Neues aus Rotterdam: Unilever will Lebensmittel loswerden – und damit auch das Werk Kleve

Werk zu verkaufen: Unilever-Standort in Kleve
Werk zu verkaufen: Unilever-Standort in Kleve
Mit einer großen Werbekampagne wurde 1924 Rama auf den Markt gebracht
Mit einer großen Werbekampagne wurde 1924 Rama auf den Markt gebracht
Als die Welt noch in Butter war
Als die Welt noch in Butter war: Büroarbeit in weißen Kitteln
Die charakteristische hellblaue Fassadenverkleidung ist  bereits abgerissen
Abriss: Das Verwaltungsgebäude wurde im vergangenen Jahr dem Erdboden gleichgemacht – auf dem Gelände plant Investor Bernd Zevens eine Siedlung, in der ehemaligen Produktionshalle plant ein Unternehmer aus Mülheim Handel und Gastronomie
Ohne Worte
„Clever Stolz“ blieb nur eine Randepisode in der Geschichte der Margarine-Union
So berichtet die SZ
So berichtet die SZ

Als Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks im Sommer 2015 das Unilever-Werk in Kleve besuchte, war die Welt noch in Ordnung. Eine Sprecherin des britisch-niederländischen Milliarden-Konzerns lobte die Produktionsstätte über den grünen Klee: „Kleve ist Vorbild für das gesamte Unternehmen.“ Nun aber sieht es danach aus, als ob sich Unilever ein neues Vorbild suchen muss.

Gestern gab das Unternehmen bekannt, dass es seine so genannte BCS-Sparte komplett zum Verkauf stellt. Die drei Buchstaben stehen für die englischen Wörter Baking, Cooking und Spreads und bezeichnen die Produkte zum Backen und Kochen sowie die Streichfette. Unter die Rubrik der Koch-Produkte fällt auch die in Kleve hergestellte „Rama Cremefine“. Sollte der Verkauf tatsächlich Wirklichkeit werden, fände damit die Geschichte des Konzerns in Kleve nach 129 Jahren ein Ende. Ein Konzern kappt seine Wurzeln.

Ursprünglich hatte der Unternehmer Simon van den Bergh Ende des 19. Jahrhunderts in seiner Heimatstadt Oss im Norden Brabants damit begonnen, Margarine zu produzieren. Damals ein neues Produkt, das erste industriell hergestellte Lebensmittel überhaupt – benannt nach dem griechischen Wort „margaritari“ (μαργαριτάρι), weil der matte Glanz des Streichfetts dem einer Perle ähnelte.

Als das Deutsche Reich zum Schutze der heimischen „guten Butter“ Zölle auf die eingeführten Fette erhob, suchte sich der Niederländer einen Standort gleich hinter der Grenze – in Kellen. Das Werk war die Keimzelle des Konzerns und auch des industriellen Aufschwungs in Kleve. Die Margarine-Produktion sorgte für erheblichen Wohlstand (und für erhebliche Steuereinnahmen in Kellen, was erklärt, warum sich der Ort lange gegen die Eingemeindung sträubte).

Ende der Zwanzigerjahre fusionierte van den Bergh sein Unternehmen mit der Firma des in Goch ansässigen Landsmanns Anton Jurgens, und es entstand die Margarine-Union. Nach einem weiteren Zusammenschluss, diesmal mit dem Seifenfabrikanten Lever Brothers, formte sich 1929 der Unilever-Konzern, damals das größte Unternehmen der Welt.

Anfang des 20. Jahrhunderts war van den Bergh führend in der Vermarktung seiner Produkte. 1924 brachte der Holländer seine Margarine mit dem Namen „Rama“ auf den Markt. Das Produkt wurde mit den Worten „butterfein“ und „buttergleich“ beworben – und mit dem legendären „Rama-Mädchen“, die Auftragsarbeit des Düsseldorfer Künstlers Carl Mummert. Blumenverzierte, blaue Lieferwagen sorgten dafür, dass das Produkt im ganzen Land bekannt wurde. Weitere Unilever-Marken waren in späteren Jahren Becel und Flora soft.

Hergestellt wurde in Kleve, und zwar in immer größerem Maßstab. Erst der Zweite Weltkrieg sorgte für eine Unterbrechung der Produktion. 1954 wurde Rama neu eingeführt, mit dem heute noch bekannten Slogan: „Rama macht das Frühstück gut.“ Ab 1968 wurde das Produkt im Rundbecher verkauft, und der rote Stempel „KLE“ auf dem Boden zeigte Klevern in aller Welt, dass sie ein Produkt aus ihrer Heimatstadt vor sich hatten.

