Von Zeit zu Zeit erinnert sich der Autor, wie an eine ferne Welt der Unschuld, an die glorreichen Wochen und Monate der Adoleszenz, die im Bemühen, seinen Platz in der Welt zu finden, in der Sporthalle verbracht wurden, zweitens im Computerraum des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums, wo ein gefrierschrankgroßer Rechner, der ca. hundert Programmzeilen verarbeiten konnte, die paradiesischen Verlockungen der Digitalisierung imaginieren ließ, drittens aber im Walhall der kleinstädtischen Coolness, dem Raucherkeller des Gymnasiums, das damals noch Latein als erste Fremdsprache anbot.
Dass ich nicht rauchte und zudem entweder ein bordeauxfarbenes oder ein hellblaues Sweatshirt der Marke Fruit of the Loom trug, verschaffte mir vermutlich inmitten der rauschebärtigen Kettenraucher, die dort in langen Ledermänteln kurz vor dem Abitur in den Freistunden die Weltrevolution planten, den Status eines obskuren Sonderlings, immerhin aber verdankte ich der Fähigkeit, halbwegs ordentlich Skat spielen zu können, eine Art von Berechtigung, mich dort aufhalten zu dürfen. Skat war zwar eine Tätigkeit der verhassten Bourgeoisie, aber das Spiel würde offenbar auch nach dem vollendeten Umsturz weiter ausgeübt werden.
Zutritt hatten nur Schüler der Oberstufe, denn die waren 16 Jahre alt und durften somit rauchen, allerdings nicht auf dem Schulhof, sondern eben dicht an dicht in dem dafür reservierten Keller an der Ringstraße, in dem ein paar versiffte Sofas eine leise Ahnung von der Welt der damals schon nicht mehr existierenden Kommunen in den Großstädten vermittelten und in dem die Luft schon nach der ersten großen Pause Sauerstoff nur noch in Spurenelementen enthielt.
Im Grunde aber habe ich dem Raucherkeller zu verdanken, dass ich mich auch heute noch für Kunst in allen Formen interessiere. Wenn man den Raum betrat, befand sich gleich links eine Kopie des Gemäldes Takka Takka von Roy Lichtenstein, eine einem Comic entnommene Kampfszene mit dem Mündungsfeuer eines Maschinengewehrs, die kunstsinnige Schüler mit viel Talent an die Wand gepinselt hatten. Das war die erste Begegnung mit der Pop-Art, von da bis zur Suppendose war es nicht mehr weit, und es brauchte danach viele Jahre, bis sich auch der Reiz des klassischen Kanons, der einen damals eher abschreckte und ermüdete, wieder erschloss. Heute hat auch Lorenzo Lotto wieder seinen Reiz. Man wird älter. Plötzlich liest man Fontane mit Gewinn.
Vermutlich aber wären diese Erinnerungen irgendwann im Strudel der Ereignisse, die ein Leben ausmachen, versunken, streng genommen waren sie es sogar schon. Gestern Abend jedoch, ironischerweise auf dem Weg zum Basketballtraining, wie vielleicht vor knapp vier Jahrzehnten auch, passierte ich diesen Raucherkeller (der logischerweise heute nicht mehr in dieser Funktion genutzt werden darf), und wie in einer Zeitreise war alles wieder da, als wäre ein Keks in den Tee getunkt worden. Denn der Raum war erleuchtet und gewährte so in der Dunkelheit einen Blick ins Innere. Und was sehen meine Augen? An der rückwärtigen Wand prangt immer noch Takka Takka!
Takka-Takka, ist das ein Variante von Pippi Langstrumpfs Abenteuerspielwiese „Takka-Tukka-Land“
@Rolf Huber Klaus? Das wusste ich nicht. Dann herzlichen Dank an ihn für alles, was er mit dieser (Nach-)Schöpfung ausgelöst hat. Venceremos.
Lieber Ralf,
die „kunstsinnigen Schüler mit viel Talent“ waren mein Bruder Klaus.
Danke für die anerkennenden Worte – auch in seinem Namen.
