kleveblog-Leser fragen – Udo Weinrich antwortet

Was qualifiziert Sie für das Bürgermeisteramt?
17 Jahre Erfahrung als Ratsmitglied (u.a. Fraktionsvorsitzender); mehrjährige Mitarbeit in einem kommunalen Haupt- und Finanzausschuss; fünf Jahre Vorsitzender eines Rechnungsprüfungsausschusses und Mitwirkung an der Eröffnungsbilanz einer Stadt. Seit meinem 17. Lebensjahr engagiere ich mich politisch für die Demokratie. Ich bin neugierig auf Menschen, diskutiere gern, habe Humor und bin fähig zur Selbstkritik.


Was würden Sie besser machen als Frau Northing?
Darauf gibt es keine Patentantwort. Ich will einen anderen Stil im Rathaus etablieren: zuhören, alle an einen Tisch bringen, Türen öffnen, nach einer möglichst großen Gestaltungsmehrheit suchen. Niemand ist unfehlbar. Niemand hat die Weisheit mit Löffeln gefressen. Wir müssen aufeinander zugehen. Ich werde den ersten Schritt tun.


Vor fünf Jahren haben die Offenen Klever noch Sonja Northing unterstützt, nun nicht mehr. Was ist passiert?
Frau Northing hat sich im Rathaus leider an die alten Seilschaften gehängt. Sie hat insbesondere bei der Haushalts-, Personal- und Baupolitik keine eigenen Akzente gesetzt, sondern bruchlos das „Weiter so!“ propagiert. Sie hat das fortgesetzt, wogegen sie 2015 mit Unterstützung durch SPD, FDP und OK angetreten war. Sie hat bloß verwaltet. Dafür hätte ein Unterschriftenautomat im Rathaus ausgereicht!


Als aus Hilden stammender Klever: Wo hat die Klever Politik im Vergleich zu Ihrem früheren Heimatort Nachholbedarf?
Ganz eindeutig beim Thema „Transparenz“. Vieles von dem, was in Kleve als „nichtöffentlich“ angesehen und folglich hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, findet im Kommunalrecht überhaupt keine Grundlage. Einen „Unterausschuss Spielplätze“, der nichtöffentlich tagt, gibt es wohl nur in Kleve. Dass der Rechnungsprüfungsausschuss als eine Art „Konklave“ nur alle Jubeljahre einmal tagt – selbstverständlich nichtöffentlich – verschafft unserem Rathaus ein Alleinstellungsmerkmal, auf das ich gerne verzichten möchte.


Wie bewerten Sie die gegenwärtige Gestaltung der direkten Bürgerbeteiligung, welche Möglichkeiten einer Verbesserung sehen, und was halten Sie in diesem Zusammenhang von sogenannten Bürgerräten (ein Gremium, das aus zufällig ausgelosten Bürgern besteht)?
Ob Bürgerräte oder sogenannte Planungszellen – es gibt bereits sehr interessante Vorschläge für den Ausbau der Bürgerbeteiligung. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sich im Rat eine Mehrheit dafür findet, die Bürgerbeteiligung auszubauen und wesentliche Themen aus dem Halbdunkel der Fraktionsberatungen in die Bürgerschaft zu tragen. Ich bin ein großer Anhänger davon, mehr Demokratie zu wagen. Als Bürgermeister würde ich dafür werben, als Ratsmitglied würde ich das immer wieder beantragen.


Welche konkreten Maßnahmen zum Klimaschutz könnten Sie sich vorstellen?
Ich möchte erreichen, dass immer mehr Klever/innen das Fahrrad und den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Das setzt sowohl die Einrichtung von Fahrradstraßen als auch den Ausbau des Stadtbus-Netzes voraus, aber ohne Dieselfahrzeuge! In Kleve fehlen solide Grundlagen für eine nachhaltige, klimaneutrale Stadtplanung. Auf welchen Flächen entsteht Kaltluft, die das Stadtklima reguliert? Wo liegen Frischluftschneisen, die unbedingt freigehalten werden müssen und nicht bebaut werden dürfen? Wo wäre die Ausweisung neuer Baugebiete ökologisch vertretbar? Erster Schritt: Runder Tisch „Klimabündnis“. Zweiter Schritt: Vergabe eines Gutachtens zur Siedlungsdichte und zum Stadtklima. Dritter Schritt: Stadtwerke bis 2025 zu 100% auf erneuerbare Energien umstellen.


Wie wollen Sie erreichen, dass es zu keiner Blockadehaltung kommt, insbesondere dann, wenn Sie nicht der Bürgermeister der Ratsmehrheit sind?

Grundsätzlich glaube ich daran, dass Menschen durch Argumente überzeugt werden können. Sollte ich im Rat mit meinen Vorschlägen und Anregungen regelmäßig auf eine Blockade stoßen, dann würde ich meinen Weg ändern. Ich würde dann die Öffentlichkeit suchen, um für meine Ideen zu werben – beispielsweise im Rahmen einer Einwohnerversammlung, die die Stadt jederzeit durchführen könnte. Das Rathaus hat die vielfältigen Kommunikationskanäle, die es gibt, um die Klever/innen zu erreichen, noch gar genutzt. Ich freue mich darauf, auch Litfass-Säulen wiederzuleben!


