Das ist eine schöne Überraschung: Pünktlich zum zweiten Advent leuchten die zwei Pylone der Emmericher Rheinbrücke wieder strahlend rot in den niederrheinischen Nachthimmel und machen das vor 60 Jahren und drei Monaten eröffnete Bauwerk wieder zu dem, was es vor Beginn der Bauarbeiten (die niemals enden werden) war – zum Wahrzeichen des Niederrheins. Wenn man sich der Sache mit ein wenig philosophischer Distanz annähert, lässt sich in dem Bauwerk auch ein Bote der Moderne erblicken, so, wie wir sie bis zu den politischen Abrissbirnen der Jetztzeit gekannt hatten. Jahrhunderte war die Schwanenburg das unumstrittene Wahrzeichen des Kleverlandes. Eine Burg versprach Schutz innerhalb der Gemäuer, alle anderen wurden ausgeschlossen und abgewehrt. So aber stellten sich die Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg die neue Zeit nicht vor, sie bauten an einem Europa, an einem Kontinent ohne Grenzkontrollen und mit einer Währung, in der sich jeder wie das bewegen durfte, was er auch war – ein freier Mensch. Die Brücke, die seit einem halben Jahrhundert die beiden Rheinufer miteinander verbindet und den nahezu reibungslosen Wechsel von der einen Seite zur anderen ermöglicht, war der Vorbote dieses (freilich: autofokussierten) Denkens. Sie verband und sie verbindet. Wenn – wie heute – die Bestrebungen von Separation, Ab- und Ausgrenzung wieder en vogue sind, kommt dies einem mentalen Brückenabriss gleich. Dies ist insofern interessant, als dass niemand ernsthaft auf die Idee kommen würde, den Abriss der Rheinbrücke zu fordern, selbst wenn diese zumindest den Autofahrern infolge der jahrelangen Sanierungen schon einiges an Leid abverlangt hat. Bei den großen politischen Ideen allerdings, die nicht ganz so greifbar sind wie eine frei hängende, 803 Meter lange Betonpiste, scheint die Neigung zum Abriss größer denn je.
Roter wird sie nicht mehr: Die Rheinbrücke in Emmerich leuchtet wieder!


@16
dafür rollt dort deutlich mehr und vor allem schwerer Verkehr drüber. Dafür ist die Brücke eigentlich auch nicht ausgelegt.
Oh ja – Niederrheinischer Lichtorgasmus….
Es heißt “ Emmericher Brücke“….
Es zahlt die Stadt Kleve….
Pardon – Ich weiss gar nicht wo ich anfangen soll – Wieviel echte Probleme, außer etwas Beleuchtung, gibt es denn in Kleve ..? 10, 100 oder 1.000…?
Drogen, Verkehrsunfälle, Plünderung der Supermärkte durch Holländer, Nahezu null Infrastuktur im ÖPNV, ewige Baustellen….?
Schön – Ein „Lichterlein“ bringt – und Alles ist im Lot….Frohe Weihnacht! 😉
@16
Naja, naja…ich glaube zum letzen Mal ist der Rhein 1953 zugefroren, ich würde das durchaus für möglich halten dass er aufgrund der damaligen Umweltstandards dreckiger und wärmer war als heute …..weiss ich aber nicht genau.
@Husky, #14:
„Dabei ist aber zu beachten das der Brückenkörper „nur“ für 100 Jahre ausgelegt ist, danach muss ein Neubau her.“
Sie haben ja Recht, aber nur teilweise. In der Geschichte der Menschheit gingen bisher noch jede Zivilisation und ihre Bauwerke unter – das trifft auch auf ägyptische Pyramiden und römische Viadukte zu. Aber ich wette, dass die Rheinbrücke noch für ein paar Jahrhunderte genutzt wird. Aus folgenden Gründen:
Bei Lebensdauerprognosen veröffentlichen Ingenieure immer nur die Zahl für die minimalen Jahre, nicht für die wahrscheinlichen .
Ingenieure rechneten damals mit doppelter Sicherheit (heutzutage weniger), und wenn Menschenleben gefährdet waren sogar mit dreifacher Sicherheit gegen Strukturversagen.
Die Zahl von 100 Jahren beruht auf den beim Bau herrschenden Randbedingungen. Diese sind aber immer günstiger für die Brücke geworden, die Welt hat sich geändert. Klimawandel und die wärmeeinleitende Industrie am Rheinufer sorgen dafür, dass im Anthropozän der Fluss nie wieder zufrieren wird. Der Eisdruck von aus dem Süden herantreibenden Schollen und ihr Einfluss auf die Pylonfundamente kann auf Null gesetzt werden.
Ganz sooo schlimm wird es also nicht.
@Anmerkung, #12:
„Hat der Bildhauer Waldemar Kuhn die Brückenwappen nicht selber erstellt?“
Keine Ahnung, obwohl ich später oft im Haus der Kuhns zu Gast war. Ich versuche mal was rauszukriegen.
@7 Stefan Schuster
Wow, das ist ja, als bekäme man die Live-Reportage zur Eröffnung der Rheinbrücke noch nachgeliefert! Danke.
Dabei ist aber zu beachten das der Brückenkörper „nur“ für 100 Jahre ausgelegt ist, danach muss ein Neubau her.
Den sollte man vielleicht langsam mal Planen, man kennt ja die dezenten Verzögerungen. Gerade wenn Dorf Kleve involviert ist.
