„Ein beinahe tödlicher Irrtum“

Der Angeklagte möchte nichts sagen, und so sind es am ersten Tag im Prozess gegen Thorsten K. (43) vor allem die Akten, die sprechen. K., der sich wegen mehrerer Sexualdeilkte im Maßregelvollzug befand, ist angeklagt, seine therapeutische Betreuerin sexuell genötigt und umzubringen versucht zu haben. Die Tat hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Sie geschah exakt 17 Tage, nachdem das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden hatte, seine Unterbringung zur Bewährung auszusetzen.

Vor dem Schwurgericht unter Vorsitz von Richter Ulrich Knickrehm wurde am ersten Prozesstag die Vorgeschichte des FaIles aufgerollt. Demnach war der Angeklagte in den Jahren 1997 und 1998 sexuell auffällig geworden. Damals wohnte er in Essen, war arbeitslos und hatte keine sozialen Bindungen. Mehrfach lauerte er in Parks jungen Mädchen auf und fasste ihnen an die Brüste, teilweise verbunden mit exhibitionistischen Handlungen. Gefasst wurde er zunächst nicht.

Das änderte sich, als er sich im Mai 1998, nur mit Bundeswehr-Wollsocken bekleidet, in die Wohnung seiner Nachbarin schlich, die eben in den Keller gegangen war. Als sie zurückkam, forderte er sie zum Sex auf. Sie wehrte sich, er flüchtete. Nachdem die Frau Anzeige erstattete, wurde K. festgenommen und letztlich in Essen zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Sein Denken und Fühlen kreise um Vergewaltigungsfantasien, hieß es damals.

Das alles ist lange her, und natürlich müssen sich Justiz und Gesellschaft fragen, ob überhaupt und, wenn ja, wie solche Menschen wieder in ein normales Leben zurückgeführt werden können. Im Falle von K. wurde 2008, zehn Jahre nach seiner letzten Tat, entschieden, ihn zu „beurlauben“. Seitdem lebte er unauffällig in einer Wohnung in Emmerich.

15 Jahre nach seiner letzten Tat musste dann die Strafvollstreckungskammer am Landgericht Kleve darüber befinden, ob der Beschluss zur Unterbringung in der Psychiatrie aufgehoben wird. Sogar die forensische Nachsorge befürwortete diesen Schritt. Doch das Gericht entschied am 6. November 2013 dagegen, weil es die „erforderliche Sicherheit“ nicht für gegeben hielt.

Dagegen legte der Angeklagte Beschwerde ein, mit der Folge, dass am 16. Dezember des vergangenen Jahres das Oberlandesgericht Düsseldorf den Klever Beschluss aufhob. Es sei nicht zu erwarten, dass K. erhebliche rechtswidrige Taten begehe, und dem verbleibenden Restrisiko könne mit verschiedenen Maßnahmen mildernd begegnet werden. Ab dem 16. März solle die Unterbringung für fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden, so das Oberlandesgericht.

„Dies erwies sich als beinahe tödlicher Irrtum“, konstatierte das Landgericht Kleve, als es sich wenige Wochen später gezwungen sah, den Unterbringungsbeschluss wieder in Kraft zu setzen.

Gut zwei Wochen nach der Entscheidung der Düsseldorfer Richter suchte die seit mehreren Jahren mit der therapeutischen Betreuung des Mannes beauftragte Mitarbeiterin des LVR K. in seiner Wohnung auf. Das Gespräch verlief unauffällig, doch als sie die Wohnung verlassen wollte, fasste K. laut Anklage der Frau unvermittelt an die Brust und mit der anderen Hand an den Hals. Er versuchte, sie zu küssen, drückte sie aufs Sofa und ergriff ein Kissen, das er ihr ins Gesicht presste.

Es gab ein Handgemenge, und K. unternahm einen weiteren Versuch, die Frau mit einem Kissen zu ersticken. Nochmals konnte sich die Therapeutin befreien, woraufhin sie geschlagen wurde, unter anderem mit einer gefüllten Plastikflasche auf den Kopf. Dennoch konnte sich die Frau befreien und wegrennen. Der Angeklagte flüchtete und konnte zwei Wochen nach der Tat in München verhaftet werden.

Der Prozess wird heute um 10 Uhr mit der Aussage des Opfers fortgesetzt.

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9 Kommentare

  1. 9

    @Frau
    Das ist natürlich richtig, dass das Strafrecht nachvollziehbaren Ansprüchen von Opfern unzureichend gerecht wird.

     
  2. 8

    @. MvA

    Nein, nein…. ich verstehe schon……. es bleibt die Frage, wie lange bleibt der Täter dann in und unter „schuldunfähiger Beobachtung“……… aber Opfer haben auch Gefühle und müssen durch solche Ãœbergriffe sehr oft selbst betreut werden!

     
  3. 7

    Herr Peters und Frau, ich weiß, es ist zu schwer zu verstehen, was ich hier ausdrücken möchte.

     
  4. 5

    @3 Beruhigt und sicher müsste man sich als Frau und Opfer dann fühlen, wenn man um die Folgen eines Freispruchs wegen Schuldunfähigkeit in solchen Fällen weiß.