Wie viele Mitarbeitende sind Ihrer Ansicht nach in der Stadtverwaltung noch nötig, um für eine dauerhaft solide Aufgabenerfüllung zu sorgen und was wird das kosten?
Es mag populär sein, auf die Stadtverwaltung einzudreschen. Ich tue das nicht. Die städtischen Mitarbeiter/innen machen ihre Arbeit gut bis sehr gut. Hier möchte ich ansetzen und die Fantasie entfesseln – auch in gerade im Baudezernat. Einsparungen sind dennoch möglich und geboten: Ein hoch bezahlter Beigeordneten-Posten kann gestrichen werden, sobald der jetzige Amtsinhaber pensioniert worden ist. Personaleinsparungen ohne Leistungsverlust wären auch möglich durch die Zusammenfassung der Kultureinrichtungen unter einem Dach.


Auf Grundlage Ihres Einblicks in die Arbeitsweise der Klever Verwaltung: Bitte schätzen Sie, welchen Anteil Ihrer Zeit (tägliche Stunden oder Prozentzahl, ca.) die Aufsicht über die Klever Verwaltung erfordern wird – zur zeitnahen Umsetzung von Ratsbeschlüssen, und allgemein zur besseren Performance als Dienstleister gegenüber den Bürgern!
Die Aufsicht über die Stadtverwaltung wäre eigentlich Aufgabe des Rates. Aber solange die Mehrheit im Rat lieber zuschaut, rechne ich mit einer 60-Stunden-Woche für den hauptamtlichen Bürgermeister. Beim Repräsentieren, inklusive Kirmes-Eröffnung und Blumenbukette, werden mir ehrenamtliche Stellvertreter gern helfen.


Welche Rolle spielen städtische Immobilien und Grundstücke für Sie im Rahmen der städtischen Finanzplanung, wie sollte die Stadt Kleve mit ihren Immobilien und Grundstücken umgehen und welche Kriterien sollten bei der Neuplanung von Gebäuden angewandt werden?
Immobilien und Grundstücke sind kommunales Vermögen, gehören allen Klever/innen. Corona-bedingte Steuerausfälle und Mehrausgaben könnten dazu führen, dass der Ausverkauf des öffentlichen Eigentums als Patentlösung erscheint. Wenn Stadtentwicklung endlich Aufgabe des Rates sein wird, dann darf städtischer Grund und Boden nicht verkauft werden! Ob Freiflächenschutz oder behutsame Nachverdichtung (Baulückenschließung) – ohne Grundstücke in kommunalem Besitz bleibt alles Stückwerk. Städtische Grundstücke sollten in Erbpacht vergeben werden. Das senkt die Baukosten und macht gute Wohnungen erschwinglich.


Wie werden Sie als Bürgermeister sicherstellen, dass die IT-Ausstattung der Schulen nachhaltig ist und welchen Beitrag kann die Stadt leisten, dass die Digitalisierung auch „gelebt“ wird?

Kleve lebt im „Digi-Tal“. In Kleve mangelt es nicht an Ratsbeschlüssen oder Geld. Es fehlt an der Umsetzung. Der „Brandbrief“ aller Schulleiter hat die Defizite schonungslos bloßgelegt. Wir brauchen eine „Task Force“ im Rathaus. Wir sollten mit einem Aufruf den zweifellos vorhandenen IT-Sachverstand in der Bürgerschaft nutzen. Wir sollten nicht Prüfaufträge beschließen, sondern handeln, indem wir den Anschluss an Glasfaserkabel mithilfe der Stadtwerke voranbringen. Andere Städte zeigen, dass und wie es geht!


Wie kann die Verwaltung – ganz konkret – digitaler werden?
Durch einen Wechsel im Bürgermeisteramt! Im Haushalt 2020 sind die IT-Fortbildungskosten gekürzt worden. Wie soll sich da IT-Kompetenz fortentwickeln können? Die Rathaus-Spitze verkennt auch die Chancen der Digitalisierung. Das belegt die Untätigkeit während der Corana-Krise: Größere Transparenz der Ratsarbeit durch Übertragung von Sitzungen im Internet? In Kleve kein Thema! Wichtiger war dem Rat, dass endlich auch Sitzungsgeld für „Online-Fraktionssitzungen“ gezahlt wurde, und zwar rückwirkend! Der Internet-Auftritt der Stadt? Größtenteils ein Ablageplatz für Datenmüll! Es gibt nicht einmal ein Online-Formular für Akteneinsicht nach dem „Informationsfreiheitsgesetz“! Damit fange ich an.


