2012/C 279/01 – Wie die EU Weeze sieht (so ähnlich wie…)

Das Verfahren mit dem Aktenzeichen 2012/C 279/01 hat gute Chancen, die Jubelfeiern zur Fertigstellung der Hochschule Rhein-Waal für den Landrat Wolfgang Spreen zu ruinieren. Es geht, wieder einmal, um den Flughafen Weeze, sein einstiges Lieblingsprojekt. Jetzt hat die Europäische Union erneut eine Stellungnahme von »Deutschland« eingefordert – und dabei ganz nebenbei in ihrem Amtsblatt erstmals veröffentlicht, wie sie den Sachverhalt im Augenblick sieht. Was soll ich sagen - es scheint, als ob Brüssel kleveblog gelesen hat. Hier die Highlights, allesamt Ohrfeigen für den Kreis und seine Protagonisten:

  • Die Antwort Deutschlands vom 30. Mai 2011 war unvollstän­dig. Daher sandte die Kommission am 24. August 2011 ein Erinnerungsschreiben (…). Deutschland antwortete darauf am 19. Oktober 2011, doch auch diese Antwort war unvollständig.
  • Die Kommission ist der Auffassung, dass die folgenden Maß­ nahmen möglicherweise als staatliche Beihilfen zugunsten der FN GmbH einzustufen sind: (…) Die EEL GmbH, die im Eigentum des Krei­ ses Kleve und der Gemeinde Weeze steht, hat dem Betreiber des Flughafens Weeze/Niederrhein seit 2003 vier Darlehen gewährt und diese seither mehrmals durch Verschiebung der Fälligkeit gestundet. Bis Ende 2010 erhielt die FN GmbH Mittel in Höhe von [24-40] Mio. EUR (Summe der gewährten Darlehen und der aufgelaufenen nichtgezahlten Zinsen). Bis heute hat die FN GmbH weder das Darlehen zurückgezahlt noch Zinsen entrich­ tet.
  • Damit die EEL GmbH Darlehen an die FN GmbH ausreichen konnte, musste sie zudem selbst refinanziert werden. Zwischen 2003 und 2007 ließen die beiden öffentlichen Gesellschafter der EEL GmbH dem Unternehmen in mehreren Schritten finanzielle Unterstützung zukommen. Bis zum Jahr 2007 förderte der Kreis Kleve die EEL GmbH mit öffentlichen Mitteln in Höhe von insgesamt [15-30] Mio. EUR.
  • Deutschland vertritt die Auffassung, dass alle Maßnahmen zu­ gunsten des Flughafenbetreibers, der FN GmbH, zu marktübli­ chen Bedingungen gewährt wurden und daher keine staatliche Beihilfe darstellen. Die Kommission hat jedoch zum gegenwär­ tigen Zeitpunkt Zweifel daran, dass die Darlehen tatsächlich zu marktüblichen Bedingungen gewährt wurden. Daher kann sie nicht den Schluss ziehen, dass die Maßnahmen beihilfefrei sind. Erstens hat Deutschland für den Darlehensnehmer, die FN GmbH, weder ein Rating noch Bonitätsnachweise vorgelegt. Zweitens kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei der FN GmbH um ein Unternehmen in Schwierigkeiten handelte und noch immer handelt. Drittens hat Deutschland weder die auf die einzelnen Darlehen angewandten Zinssätze erläutert noch Angaben zu deren Besicherung gemacht. Viertens wurde weder erläutert, weshalb der Darlehensgeber (ein öffentliches Unternehmen) sich wiederholt bereit erklärte, die Darlehen zu stunden, noch, weshalb bislang weder die Rückzahlung des Darlehensbetrags noch die Zahlung der fälligen Zinsen verlangt wurde.
  • In Bezug auf die Unterstützung des Flughafenbetreibers durch den Kreis Kleve stellt die Kommission fest, dass kein marktwirt­ schaftlich handelnder Kapitalgeber eine derartige Förderung ohne Vergütung gewährt hätte. Außerdem hat die Kommission Zweifel daran, dass ein marktwirtschaftlich handelnder Kapital­ geber bereit wäre, angesichts der Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region auf einen Teil der Rückzahlung eines ausstehen­ den Darlehens zu verzichten.

