A-57-Impressionen

Mein alter Erdkundelehrer Karl-Heinz Keßler, auch ein begnadeter Fußballtrainer und leider zu früh verstorben, wies mich schon vor gefühlten hundert Jahren auf die Zwiespältigkeit des damals allgegenwärtigen Wunsches von Kleinkäffern nach einem möglichst unmittelbaren Autobahnanschluss hin. Auf der einen Seite, so Keßler schon damals in unbestechlicher Dialektik, kommen die Menschen zwar leichter in den jeweiligen Ort. Auf der anderen Seite aber macht es der Autobahnanschluss den ab vom Schuss lebenden Menschen auch viel leichter, aus ihrem Heimatnest abzuhauen.

AutobahnWie aber komme ich nun darauf? Nun, nach ein paar Testfahrten auf der A 57 morgens zwischen Kleve und Moers bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass nahezu alle Handwerker aus Kleve und den umliegenden Dörfern zu dieser Zeit in grauenhaft und geschmacklos lackierten Kleinlastern grüppchenweise unterwegs sind zu irgendwelchen Arbeitsstätten fernab der Heimat. Ist es überhaupt noch möglich, morgens um halb zehn in Kleve einen Elektroinstallateur, Klempner, Tischler zu bekommen? Arbeitet hier überhaupt noch jemand? Wahrscheinlich dürfte es zuverlässiger als jede Art von gesamtwirtschaftlicher Rechnung oder Wirtschaftsauskunfteiwesen sein, morgens am Rastplatz Leucht die Zahl der vorbeituckernden Kleinbusse Klever Handwerksfirmen zu zählen: „Oh, 6.35 Uhr und schon fünfmal Horlemann, der Laden brummt ja richtig!“

Übrigens, falls einer der betroffenen Autobahnnomaden diese Zeilen hier liest: Auch wenn frühen Abend der Wunsch verständlich ist, möglichst schnell zum heimischen Kühlschrank vorzudringen – es ist durchaus möglich, mit seinem Kleinbus auf die rechte Spur zu ziehen, selbst wenn der Abstand zwischen zwei Lastwagen kleiner als 1,5 Kilometer ist.

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