Takka Takka
Rolf Huber, Stuttgart
@7
Das Feindbild.
🙂
( Volker Pispers: „Wenn man weiss wer der Böse ist, hat der Tag Struktur“ ) 😀
@Lohengräm Woher rührt Ihre uneingeschränkte Vorliebe fürs Sebus?
Mmuuuh, Opa Niederrheinstier mmuuuht, dass der seinerzeitige Jungbauer in dem gezeigten Keller immer seinen Wire-Donkey abgestellt hätte, mmuuuhdasseiindenSiebziegernundnochFertigstellungdesNeuanbausgewesen. Geraucht werden durfte zu dieser Zeit nur vor dem alten Haupteingang an der großen Krezung und später vor dem Eingang zum Neuanbau an der Römerstraße, mmuuuhdaswarbestimmtauchgesünderso. Allenfalls hat es damals schon einmal gegenüber von dem Takka-Takka-Keller gequalmt, weil Onkel Lluuuh dort die alte Kohleheizung befeuern musste, mmuuuhim NachhineinbesehenistdasGymnasiumistschonfrühzeitigausderKohle ausgestiegen.
@1. Lohengräm Stein ..Sebus
Ach, ihr KnäbIinnen alle, Ihr durftet ja schon wählen.
Zu meiner Zeit war das klar geregelt, wer auf dem „Staatlichen altsprachlichen Gymnasium mit neusprachlichem Zweig“ war, war ein Junge, es sei denn sie hiess Jutta.
Jutta war unser Sonnenschein und unsere Quotenfrau, obwohl damals sagte man wohl noch einfach Mädchen, und zu ledigen Damen „Fräulein“ .
Jutta war bei uns gelandet, weil sie, ich glaube von München kommend, Altsprachlerin war, und man ihr nur bei uns das adäquate Fächerpaket anbieten konnte.
Es musste dann extra eine Sondergenehmigung her, weil man ein Problem mit Toiletten und Sportunterricht sah, das aber mit der Damentoilette beim Lehrerzimmer und der Synchronisation der Sportstunden Jungengymnasium : Sebus unbürokratisch gelöst wurde, und gleichzeitig die ersten Kooperationen zwischen den Schulen begründete.
Als Direktor hatten wir den OStud.Dir. de Haar, der leider alsbald von Alfons Freistühler abgelöst wurde. Dem fehlte als Klösterling auch jeglicher Charme des Franzosen Alphonse, den wir jetzt aus dem Fernsehen kennen.
Das Sebus, allgemein als der Gänsestall bekannt, war im gebührenden Abstand an der Ackerstrasse, wo die Mädchen beschult wurden.
Die Direktorin war Frau Dr. Irmgard Mees, die zwar die geschlechtliche Apardheid tapfer suchte zu verteidigen.
Nicht so sehr, weil man die Schülerinnen vor den Jungs schützen wollte, der Oberbau von Jungensgymnasium liess sichdoch schon nicht mehr abhalten, Freistunden für einen Kurztrip über Römerstrasse, Lindenallee, Mittelweg zum Rückfront des Sebusgeländes, wo ein Pausenhof der Mädchen war, zu unternehmen.
Nein, die liebe Irmgard meinte, sie dürfe ihr überwiegend weibliches Kollegium nicht mit den ruppigen Jungs konfrontieren.
Da Trennungen oft aufweichen, liess es sich nicht verhindern, gemischte AG’s einzuräumen, und welche Schande, die Schulpartnerschaft mit der Thorbecke-Scholengemeenschap in Arnheim mit einer gemischten Schülerdelegation Gymnasium-Ringstrasse und Sebus-Gymnasium zu pflegen, da die Thorbecke-SG eine gemischte Schule war.
Dazu gehörte auch jährlich ein jeweils eine Woche dauernder Schüleraustausch Kleve-Arnheim.
Und welch Wunder, gerade das weibliche Kollegium hatte nicht das geringste Problem, sich auch bei den klever Jungens durchzusetzen.
