Fritz Getlinger: Heute wäre er 106 geworden!

Fritz Getlinger, wie Stefan Möller ihn sah
Fritz Getlinger, wie Stefan Möller ihn sah

Seine Fotos sind Ikonen des Niederrheins geworden: Heute wäre Fritz Getlinger, der große Fotograf, 106 Jahre alt geworden. Hier ein Porträt, erschienen in der NRZ-Serie „Klever Köpfe“:

Fritz Getlinger war kein gebürtiger Klever, aber er ist ein gestorbener. Er war Fotograf für ein Medium, von dem es heißt, nichts sei älter als die Zeitung von gestern, aber sein Werk wurde mit einer Ausstellung im Museum Kurhaus gewürdigt. Er verstand sich als getreuer Chronist des niederrheinischen Lebens, hatte aber zur Sicherheit in seinem Labor eine ganze Schachtel mit aus Fotos ausgeschnittenen Fußbällen, für den Fall, dass bei dem entscheidenden Torschuss der Ball nicht im Bild war.

Geboren wurde Fritz Getlinger am 21. Juni 1911 im niederösterreichischen Retz als Sohn eines Weinbauern. Im Alter 17 Jahren kaufte er sich seine erste Kamera, sein erstes Foto war ein Porträt seiner Mutter. Obwohl er sich schon als Jugendlicher intensiv mit der Fotografie beschäftigte, ging es für ihn beruflich zunächst in eine ganz andere Richtung – weil die Familie es so wollte. Getlinger lernte Friseur und legte 1933 sogar die Meisterprüfung ab.

1938 zog er nach Brandenburg an der Havel, wo er Josepha Ortmann kennen und lieben lernte – 1940 heiratete er die Schauspielerin, 1941 wurde Tochter Katharina geboren. Im Zweiten Weltkrieg wurde Getlinger als Soldat in Russland eingesetzt, später gelangte er erstmals in seinem Leben in seine spätere Heimat – in den letzten beiden Kriegsjahren diente er als Fallschirmjäger am Niederrhein.

Nach Kriegsende lebte die junge Familie zunächst in Rotenburg (Wümme), wo seine Frau als Schauspielerin und er als Friseur am Theater arbeiteten. Der Zufall wollte es, dass Josepha Getlinger-Ortmann Ende der vierziger Jahre ein Engagement am Klever „Theater am Niederrhein“ erhielt – Getlinger, der mittlerweile eine Ausbildung zum Fotografen absolviert hatte, zog 1950 seiner Frau nach und begann als Pressefotograf für die Rheinische Post in Kleve zu arbeiten.

Wie das so ist, wenn man von einem Termin zum anderen fährt, wird die Wirklichkeit nicht kunstvoll arrangiert. Getlinger sagte einmal über seine Arbeit: “ Ich legte Wert auf guten Ausdruck eines Fotos, darüber habe ich aber nicht nachgedacht, sondern es einfach gemacht. Mir ist ein erhöhter Standpunkt lieber, weil man dadurch mehr Tiefe gewinnt. Wenn Sie meine Bilder sehen, werden Sie feststellen, dass sie von unten bis oben gefüllt sind, überall gefüllt.“ Die schönsten seiner Bilder sind Ikonen des niederrheinischen Nachkriegslebens geworden, oftmals versammelt in Büchern mit Titeln wie „Trümmer, Hoffnung, neues Leben“, die er gemeinsam mit dem Redaktionsleiter der Rheinischen Post, Alois Puyn, herausgab.

Schon mit seinen Niederrheinbildern hat Getlinger ein bemerkenswertes Werk hinterlassen. „Einer der wichtigsten Bild-Chronisten der Stadt der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“, so das Urteil von Valentina Vlasic (Museum Kurhaus).