Die Emmericher Rheinbrücke hat übrigens 57 Millionen Deutsche Mark gekostet. Es wurde damals also sehr viel Geld dafür ausgegeben, damit wir komfortabel über den Rhein kommen.
Das durchschnittliche Gehalt eines Mann betrug damals 453 Mark brutto und eine Frau verdiente 281 Mark.
Heute so selbstverständlich, damals noch nicht:
https://www.fotocommunity.de/photo/bau-der-emmericher-rheinbruecke-ca-1964-jv-photo/27659276
Hellmut Homberg, der der beste Brückenbau-Architekt sein wollte (und von einer Brücke über den Ärmelkanal träumte):
https://rp-online.de/nrw/staedte/emmerich/wer-unsere-bruecken-baute_aid-33779355
Kreisarchiv Kleve
Nachlass Cuypers (N40) Nr. KA Kle N40 22
Strassen- und Schienenverkehr
Laufzeit 1962 – 1978
Darin: Die Rheinbrücke Emmerich-Kleve (mit Karten und Plänen), (2. Mai 1962)
Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland
(122) Autobahn-, Straßen-, Brückenbau – insbesondere in NW – Bd. 1
Bestellsignatur NW 0065 / Stk Pressemitteilungen NW 0065, Nr. 122
Laufzeit Feb. 1962 -Feb. 1969
Inhalt Enthält u.a.: Planung einer neuen Autobahn für das Ruhrgebiet 1964; Rheinbrücke Emmerich (Deutschland-Holland) 1964 (Pläne beiliegend)
Alt-/Vorsignatur Aktenzeichen: 68.0
Hat der Bildhauer Waldemar Kuhn die Brückenwappen nicht selber erstellt?
@10
Die sind mit der Seilkammer vorhanden.
By the way ! ? Mit Blick auf die „up to date“ KRIEGSTÜCHTIGKEIT ???? ? ? hätte man vielleicht doch ?? NICHT auf Sprengkammern i.d. Brücke verzichten sollen. ? ?
Einige Wochen zurück sind wir in Dänemark über die Ny Lillebæltsbro gefahren, die auf dem ersten Blick eine frappierende Ähnlichkeit mit der Emmericher Rheinbrücke hat, allerdings deutlich länger ist.
Ich finde Brückenbauwerke faszinierend.
Versuche schon längerem, Archivmaterial über die Brücke zu sichten, fast unmöglich. Insbesondere interessiert mich: Gibt es noch die Orginalberechnungen von Homberg, wer hat die Vorlandbrücken gebaut, wer ist auf die Idee mit den dort eingelassen Landkreiswappen gekommen, welcher Steinmetz hat die gemacht und was hat das gekostet. Und von wo sind die Basaltsteine her?
Leute, wie die Zeit vergeht!
Die ist schon 60 Jahre alt?
Ich kann mich noch genau an das Eröffnungsfeuerwerk erinnern. Mein Vater schnappte sich seine Fiets, ich auch, und gemeinsam fuhren wir von der Hauer Siedlung am Weißen Tor zum Rhein. Half Kleef was op de Been. Wir setzten uns auf den neuen Deich neben die Brücke und guckten zu.
Boah, het dat lang gedüürt.
Boah, was dat moj.
Lautes Geböller, haufenweise bunte Explosionen oben am Himmel. Und erst der ein paar hundert Meter lange Goldregen vom Brückengeländer runter in den Rhein! Ehrfürchtiges Raunen unter allen Anwesenden.
Auch mein Opa fand die Brücke prima. Über ihn wurden in Wissel noch Geschichten erzählt, wie er vor dem Krieg über den zugefroren Rhein nach Emmerich gelaufen ist, nur um dort seinen geliebten Oldenkott zu kaufen. In den Geschichten ist er noch über die Eisschollen gehüpft, aber das habe ich nicht mehr geglaubt. Für den Rest gab es Zeugen.
Die Pylone der Brücke blieben jahrzehntelang dunkel – LEDs waren noch nicht erfunden.
Jahre später bin ich dann zur Arbeit über die Reeser Brücke gefahren, die war als erste in der Gegend farbig angestrahlt. Lila und grün – ein psychodelisches Erlebnis. Ich muss da mal wieder hin.
Ich finde Sie einfach ganz nett/schön…Golden Gate des Niederrheins!
Hallo Ralf ! Lass mal ,wen interessieren die alten ??“Sünden“ noch . ?????
„So aber stellten sich die Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg die neue Zeit nicht vor, sie bauten an einem Europa, an einem Kontinent ohne Grenzkontrollen und mit einer Währung, in der sich jeder wie das bewegen durfte, was er auch war – ein freier Mensch.“
Die Grenzkontrollen in der EU haben meine Freiheit nicht eingeschränkt (Betonung auf EU).
Aber ich habe als Zöllnerkind vielleicht per se einen anderen Bezug dazu. Die Zöllner, die in Wyler kontrollierten, kannte ich persönlich. Es gibt so viele Geschichten, die mit dem Zollamt Wyler verbunden sind. Schöne oder interessante und auch weniger schöne. Und die tägliche, direkte Zusammenarbeit von Zoll und Marechaussee hatte auch etwas Verbindendes.
Freie Fahrt in der EU hat nicht nur Vorteile.
thx!
Wie schön ! ?.. u.a. für Glück ,Liebe ,unmoralisches +verbotenes ? Für mich goldene Jahre ? im ? Sozialismus. ? .. ? ??
60 Jahre hat sie schon auf dem Buckel!