kleveblog-Supermarktkritik

Rot und Gelb: Einst die Farben der DEG, heute die einer preiswerten Einkaufsadresse
Edle graue Fliesen, großzügige Gänge – der Kunde fühlt sich wie in einem mediterranen Palazzo
Leben wie Gott in Frankreich: Finger Food für die ersten Gäste – und 10 % auf alles!
Eine Chance für Chantré? Branntwein zu Schnapszahlpreisen
Ein Bild für die Ewigkeit: Drei Kassen – und alle besetzt!

Erst die Volksbank, dann das Rathaus – und jetzt, zur Vollendung eines Unterstadt-Triptychons, wie es nur in Kleve entstehen kann, die Eröffnung des neuen Netto-Markts an der Wiesenstraße. Kleve entwickelt sich! Und wie es der kunstsinnige Connaisseur von pittoresken Ensemblen der italienischen Renaissancestädte (Siena, Gubbio) gewohnt ist, erwartete den Besucher des „Marken-Discounts“ ein Feuerwerk der Sinne.

Mit elegantem, mit etwas Gespür für Emphase durchaus „spätromanisch, nur andersrum“ zu nennendem Schwung empfängt die Konsumflaneure eine rot-gelbe Luftballonwurst über dem großzügigen Eingang, in dem bis zu fünf Einkaufswagen nebeneinander passen. Eine Grandezza, von der der Frustpendler auf der A 57 nur träumen kann.  Das Interieur des  Ladenlokals präsentiert sich im Stile eines mediterranen Palazzo mit  Terrakottafliesen, die ein warmes, tranquillierendes Grau verströmen. Lange, weite Gänge vermittelten den Eindruck luftiger Weite, und es nähme einen nicht wunder, wenn am Ende des Einkaufs ein Balkon mit Meerblick stünde.

Die Waren präsentieren sich in einer Heiterkeit, die der Beschwernis der Güterbeschaffung für die Dinge des Alltags – Kartoffelchips, Zitronen, Limo – eine kapitalistische Beschwingtheit entgegensetzt, die ganze Lebensentwürfe durcheinanderwirbeln kann. Gewönne der Tag nicht einen ganz anderen Schwung, wenn man statt der Limo im nebenstehenden Regal, das einem Weinbrand der Marke Chantré für 5,55 Euro anbietet, mal so richtig zulangen würde? Immer wieder überrascht das Netto-Management den Kunden mit kleinen Störungen des gewohnten Kaufflusses. Warum nicht schnell noch einen USB-Ventilator kaufen, der nächste Sommer kommt bestimmt.

Brotprodukte werden in einer eigenen Backstube angeboten, leider immer noch ohne  Franzbrötchen, die vor zwei Jahren im Zuge einer eiskalten Managemententscheidung aus dem Sortiment genommen wurden. Dafür locken an einem nett drapierten Stehtisch jedoch Canapés zur sofortigen, unentgeltlichen Verköstigung. Würden auch noch Getränke gereicht, der Gedanke an eine Szenerie spätrömischer Dekadenz läge nicht fern. Doch weder Getränke noch Weintrauben waren in Sichtweite. Das erscheint ausbaufähig.

Das größte Wunder aber erwartete die Besucher des neuen Marktes gegen 14 Uhr, als alle drei Kassen besetzt waren. Dementsprechend kurz waren die Wartezeiten, mitgebrachte Bücher mussten gar nicht erst ausgepackt werden, die Wartezeit reichte nicht einmal für ein Handyspiel. Hoffentlich ist dafür nicht Personal aus anderen Filialen abgezogen worden.

Doch schon eine halbe Stunde später – ein vergessenes Produkt musste nachgekauft werden – war das Kassenparadies wieder verschwunden, und die Eröffnungsgäste standen in den gewohnten nettoesken Schlangen, die eine Ahnung von DDR aufscheinen ließen. Es waren zwar genug Kassiererinnen da, doch sie konnten nicht arbeiten, weil das Kassensystem von allen Kräften eine Neuregistrierung verlangte – bei der alle zehn Fingerabdrücke einzuscannen waren, so jedenfalls das Personal in Plauderlaune am Warenförderband. Wer denkt sich so was aus?