Doch Nachruhm gebührt Getlinger nicht nur deshalb, sondern auch, weil unser Bild vom frühen Künstler Joseph Beuys im wesentlichen ein Bild ist, welches wir dank seiner Fotos haben. Es ist ein Beuys noch ohne Filzhut, mit an die Stirn geklatscht Haaren und einem visionär-düsteren Blick in die Ferne – so, wie man sich in den fünfziger Jahren eben junge wilde Künstler vorstellte.

Es war auch Getlinger, der wesentlichen Anteil daran hatte, dass Joseph Beuys seine Stelle als Professor in Düsseldorf erhielt. Weil der Künstler seine Werke nicht alle in die Landeshauptstadt schaffen konnte, bat er den Fotografen, sie abzulichten. Abends gegen elf schaute Beuys in Begleitung seiner Frau Eva bei Getlinger in der Weberstraße vorbei und sagte: „Fritz, du musst mir helfen!“ Fritz half. Im September 1961 schickte ihm Beuys einen Brief, dass „unsere Arbeit (besonders deine) nicht umsonst war“. Beuys hatte die Stelle bekommen. Zu dieser Zeit schüttelten die meisten Klever den Kopf über den Künstler und seine Ansichten – Getlinger aber war Klever, und er war ein treuer Freund und Weggefährte von Beuys.

Auch nach seiner Pensionierung 1976 blieb Getlinger aktiv, und in seinen letzten Lebensjahren sammelte er überdies einiges an Ehrungen. Die Republik Österreich zeichnete ihn 1994 mit dem Silbernen Ehrenzeichen aus, die Stadt Kleve würdigte sein Leben und Werk zwei Jahre später mit dem Johann-Moritz-Kulturpreis.

Getlinger selbst, dessen Frau Josepha bereits 1981 gestorben war, widmete sich zuletzt seinem Freund Beuys († 1986) und bereitete mit großer Hingabe die Ausstellung „Fritz Getlinger. Joseph Beuys und die Straßenbahnhaltestelle“ vor. Der Katalog trägt seine Handschrift und ist „sein Vermächtnis“, so Kleves damaliger Museumsdirektor Drs. Guido de Werd. Die Eröffnung der Ausstellung sollte der Fotochronist des Niederrheins allerdings nicht mehr erleben: Getlinger starb am 16. November 1998 im Alter von 87 Jahren.

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2 Kommentare

  1. 2

    @K. Brückenbauer
    Muuuuh, hier muß ein kleines Mißverständnis vorliegen, muuuh. Auf dem besagten Foto kann nicht ich sein (ich bin erst aus diesem Jahrtausend), sondern es wird wohl einer meiner Großonkel abgebildet sein, von denen es laut Opa Niederrheinstier eine ganze Menge gab, muuuuh! Aber trotzdem, vielen Dank, dass Sie an dieses aussagekräftige Motiv gedacht und den Großonkel-Niederrheinstier erwähnt haben. Alle Achtung, danke, muuuuhhh!

     
  2. 1

    Mann mit Schere.

    Wenn ich an Herrn Gettlinger denke, dann sehe ich den quirligen Herrn mit einer Schere in der Hand bei uns zu Haus am Tisch sitzen und die Fotos meines Vaters mit flotter Hand formatieren.

    Vater, damals Gärtner und Hobbyfotograph lies sich von Herrn Gettlinger gerne zeigen, wie das so geht mit dem Fotografieren hier am Niederrhein. Das war immer ein hin und her. Herr Gettlinger schuf immer Fakten.
    Er sagte: „Heinz, dat musste so machen“, schnipp schnapp, schnipp schnapp und so wurde aus dem 9 x 13 Format ein 4 x 7cm Format. Das Niederrheinstier auf dem Foto war nach dem Scherenschnitt noch genauso groß, nur dass das „nix“ drumherum musste weg.

    Das ging dann den ganzen Nachmittag so. Gegangen ist er immer mit einigen Pflanzen, die er gegen einige selbst gemachter Photos eingetauscht hatte. Scheinbar hatte beide, Vater und Herr Gettlinger Spaß an diesem Austausch.

    Es war auf jeden Fall eine gute Zeit.