Brücken-Tag: 3. September 1965, Eröffnung der Rheinbrücke Emmerich

Prächtiges Bauwerk, auch mit 50: Rheinbrücke Emmerich (Foto: Christian Flock)
Prächtiges Bauwerk, auch mit 50: Rheinbrücke Emmerich (Foto: Christian Flock)
Prächtiges Bauwerk, auch mit 50: Rheinbrücke Emmerich (Foto: Christian Flock)

(Text aus dem Magazin DER KLEVER) Es gibt für alles eine Norm, auch für Brücken, die nach DIN 1076 „Überführungen eines Verkehrsweges über einen anderen Verkehrsweg, über ein Gewässer oder über tieferliegendes Gelände [sind], wenn ihre lichte Weite zwischen den Widerlagern 2,00 Meter oder mehr beträgt“. Die Emmericher Rheinbrücke überspannt sogar 803 Meter, mehr als jede andere Hängebrücke in Deutschland.

Und doch wird nichts weniger der Erhabenheit des Bauwerks am Rheinkilometer 853 gerecht als diese Definition aus dem Verkehrsblatt-Dokument Nummer B 5276. Brücken sind Orte, denen nur mit Sinn für Schönheit beizukommen ist. So gesehen, ist die Emmericher Rheinbrücke nun eine Dame in den besten Jahren, deren Rouge die Rostschutzfarbe ist, dick aufgetragen. Sie ist eine monumentale Erscheinung, aber gleichzeitig von lässiger, leichter Eleganz.

Als Alberte Meyers, die Frau des damaligen Ministerpräsidenten Franz Meyers, am 3. September 1965 zu den Klängen auf der Brückenmitte das weiße Band durchschnitt und damit das Bauwerk für den Verkehr freigab, war die Brücke ein weiteres Symbol für den Siegeszug des Fortschritts und der immerwährenden Mobilität.

In nur 40 Monaten errichteten die Bauarbeiter den 10.200 Tonnen schweren Koloss. Die Baukosten betrugen 54 Millionen Mark. (Die Inflation nicht eingerechnet, entspricht dies dem doppelten Preis des neuen Klever Rathauses.) Passend zum Ereignis spielte eine Musikkapelle den Triumphmarsch aus der Oper Aida. Bundesverkehrsminister Dr. Hans-Christoph Seebohm war gekommen und sprach salbungsvolle Worte: „Diese Brücke ist das Tor, das in die Bundesrepublik Deutschland führt. Möge sie bald das Tor sein, das der Eingang zum ungeteilten Deutschland ist, dem unsere Liebe und unsere Treue gehört.“ Kühne Optimisten glaubten, dass über kurz oder lang die Städte Kleve und Emmerich zu einer Einheit zusammenwachsen würden.

Am Tag der Eröffnung beschritten tausende Bürger aus Emmerich und Kleve den Weg über die Brücke zu Fuß, es war der symbolische Übergang. Heute queren die meisten Menschen den Rhein in Kraftfahrzeugen, mit hundert Stundenkilometern, wenn nicht gerade wieder Bauarbeiten dazu zwingen, etwas langsamer zu fahren. So dauert der Übergang keine Minute mehr, die Bundesstraße 220 ist ein asphaltiertes Kontinuum geworden, nur selten lässt der Kraftfahrer während des komfortablen Transits seinen Blick nach rechts oder links schweifen, zum majestätisch dahinfließenden Strom, zu sehr ist er damit beschäftigt, Teil eines eigenen Stroms, des automobilen, zu sein.

Auf der Rückseite einer jeden Euro-Banknote ist eine Brücke abgebildet, als ewiges Symbol des Überwindens von Grenzen und Gegensätzen. Ihren Ursprung hat die europäische Einigung vielleicht auch in solchen Bauwerken wie der Emmericher Rheinbrücke, die es für uns zu einer Selbstverständlichkeit hat werden lassen, in den Niederlanden zu arbeiten oder IKEA in Arnheim zu besuchen. Die Emmericher fahren zum Einkaufen nach Kleve, die Klever zum Essen nach Emmerich. Alles kein Problem mehr.

Aber hat die Rheinbrücke in den 50 Jahren ihres Bestehens auch die Menschen selbst näher zusammenrücken lassen? Und birgt nicht die Selbstverständlichkeit des Übergangs, der unterbrechungsfreie Fluss des Straßenverkehrs, paradoxerweise die Gefahr, dass wir die Fähigkeit verlieren, mit den Dingen, die hinter uns liegen, abzuschließen und offen zu sein für das neue, für das, was uns am anderen Ufer erwartet?

Wenn bei Elten die Sonne versinkt... (Foto: Christan Flock)
Wenn bei Elten die Sonne versinkt… (Foto: Christan Flock)
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