Für die Darstellung des gegenwärtigen Verfahrensstandes ist das viel Holz, sehr viel Holz.

Hier als kleiner Zusatzservice das gesamte 22-seitige EU-Dokument, das bemerkenswerte Einblicke in wirtschaftliche Konstruktion Kreis-Flughafen gewährt:

https://www.kleveblog.de/wp-content/c_27920120914de00010022.pdf

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10 Kommentare

  1. 8

    Es dürfte neben Spreen auch den vielen Flughafenbefürwortern im Kreistag und im Gemeinderat Weeze übel aufstoßen, wenn sie lesen:
    „(77) Dementsprechend fordert die Kommission Deutschland zur Stellungnahme und zur Ãœbermittlung sämtlicher relevanter Informationen in diesem Zusammenhang auf, insbesondere aller vorbereitenden Unterlagen, der Beschlussvorlagen und Protokolle der entsprechenden Sitzungen, inklusive jener Sitzungen, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden des Kreistags, des Kreisausschusses und der Fachausschüsse des Landkreises Kleve und des Gemeinderats Weeze.
    …(83) Die öffentlichen Behörden mussten somit de facto alle Darlehen an die FN GmbH über öffentliche Instanzen refinanzieren. Dies zeigt, dass eine Geschäftsbank angesichts der finanziellen Lage des Flughafens der FN GmbH zu diesem Zeitpunkt nie ein Darlehen gewährt hätte. Somit liegt es auf der Hand, dass der Landkreis Kleve und die Gemeinde Weeze ein finanzielles Risiko trugen, das ein privater Kapitalgeber niemals eingehen würde…
    …99) …kann davon ausgegangen werden, dass die FN GmbH stets von Zahlungsunfähigkeit und Ãœberschuldung bedroht war und es auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch ist. Ein deutliches Anzeichen dafür ist die wiederholte Unfähigkeit zur Rückzahlung der Darlehen an die EEL GmbH zu allen bisher festgesetzten Fälligkeitsterminen. Daher ist nicht auszuschließen, dass die FN GmbH seit ihrer Ãœbernahme durch den privaten Investor ANH GmbH ein Unternehmen in Schwierigkeiten war. Des Weiteren sollte nicht übersehen werden, dass auch die ANH GmbH (als Gesellschafter der FN GmbH) in den letzten Jahren ebenfalls unterhalb der Gewinnschwelle wirtschaftete und in den Jahren 2006 bis 2009 immer umfangreichere Verluste angehäuft hat…“

    Hier spielen Politiker gegen alle klaren Fakten mehr als 10 Jahre größenwahnsinniges Monopoly mit unseren Steuergeldern und wollen den Notausgang nicht finden.
    Zusammen mit den Problemen Ryanairs, welche praktisch alleine für das Fluggastaufkommen sorgen, ergibt sich da eine ganz gruselige Perspektive für die politisch Verantwortlichen.

    Am Ende ziehen wohl nicht unsere hier verantwortlichen Politiker, sondern die EU den Stecker aus der Dose.
    Und das ist gut so. Lieber ein Ende mit Schrecken…

     
  2. 7

    Hr. Spreen fungiert als Aufsichtsratsvorsitzender einer dieser ominösen Gesellschaften – und die Einkünfte daraus sind stets, wenn überhaupt, in Sitzungen des Kreistages immer „nicht-öffentlich“. Was könnte uns das sagen…?

     
  3. 6

    @Bernd Derksen

    zitiere, „(…)Ich sehe keine übermässige Verantwortung dess Landrats(…)“

    Das sieht die Kommission aber ganz anders
    Ich zitiere aus dem von Ihnen verlinkten Dokument:

    DE 14.9.2012 Amtsblatt der Europäischen Union C 279/12

    „Ein Flughafen kann für verschiedene Politikbereiche von
    maßgeblicher Bedeutung sein: für die Verkehrspolitik, für
    die regionale und nationale wirtschaftliche Entwicklung
    oder für die Stadt- und Regionalentwicklungspolitik. Im
    Allgemeinen sind die öffentlichen Behörden mit daran
    beteiligt, wenn ein früher militärisch genutztes Flughafen­
    gelände im Besitz des Staates mit Hilfe der betreffenden
    Gemeinde- oder Kreisverwaltung in einen Zivilflughafen
    umgewandelt wird. Die Entscheidung zur Gewährung
    von Subventionen an die FN GmbH über die EEL
    GmbH wurde von den Gesellschaftern der EEL GmbH
    getroffen, die wiederum die öffentlichen Instanzen ver­
    treten. Die EEL GmbH hat keinen Verwaltungsrat; die
    beiden Geschäftsführer sind die amtierenden Vertreter
    der beiden öffentlichen Gebietskörperschaften. Ein Ge­
    schäftsführer der Gesellschaft ist der Landrat des Land­
    kreises Kleve und der andere Geschäftsführer der Bürger­
    meister der Gemeinde Weeze. Der Vertreter des Land­
    kreises Kleve in der Gesellschafterversammlung der EEL
    GmbH ist ein Delegierter des Landkreises Kleve. Demnach
    wird die Aufsicht über die Geschäftsführung der EEL
    GmbH ausschließlich von öffentlichen Behörden wahr­
    genommen.
    (75) Insbesondere wurden sämtliche Darlehen der EEL GmbH
    an die die FN GmbH als Betreibergesellschaft des Flugha­
    fens vom Landkreis Kleve refinanziert. Daran ist deutlich
    zu erkennen, dass die Beschlüsse zur Gewährung von
    Darlehen über die EEL GmbH an die FN GmbHde facto
    auf Anweisung der öffentlichen Behörden erfolgten. An­
    gesichts dieser Sachverhalte ist es eher unwahrscheinlich,
    dass die Beschlüsse zur Gewährung von Darlehen an die
    FN GmbH nicht den öffentlichen Behörden zuzurechnen
    sind.
    (76) Daher vertritt die Kommission an dieser Stelle den vor­
    läufigen Standpunkt, dass die Entscheidung der EEL
    GmbH, der FN GmbH mehrere Darlehen zu gewähren,
    eine Übertragung staatlicher Mittel von verschiedenen regio­
    nalen Regierungsebenen darstellt.

    (77) Dementsprechend fordert die Kommission Deutschland
    zur Stellungnahme und zur Ãœbermittlung sämtlicher re­
    levanter Informationen in diesem Zusammenhang auf,
    insbesondere aller vorbereitenden Unterlagen, der Be­
    schlussvorlagen und Protokolle der entsprechenden Sit­
    zungen, inklusive jener Sitzungen, die unter Ausschluss
    der Öffentlichkeit stattfanden des Kreistags, des Kreisaus­
    schusses und der Fachausschüsse des Landkreises Kleve und
    der Gemeinde Weeze.“

     
  4. 5

    >Darstellung des gegenwärtigen Verfahrensstandes>

    Es wurde ein Schreiben der EU vom 26.1.2012 im EU-Amtsblatt am 14.9.2012 veröffentlicht.
    Ich denke, der (nichtöffentliche) Verfahrensstand dürfte weiter sein.

     
  5. 4

    Interessant.
    Die EU-Kommission scheint tatsächlich die richtigen Fragen zu stellen und auf Antworten zu bestehen. Das dürfte spannend werden.

    (Als pdf-Datei: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2012:279:0001:0022:DE:PDF )

    Ich sehe keine übermässige Verantwortung des Landrats für den Flughafen. Dazu waren und sind hiesige CDU, SPD und FDP im Kreistag stets zu geschlossen. Und der aktuelle Landrat hatte und hat halt das „Projekt“ fortzuführen. (Gute Absichten habe ich dabei bei allen Verantwortlichen nie bestritten. )

     
  6. 1

    Die Hochschule hat er -warum auch immer- versucht zu verhindern, die Bahn endet immer noch jäh an der Spreeenschen Definition für das Ende der Welt, in Kleve, dann diese merkwürdige Geschichte mit der Sparkasse auf der anderen Rheinseite und nun das, was wir eigentlich schon alle wussten…

    Entwickeln, zukunftsorientiertes Planen, Gestalten und Handeln scheinen nicht seine Qualitäten zu sein?