Voll fett! Berlin ehrt Beuys

Kunst

Wenn ganz Berlin über einen Klever spricht (und der nicht Ronald Pofalla heißt), dann muss kleveblog natürlich berichten. Also nichts wie hin zum Hamburger Bahnhof, 12 Euro für einen überdachten Stehplatz abgedrückt – und rein in die Ausstellung: „Beuys – Die Revolution sind wir“. Gleich zu Beginn dann ein Schock: Warum ist Ronald Pofalla hier? Und warum redet der zehn-, zwanzigfach aus allen Ecken? Es stellte sich dann aber zu meiner vorübergehenden Beruhigung heraus, dass allerorten Videowürfel installiert waren, aus denen der Schamane vom Niederrhein (also der künstlerische jetzt) seine Sicht der Dinge kundtun konnte – und der spricht doch tatsächlich in dem gleichen rheinischen und leicht näselnden Singsang wie der Merkelschamane.

Kommen wir zu den Kunstwerken. Alles sehr sauber und hell, übersichtlich angeordnet, und zu jedem Ausstellungsstück gesellen sich ein paar (Video-)Dokumente, sodass auch Nichtfans eine Chance haben, dem Filz- und Fettmeister näherzukommen. Eine überraschende Erkenntnis dann nach der Hälfte des Rundgangs. Wäre es nach Beuys gegangen, hätte es heute keine Finanzkrise gegeben. In seinem Manifest „Aufruf zur Alternative“, am 23. Dezember 1978 in der Frankfurter Rundschau veröffentlicht, will er den Geldbegriff der erreichen „sozialen Evolution“ anpassen. Folge:

Ohne eine einzige staatsbürgerliche Maßnahme oder steuerpolitische Akrobatik führt die Anerkennung des gewandelten Geldbegriffes hingegen zur Aufhebung des Eigentums- als auch des Profitprinzips im Produktionsbereich. Und was passiert mit den Börsengeschäften, der Bodenspekulation, dem Zinswucher, der Inflation? Sie verschwinden, ebenso wie die Geißel der Arbeitslosigkeit. Die Aktienwelt entschläft über Nacht, ohne dass auch nur ein Zahnrad deswegen nicht mehr laufen würde.

Alles sehr interessant, aber nach zwei Stunden hatte ich genug und schlenderte in Richtung Museumsladen, wegen der Postkarten. „Ist doch auch mal schön, wenn nicht alles so voll hängt wie in Moyland“, sagte ich zu meiner Begleiterin.

Ich hatte den Satz noch nicht ganz ausgesprochen, da erblickte ich einen Durchgang – und dahinter noch mehr Beuys. Die berühmte Straßenbahnhaltestelle. Riesige Fettklötze. Ein Regal mit DDR-Waren. Und noch ein Saal und noch einer. Hier ein Filmchen, da ein Filmchen. Als ich die geschafft hatte, und links eine Treppe erblickte, fragte ich – schon recht erschöpft – einen Aufsichtsbeamten, ob da oben auch noch Beuys sei. Er nickte. Noch zwei Säle. Uff.

Als ich wieder runterging, beschlich mich ein ungutes Gefühl – und ich versuchte, am Aufsichtsmenschen vorbeizuhuschen. Doch er sah mich, und gab mir auf den Weg: Ob ich denn auch wüsste, dass links und rechts der Haupthalle noch zwei Treppen seien, an deren Ende weitere Ausstellungsräume seien, alles „voll mit Beuys“. Wusste ich natürlich nicht, aber nun traute ich mich auch nicht mehr, es auszulassen – und so hätte ich es Beuys zu verdanken gehabt, dass ich beinahe das Basketballspiel Alba Berlin gegen Lottomatica Rom (67:61) verpasst hätte.

Doch da setzte sich mein erweiterter Kunstbegriff durch, weg von der Beuys-Zone in die O2-World, wie die neue Berliner Riesenhalle heißt. Auf den Weg dorthin sank ich erschöpft in einen harten S-Bahn-Sitz und konnte nicht anders, als den Fleiß von Beuys zu bewundern: Da hängt schon ein ganzer Bahnhof inkl. Nebengebäuden voll, und das ganze Schloss Moyland auch noch bis unter der Decke - und wer weiß, wer auch noch irgendeine Fettecke hat. Ganz schön viel Kunst für ein Menschenleben!

Kunst

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7 Kommentare

  1. 4

    Eine gute und humorige Beschreibung eines Museumsbesuchs.

    Wenn ich bedenke, welch aggressiven Diskussionen ich wegen Beuys schon ausgesetzt war, habe ich es bis heute tunlichst vermieden, extra wegen ihm ins Museum zu gehen.

    Also mein Respekt dafür auch noch Berlin zu fahren großartige Leistung.

     
  2. 2

    @der Paritätische:

    Nee, Berlin und die dort Einsitzenden vergleichen sich immer gerne mit New York, achte mal auf die Statements.

    Für die Nicht-Kenner dieser Stadt, ein ironischer Link:

    > http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/2981/das_narbengesicht.html

    Berlin versteht den Hauptstadt-Status als Dienstrang, erst wir, danach lange nichts….
    Und der Rest der res publica soll gefälligst auf ewig dankbar und devot sein.

    Kleine Anekdote aus 1990, hier mitgelauscht in einer Pizzeria am ICC:

    „Berlin wird selbstverständlich Hauptstadt, das ist ja ganz klar. Wer will schon nach Bonn, ich nicht.“

    Die Sprechpuppe der ehemaligen FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda, der die hiesige Region wegen seiner Entschleunigung so liebt, hat übrigens den Niederrhein im besagten Spiegel-Artikel

    > http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/51/33/dokument.html?titel=Region+der+Entschleunigung&id=61193315&top=SPIEGEL&suchbegriff=pofalla&quellen=&vl=0&qcrubrik=geschichte

    kulturtechnisch auf Beuys reduziert.

    Und das sollte man mal so stehen lassen 😉

     
  3. 1

    Dat Jüppken is ja gut, Berlin hingegen sch… . Berlin meint, es wäre Paris und Jupp kommt ja aus Krefeld!
    Guckt mal in die Stachelhaus Bio: bester Satz: 5 Jahre „Erholung von der Feldarbeit bei van der Grintens“