In den achtziger und neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sank die Bedeutung des Standortes, und unmittelbar nach der Jahrtausendwende beschloss der Konzern, das Werk in Kleve aufzugeben. Der Klever Unternehmer Bernd Zevens kaufte das Gelände und Produktionsanlagen und startete den Versuch, selbst Margarine zu produzieren, wobei Unilever Abnahmegarantien bot. Der Name des Unternehmens lautete „Clever Stolz“ (nach einem alten Markennamen) und deutete einen ambitionierten Anspruch an, doch das Experiment endete nach wenigen Jahren in der Insolvenz. Im vergangenen Jahr wurde das in den sechziger Jahren errichtete Verwaltungsgebäude geschleift, auch symbolisch ein Abschluss der einst stolzen Margarine-Zeit, als die Werktätigen in Kleve „op de Botter“ gingen.

Dafür baute Unilever am alten Standort ein neues Werk für ein neues Produkt: „Rama Cremefine“, ein Fetterzeugnis, dass beim Kochen anstelle von Sahne verwendet werden kann. Dieses Produkt wurde ein großer Erfolg, so dass der Standort Kleve einen neuen Aufschwung nahm. Mehr als 20 Millionen Euro investierte der Konzern in den vergangenen Jahren in das Werk, das 82 Mitarbeiter beschäftigt und 55.000 Tonnen pro Jahr produziert. Noch Anfang des Jahres freuten sich die Mitarbeiter in Kleve über die Nachricht, dass eine komplette Produktionslinie von England an den Niederrhein verlagert werden sollte. Dafür wird zurzeit ein bisher als Lagerhalle genutztes Gebäude umgebaut.

Nötig wurde der nun angekündigte Verkauf aus Sicht der Unternehmensführung infolge einer gescheiterten Übernahme. Kurz zuvor hatte der amerikanische Lebensmittelkonzernen Kraft versucht, Unilever zu schlucken. Unilever wehrte sich erfolgreich, doch die Offerte machte darauf aufmerksam, dass es um den niederländischen-britischen Konzern nicht zum Besten stand. Die Führungsriege sei durch den Versuch „offenbar wachgerüttelt“ worden, schreibt die Neue Zürcher Zeitung. Vorstandschef Paul Polman entschied sich, die Wurzeln seines Unternehmens zu kappen und sich auf die gewinnträchtigere Reinigungssparte zu konzentrieren. Der britische Guardian überschrieb seinen Bericht mit den Worten: „Unilever bins Flora, butters Shareholder“, was sich etwa so übersetzen lässt: „Unilever wirft Flora weg, buttert Aktionäre“.

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Kategorisiert in Alles

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14 Kommentare

  1. 14

    @ 13. rd
    Wenn ich mir einmal so anschaue, was so Alles unter Namen wie AEG , Grundig und Körting verkauft wird ( keine Angst, jean baptiste hasn´t gone crazy, ihr werdet gleich die Parallelen erkennen ).
    Das dauert nicht lange mehr, oder Produktion und Produkte werden von den (sehr bekannten) Markennamen losgeweicht.
    Die Wertschöpfung liegt heutzutage nur noch im Marketing.
    Die Produkte macht einem heute jeder Produzent, ob in China , Vietnam oder Indonesien genauso gut, nur halt Stücke billiger.
    Deswegen, was sagt der Holländer so schön ? „zeg maar daag met je handje“ oder auf gut deutsch : das war´s denn wohl.
    Sollte die Ablöse für die deutschen Angestellten zu hoch sein, nicht verzagen, Mom fragen … der hat da einschlägige Erfahrungen .

     
  2. 12

    Wie weit ist der Verkauf von Unileverwek Kleve fortgeschritten ! Mit freundlichen Gruß Rolf Liebeton

     
  3. 10

    Ich kann es einfach nicht glauben das dieses tolle Werk in Kleve zum Verkauf stehen soll , einfach Unglaublich ! Hatten es schon mal Werk wurde 2002 von Unilever an Zevens erkauft wo ich persönlich 33 Jahre beschäftigt war ,und jetzt schon wieder soll es schon wieder verkauft werden was mit den Mitarbeitern werden soll ist Unilever wohl egal !

     
  4. 9

    @5. Wolfgang Look

    ja, schöner Artikel, auch wenn er einige Fehler enhält und Kleve (Cleves) nur am Rande belichtet.
    Der gröbste Fehler ist wohl die Erklärung des Namens Blueband.
    Die hat ihren Ursprung im Werk Kellen , hiess Schwan im blauen Band, Erklärung unnötig.
    Nur für den niederländischen und englischen Markt wurde Sie zur Umgehung von hohen (gegenseitigen)Importzöllen im jeweiligen Land selbst als Blue Band produziert.
    Die Verbindung mit dem blauen Band vom Hosenbandorden ist ein Märchen.

     
  5. 8

    @4. Norbert

    Rahma mit H : nein, alle Margarine, auch die Rama … Rahma war rein pflanzlich.
    Das Wortspiel Rahma sollte den Verbraucher an Rahm erinnern, schon damals gab es Marketing, und die Union war da ein Meister ihres Faches.
    Nur die böse Konkurrenz hat ihr diesen Wettbewerbsvorteil nicht gegönnt, und dashalb wurde das „h“ durch Gerichtsbeschluss verboten.
    Seitdem hiess sie halt Rama, das war anscheinend sprachlich weit entfernt vom Rahm.

