Noblesse gegen Splendid

PorträtIch denke gern an Hans-Peter Riel zurück, das „Urgestein des WDR-Journalismus“ (WDR-Intendantin Monika Piel), das am Montag im Alter von 64 Jahren in seiner Wahlheimat Kleve gestorben ist. Und das kommt so:

Vor ca. 25 Jahren, befeuert von reichlich Wallraff im gymnasialen Vorfeld und mehreren Flaschen deutschen Schaumweins der Marke „Splendid halbtrocken“ (4,99 Mark bei „Schätzlein“), die während eines langen Arbeitstages geleert worden waren, beschlossen ein damaliger RP-Redaktionskollege und ich, die für den Abend u. a. von Hans-Peter Riel, damals Leiter des neuen WDR-Studios in Kleve, geplante Gründung des „Klever Presseclubs“ als das bloßzustellen, was sie unserer Auffassung war – eine jämmerliche Witzveranstaltung. Wie wir zu dieser Erkenntnis gelangten, kann ich heute nicht mehr genau sagen, sicher ist aber, dass die Gewissheit parallel zum Alkoholgehalt im Blut stieg.

Am Abend, vor der versammelten Klever Presse, fiel uns allerdings nur noch ein Argument ein, das von uns in Variationen und relativ unabhängig von der Tagesordnung in den Saal gerufen wurde: Der Mann hatte mal bei der Bild-Zeitung gearbeitet! Welch Vergehen!

Das Gute war aber nun, dass der so kritisierte Herr Riel ganz anders reagierte als von uns Krawallbrüdern erwartet: Er sah mit der Noblesse eines welterfahrenen Gentlemens über die beiden offensichtlich indisponierten Diskussionsteilnehmer hinweg. Very british. Danke!

Ich hatte am nächsten Morgen schwere Kopfschmerzen, und als ich gegen zwölf Uhr meinen Dienst in der Redaktion antrat, zeigte mir ein anderer Kollege die rote Karte und öffnete das Fenster, verbunden mit der Empfehlung, die Redaktion am besten auf diesem Wege zu verlassen. Damals befand sich die RP noch im 2. Obergeschoss.

Heute bin ich selbstredend Mitglied in diesem Club, was mir zum Beispiel aktuell eine Einladung von Ronald Pofalla nach Berlin (inkl. Partnern/Partnerinnen) eingebracht hat, die ich aber nicht annehmen werde. Bestimmt wird Barbara Hendricks nicht nachstehen wollen und ähnliche Reisearrangements offerieren. Auch da: nein.

Wenn ich dereinst in diesem Club für ein Ehrenamt kandidiere und ein gedanklich zerzauster Frischabiturient mich auf meine Vergangenheit hinweisen wird, werde ich übrigens ebenfalls wie ein Gentleman schweigen. Ist besser so.

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