Die neu gewonnene Lebenszeit konnte genutzt werden, einen näheren Blick auf ein Produkt zu werfen, das den Lauf der Welt verändern könnte – den Fugentorpedo. Was immer der Fugentorpedo in seinem Zielgebiet anrichtet – es scheint, dem Namen nach, mit Gründlichkeit vollzogen zu werden. Der ohnehin schon um 50 % reduzierte Preis von 9,99 Euro verringerte sich an der Kasse nochmals um 10 % „auf alles“. Ausgestattet mit einem solchen Wunderwerkzeug (fällt es womöglich unter das Kriegswaffenkontrollgesetz?) bietet sich eine Triumphpause im angrenzenden Café der Bäckereikette Heicks & Teutenberg an. Es lädt ein zu veträumten Blicken auf die angrenzende Piazza, die allerdings vorwiegend zum Parken von Kraftfahrzeugen genutzt wird. Noch ist nicht alles fertig, und so brummen manchmal kleine rote Bagger oder Radlader vorbei, oder sogar der Geschäftsführer des Bauunternehmens Loock, Ludger Janßen, im schicken Mercedes mit Lodenhut auf. Ludi incipiant!

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14 Kommentare

  1. 12

    Mit Bezug auf Zeile 1:

    Ist vielleicht „Triptychon“ statt „Tryptichon“ gemeint?

    Was damit gemeint ist – ein dreigeteiltes Gemälde oder Altarbild – weiß anscheinend niemand.

    Braucht nicht veröffentlicht zu werden …

     
  2. 11

    @ 10 otto
    Es ist ja kein zusätzlicher Markt eröffnet worden,sondern nur ein Umzug erfolgt,daher kein Überangebot gegeben.
    In Hau freut man sich jedesmal,Ware die es in dieser Woche gab,fehlt in der nächsten Woche im Regal.
    Die Lösung heißt dann,auf die Ware verzichten oder ab ins Auto nach Kleve zum nächsten Discounter.
    Wohl dem der eine Auswahl an Einkaufsmöglichkeiten in Reichweite hat.

     
  3. 10

    @9 jb,

    ohne diesen neuen Markt hätten wir Care-Pakete benötigt.
    Welch ein Glück, dass wir nun dem Hungertod entgehen können,
    dank der Fürsorge aller, die hier tätig waren, noch sind und sein werden🐷

     
  4. 9

    wenn der Edelschnaps bei Netto mit 5,55 noch fast 50ct billiger ist als bei Netto online (5,95 , und dann noch zzgl. Porto) sieht man mal wie Brutto Netto sein kann.
    Ich hatte mich schon gefragt, wie sich zb. so ein Lidl Neubau als „Verjüngung“ eines relativ neuen Supermarkts je rechnen kann, oder jetzt so eine neue Netto-Filiale, wo Kleve mit Supermärkten an sich, und Netto -Märkten im Speziellen vollgepflastert ist, aber so langsam dämmert es mir.

     
  5. 8

    öhm @rd

    Die Vereinsfarben der DEG sind immer noch Rot-Gelb. Achja damals frieren an der Brehmstraße. Heute 08/15 in einer Mehrzweckhalle die keiner braucht…

    Erinnert an Kleve…

     
  6. 6

    @5. Niederrheinstier

    Ich verrate Ihnen jetzt ein Geheimnis ………… ja, und diese Woche sogar mit 10% Rabatt. 🙂

    Greifen Sie zu, dann ist Weihnachten gerettet. 🙂

     
  7. 4

    Die Regale sind voll. Wo bleibt die überzählige Ware mit abgelaufenem Verfalldatum? Wie wird der Warenumschlag angepasst?

     
  8. 3

    Einmal kurz sich die Frage stellen: Möchte ich, dass jemand in Indien für mich Traubenstöcke vorhält, die Trauben erntet, die dann verpackt und durch die halbe Welt nach Deutschland geschickt werden? Eindeutig nein. Mein Vater erntet Trauben von der Garagenwand im Innenhof, das reicht.
    Mir reicht aber auch schon die Vorstellung, nicht zu wissen, was in Indien alles auf die Trauben drauf gekommen ist.

     
  9. 2

    Das reine Schlaraffenland ……….. es geht uns wirklich sehr, sehr gut!!!

    Solange noch Lebensmittel weggeworfen werden, braucht niemand zu jammern.

    Es gibt sogar Menschen, die Lebensmittel von der Tafel bekommen, diese sogar bei Nichtgefallen in die graue Tonne verschwinden lassen!!!
    Dafür fehlt mir jedes Verständnis ……….

     
  10. 1

    Feinstes internationales Obst Sortiment (irre) Trauben (kernlos ) aus Indien, Chilenische Himbeeren, Blaubeeren aus Peru. Aber schön, Chantrè, Old School, anregendes Heizmaterial für die damalige noble Proleten Schickeria immer noch up to date.