     
  6. 6

    Die Frage ist aus meiner Sicht jetzt: Heißt Verkauf zwingend Verlust von Arbeitsplätzen und/oder Aufgabe von Standorten. – Zu befürchten ist das immer, nur selten ist ein Käufer ein Gewinn, weil er investiert und Vernachlässigungen aufarbeitet.
    Sollte es Arbeitsplätze kosten, dann folgt automatisch die Frage: Wo können die Beschäftigten weiterarbeiten, wo gibt es neue Jobs?
    Für Kleve ist auch noch interessant: Was heißt das nun für die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt?

     
  7. 4

    Hallo.
    Danke für die ausführlichen Berichte.
    Zur Info. Meines Wissens wurde Rama früher so geschrieben:Rahma wg .der Sahne die damals verwendet wurde.

     
  8. 2

    Als 2015 die neue eigenständige Geschäftseinheit mit dem Namen BCS gegründet wurde, haben wir diese Entwicklung mit einer gewissen Skepsis beobachtet. Wir zweifelten schon damals daran, dass allein das Ãœberführen in eine separate juristische Einheit die Umsatzsituation zum positiven verändern könnte. Es drängte sich schon zu der Zeit der Gedanke auf, ob es nicht doch eher um die Vorbereitung eines Verkaufes geht. Lange Zeit beschwor das Unternehmen, dass man am Margarine Geschäft festhalten wolle und es einzig und allein darum ginge, das Margarine Geschäft wieder zum Wachstum zu führen.
    Nun tun sie es also doch!
    Seit heute ist es Gewissheit, dass der Verkauf von BCS bevorsteht. Es ist ein schwerer Schlag für uns alle, besonders aber für die Kolleginnen und Kollegen in Pratau, Kleve, in Hamburg und im Verkauf, die in den letzten Jahren wirklich alles dafür getan haben, das Margarine Geschäft wieder voran zu bringen.
    Aus meiner Sicht sind die Fehler schon lange vor der Separierung gemacht worden. Margarine ist im Vergleich zu anderen Marken im Unternehmen fast sträflich vernachlässigt worden. Lieber wurde außerhalb Europas investiert, als sich rechtzeitig auf die sich verändernden Marktbedingungen einzustellen. Viel zu oft wurde auch an der Qualität der Margarine zugunsten der Marge gespart…hier könnte ich noch eine ganze Reihe von Punkten auflisten, die wir immer wieder mit der Unternehmensleitung diskutiert haben, jedoch ohne, dass sich etwas geändert hätte. Leider – kann ich nur sagen.
    Diese Entscheidung betrifft über 1300 MitarbeiterInnen in Europa. Allein in DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz) sind über 300 Kolleginnen und Kollegen direkt betroffen. Da BCS insgesamt einen großen Teil des gesamten Geschäftes in DACH ausmacht, steht zu befürchten, dass weitaus mehr MitarbeiterInnen zusätzlich betroffen sein könnten. Das muss zeitnah mit der Unternehmensleitung geklärt werden.

    Zum Schluss möchte ich nochmal darauf hinweisen, dass Margarine einer der beiden historischen Grundpfeiler unseres Unternehmens ist. Es wurde gegründet aus dem Zusammenschluss der holländischen Margarine „Unie“ und der britischen „Lever“. Hieraus entstand UNI-LEVER
    Nicht nur deshalb möchte ich betonen, wie tief enttäuscht wir Betriebsräte darüber sind, dass Unilever sich selbst ein Teil dieser Seele nimmt, um sie den Profiterwartungen der Aktionäre zu opfern. Die Zeche dafür müssen wieder einmal die Beschäftigten zahlen. Das ist nicht fair, das ist nicht nachhaltig und das macht uns wütend!

     
  9. 1

    In Holland (Amsterdam) konnte man schon am 21. Februar in der Zeitung lesen, dass der Bereich Margarine nun verkauft werden könnte, weil die Ãœbernahme nicht stattgefunden hat. Was hierfür sprach, ist in erster Linie der Grund, das die Anteilseigener von Unilever zufriedengestellt werden müssen, weil Ihnen das Geld flöten gegangen ist, welches Sie erhalten hätten wenn es zu einer Ãœbernahme gekommen wäre.

    Der Bereich Margarine wächst seit Jahren nicht mehr. Im Jahr 2015 wurde der Bereich „Margarine“ untergebracht in dem Bereich: backen, kochen und schmieren. Unilever erklärte die damalige Änderung damit, dass man schnellere Entscheidungen treffen könnte. Jetzt kann man sagen: Ein getrennter Firmenbereich lässt sich einfacher verkaufen. Und die Anteilseigner bekommen bei dem Verkauf des Firmenbereichs Ihr Geld und sind zufriedengestellt.

    Die Stärke von Kraft liegt in Ihrer sehr hohen Marge, die Sie erreichen bei dem Verkauf von z.B. Ketschup. Da kommt man mit der Margarine wohl so schnell nicht dran.

    Willkommen in der neuen Welt.