katja Kipping, Claudia Roth und Katrin Göring – Eckhard
    zu zustellen.Dann wird sich zeigen, ob sie nur verbal ein großes Herz für Migranten haben oder ob sie den Worten auch handfeste Tatsachen folgen lassen und die Rechnungen begleichen.
    Wenn ein deutscher Bürger Strafzahlungen nicht leisten kann oder will, geht er Ersatzweise ins Gefängnis oder muß die Summe in sozialen Einrichtungen abarbeiten.
    Wer einen Job für einen Euro/h nachgehen darf, hat keine Langeweile, ist abends müde, verdient sich seine freie Kost und Logie redlich und die Wartezeit bis zur Klärung des Asylantrages kommt einem nicht so lange vor.
    Der Nebeneffekt dürfte sein,dass das Bild von Deutschland wo es Wohnungen,Arbeit und Geld umsonst gibt wird sehr schnell korrigiert.

     
  8. 6

    Ein sehr guter Artikel. Normalerweise sehr informativer und guter Stoff. Die Lektüre suggeriert dem interessierten Leser, Gerechtigkeit hat gesiegt, das System hat funktioniert. Einzig allein es fehlt: „Es war einmal…“ Sehr bald wird auch der Autor dieses Blogs genau solch einer Geschichte nicht einmal mehr zwei Zeilen widmen können. Der Inhalt dieses Berichts, zeigt die Problematik sehr deutlich.

    Subsumieren wir einmal kurz: Vier Täter. Seit Mitte letzten Jahres sind sie in Untersuchungshaft. Verteidiger Dr. Karl Haas. Alleine 36 Minuten benötigt der Staatsanwalt um nur die Delikte aufzulisten (und ist sich dabei selber im Bewusstsein darüber, dass es vermutlich nur ein Bruchteil der tatsächlichen Delikte ist). Für zwei Jahre und sechs Monate (abzüglich der bereits verbüßten Zeit in U-Haft und der möglichen Verkürzung) wird der Haupttäter jetzt einsitzen. Zwei weitere Täter beschäftigen in nächster Zeit Bewährungshelfer und die Geldstrafe des dritten Täters, wird der Staat niemals einholen können. Bevor der Staatsanwalt die 36 Minuten zur Auflistung der Delikte verwendet, gehen unzählige Stunden von Ermittlungen und Beweissammlungen drauf. Hier hat sogar die Polizei die Täter „beschattet“. Die Staatsanwaltschaft hat Stunden aufgewandt, um Anträge zu stellen, richterliche Beschlüsse zu erwirken, Haftbefehle zu beantragen, die Anklage vorzubereiten und fertig zu stellen, sie bei Gericht einzureichen und administrativ zu verfolgen. Und auch der Verteidiger, hat viele Arbeitsstunden in seinem Büro bereits aufgewandt, bevor er nun vor dem Gericht seine Arbeit fortsetzt. Dann hat sich noch das Gericht lange vor dem Termin mit den Akten beschäftigt.

    Und jetzt rechne man alles einmal zusammen. An dieser Stelle darf davon ausgegangen werden, dass auch die Rechnung des Verteidigers, Herrn Dr. Karl Haas, nicht von den Missetätern beglichen wird. Die Kosten des gesamten Strafverfahrens liegen mit Sicherheit im deutlichen, sechsstelligen Bereich. Zu Lasten der Staatskasse, versteht sich.

    Wie soll das denn in Zukunft noch funktionieren? Und wer soll das in Zukunft noch bezahlen? Und: Was ist jetzt erreicht? Sind die drei „Mittäter“ jetzt resozialisiert? Richter, Staatsanwalt, Verteidiger gehen allesamt nach Hause und wissen, das war systemkonform, aber vermutlich „Show“. Geändert hat sich nichts. Und aktuell, war es nicht einmal ein kleiner Tropfen auf den glühend heißen Stein. Und es verbleibt noch bei einer letzten Frage: Sind aktuell die Bedingungen für inhaftierte Menschen nicht viel besser, als die Bedingungen von Asylbewerbern und Flüchtlingen? Ich mache darauf jede Wette. Dann haben wir bald einen JVA-Tourismus. Wer an dieser Stelle jetzt lacht, der kneife sich schnell.

    Diese Geschichte ist (leider) wohl ein Auslaufmodell. Nur ist der Anschluss daran, höchst wahrscheinlich, ein weniger angenehmer.

     
  9. 5

    Es gibt im nahem Umfeld von Kleve eine Flüchtlingsunterkunft, dort weiß der HM genau das ein Teil seiner Bewohner einfach in mehreren Städten angemeldet sind und mehrfach Bezüge wohl kassieren.
    Diese Bewohner werden dann auch von auswärtigen KFZ-Kennzeichen immer wieder abgeholt und sind dann schon mal mehrere Tage einfach verschwunden. Die Bewohner dürfen sich ja frei bewegen im Lande.
    Seine Meinung nach aber, geht ihn das nichts an, solange die Politik diesem Bezügemissbrauch so einfach Tür und Tor öffnet.
    Den auch er wird hin und wieder verbal von den Bewohnern bedroht.

     
  10. 4

    Es ist doch eine statistische Rechenaufgabe: Mit der zunehmenden Anzahl von Menschen, die aus diesen Staaten hierher kommen, steigt wahrscheinlich nicht der Prozentsatz derer, die hier straffällig werden, aber die absolute Zahl.

     
  11. 3

    Es wird Zeit, die Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer zu erklären. Sonst wird das, was in der Nordwestbahn vorfiel, irgendwann normal hier …

     
  12. 2

    @1 Bloß nichts mit der aktuellen Flüchtlingskrise in Zusammenhang bringen?

    Die Täter, alle Anfang 20, lebten in einer Flüchtlingsunterkunft.

     
  13. 1

    Diese Nordafrikanischen Kriminellen sind weder ein Flüchtlings- noch ein Asylproblem. Sie treiben ihr
    Unwesen seit Jahrzehnten in fast allen Europäischen Ländern, vor allen Dingen in Großstädten.

    Sie benutzen die augenblickliche Flüchtlingssituation, um sich offizielle Anerkennungspapiere zu
    verschaffen, damit sie ungestörter „arbeiten“ können.

    Sie hätten schon früher ausgewiesen werden müssen und heute erst recht. Die Worte Hilfe und Integration sind
    hier völlig bedeutungs- und wirkungslos.