Dauerthema Minoritenplatz: Was spricht Ihrer Meinung nach für den aktuellen Bebauungsplan? Was halten Sie von dem Entwurf, den eine Gruppe Klever Bürger von dem Wiener Architekten Podreca hat anfertigen lassen? Was halten Sie von dem Vorschlag, dort Stadtbücherei und Volkshochschule unterzubringen?
Für den aktuellen Bebauungsplan mit seinen drei Baufenstern spricht die Ratsmehrheit, die es zu knacken gilt, um auch hier voranzukommen. Städtebaulich ist der vorhandene Bebauungsplan eine Ausgeburt der Fantasielosigkeit. Die Kultureinrichtungen zu bündeln, wird von den „Offenen Klevern“ seit Jahren gefordert. Auf dem Minoritenplatz könnte hierfür ein architektonisch hochwertiges Gebäude errichtet werden – aber bitte nicht im Klever „Klinkerstil“! Das letzte Wort sollten die Klever/innen haben: Ein Ratsbürgerentscheid sollte durchgeführt und umgesetzt werden.

Welche Maßnahme könnten Sie sich vorstellen, die noch in der kommenden Wahlperiode die Situation für Radfahrer im Stadtgebiet deutlich verbessert?
Es gibt nicht die eine Maßnahme, die alles zum Positiven verändern wird! Wir brauchen eine Grundsatzentscheidung: Ausbau der Rad- und Fußwege – auch zu Lasten des klimaschädlichen Autoverkehrs! Das schließt die Einrichtung von Fahrradstraßen ein. Dauerhaft und nicht als Provisorium. Vorrang für Fußgänger und Radfahrer! Der neue Rat muss Farbe bekennen: Will er die Verkehrswende oder nicht? Denn was sind schon 80.000 € für ein „Mobilitätskonzept“ ohne klare Zielvorgabe?


Was ist Ihre Meinung zur aktuellen Situation an der Kaskade?
Durch den Fachbereich „Rechnungsprüfung“ wird zurzeit eine Wirtschaftlichkeitsberechnung durchgeführt. Anlass: angeblich sehr hohe Mietkosten für die Baustellensicherung und für eine Zufahrt für Schwerlastverkehr. Es soll dabei um rd. 500.000 € gehen – für ein Provisorium. Einen Wasserbauingenieur hielt man ja für verzichtbar. Ein fachkundiger Hinweisgeber aus der Bürgerschaft wurde als „Besserwisser“ diffamiert. Solange Kleve 80% Versiegelung auf Gewerbeflächen erlaubt, kann das Oberflächenwasser des nächsten Starkregens der überforderten Kaskade den Rest geben.


Braucht Kleve ein Kulturzentrum, wenn ja, wie soll das aussehen und wie würden Sie das Projekt angehen?

Ja. Kleve hat ein Kulturzentrum, das weiterentwickelt werden könnte und müsste – es handelt sich um die ehemalige „Pannier-Fabrik“. Die Stadt hatte alle Karten in der Hand gehabt und hat ihre Trümpfe nicht ausgespielt. Das war kein Schicksalsschlag, sondern politisch gewollt – inklusive der Krokodilstränen der Entscheidungsträger im Rathaus! Wenn der Rat will, dann kann hier immer noch etwas Gutes entstehen! Voraussetzung dafür: Kleve engagiert sich nicht nur verbal, sondern endlich auch finanziell und mit einem Bebauungsplan für ein Kulturzentrum!


Was können Sie sich vorzustellen zu unternehmen, um Menschen, die sich frustriert von der Politik abgewandt haben, wieder für die Sache der Demokratie zu gewinnen?


Wer andere überzeugen will, der muss selbst von etwas überzeugt sein, der muss für etwas „brennen“. Dazu gehört aber auch, dass man ehrlich und offen sagt, was nicht möglich ist, wo eine Grenze erreicht ist. In der Politik gibt es zu viele Schönwetterpropheten. Angeblich haben sie an alles gedacht, alles schon längst beschlossen – immer sind es angeblich andere, die der Realisierung im Weg stehen. So etwas ermüdet und ist verlogen! Ich will offen und ehrlich kommunizieren. Ich setze auf das Gespräch, auf das Beispiel. Ich will den Menschen Mut machen, sich in ihre eigenen Angelegenheiten einzumischen.


Kleve ist für mich eine Stadt, … (bitte ergänzen!)

… mit einem großen kreativen Potenzial, das endlich freigesetzt werden muss. Die Klever/innen können und wollen mehr, als Rat und Stadtverwaltung ihnen bis jetzt abverlangt haben.

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2 Kommentare

  1. 2

    Er hat in Sachen Mino-Platz es auf den Punkt gebracht.

    Und, er hat wahrscheinlich auch Lesch Kosmos geschaut 😉 Dort wurde nämlich auch das Klima im Sommer in den Städten erörtert. Mehr Grün, Frischluftschneisen etc. sind ökologisch sinnvolle Möglichkeiten, das Klima in den Städten während der heißen Sommermonaten erträglicher zu machen.

    Benno