Noch ein pikantes Detail, hätten die klever Mütter, egal ob von Schülern, oder Schülerinnen, gewusst, dass der Schulweg in Arnheim, egal von welcher Seite man auch kam, immer einen Fussweg durch die „rosse buurt“ (das Prostitutionsviertel ) mit ihren typischen „ramen“ (Schau-Fenster im wörtlichen Sinne) beïnhaltete, Mutti’s Genehmigung zum Schüleraustausch hätte bestimmt mit Problemen zu kämpfen gehabt .
Trotzdem haben wir’s Alle unbeschadet überstanden und haben Einblicke ins Leben gehabt, die uns (Männlein wie Weiblein) die Beschiedenheit von Kleve auch eine Dekade später noch verwehrt hätte.
Wenn die beiden Beiträge das Ergebnis des jeweiligen Schulbesuches abbildet ……..
so trennt sich sinnbildlich die Spreu vom Weizen
@2
Ein Herz aus Stein?
Aha.
Das Stein bleibt immer im Herzen
Semper Stein
Naiv, voll Jugendkraft und voller Hoffnung, Fernweh
Mit Himmelsplänen, Abenteuerlust und Herzensfeuer loh
Entließ das hehre „Stein“ uns in das wilde Leben…
Frei wir fühlten uns von muff`ger Kleinstadt kleinlich Streben!
Verstreuet wurden wir in alle Ferne, Weiten…
Gejubelt haben wir beim Abschied und geweint,
Zerstritten und für immer doch im Herzen fest vereint,
Voll Glauben: besser werden wir alter Lehrer finstre Zeiten!
Doch vieles schätzt der Mensch zur Stunde nur vom Leid,
Gesundheit, Gott, die Heimat und die Penne,
Verflucht in Jugendjahren und gelobt nur von des Alters Weisheit
Die uns zur Reue zwingt nach harten Lebens Flüchen, Banne.
Zurück darum ins traute Heimatland so manche müde Seele kehrt,
Enttäuschet von der Fremde, sehnend sich nach altem Lied
Das süß und schön nur klinget in der Jugendwelten Hainen,
Im Reich der Kindheitsstadt, im Kreis der engsten Seinen.
So traf man sich nach vieler, vieler Jahre Trennung
An junger Jahre wilden Wirkungsstätten, in gelehrten Hallen,
Wo einst wir ärgerten mit frechem Geist und übelster Gesinnung
Wo gegen Strenge, alte Geister unsre Fäuste oftmals ballen.
Manches Leben lief verwirrt und war voll Tiefen,
Voll Streit, Entfremdung, Bitterkeit, doch hat gesiegt
Der Geist des Ordnung, den die Lehrer immer riefen
Und viele so sind heute stolz und klug, ganz arriviert!
Auch wilde Seelen hat das Leben streng gezähmt,
Und viele hohe Ziele prallten an die Wirklichkeit
Und stolzer Jugend ungebremste Kraft ward wie gelähmt,
Auf uns`rem kurzen Lebensweg zur Ewigkeit!
Im Herzen blieb das „Stein“ ein guter, alter Vater
Der Tausend Seelen schon erblickte, Untergang und Blüte,
Der vieler Schüler war der Mahnmund von der strengen Mater
Der vieler Schüler blieb die Zeit des Glücks, der ewgen Morgenröte!
Treu bleibst du dir, du Hüter alter Tradition
Und Ort der Neuerung, der immer neuen Zeit,
Und so auch viele Schüler sind im Leibe nun gealtet,
Und doch im Wesenskern der Alte stets geblieben,
Und darum sei dir Dank trotz allem Streit,
Und viele Jahre noch wir wünschen dir ein frohes Schaffen!
Dein Licht hat unsrer jungen Geister Diamant geschliffen
Und manchen Freund geschenkt für alle Lebenszeit.
Kleve, den 9.10.2017
anläßlich des Klassentreffens nach 33 Jahren
im Rahmen der 200 Jahresfeier des Steingymnasiums
Steiner sind Scheisse!
Sebus forever !!!!
🙂