Abenteuer aus ca. 31.400 Tagen und Nächten

Bewegtes Leben: Yusef Abu-Dagga (Foto: Thomas Velten)

Der 86 Jahre alte Klever Yusef Abu-Dagga hat seine Lebensgeschichte aufgeschrieben. Sie begann 1939 im Gazastreifen und führte über Beirut, Alexandria, Venedig, Rosenheim, Krefeld und Darmstadt nach Kleve – und bietet Stoff genug für einen Kinofilm.

Doch Yusef Abu-Dagga wartet nicht auf ein Filmangebot, wie er schreibt – er möchte die wesentlichen Stationen seines Lebens einfach für seine beiden Enkel Yunis und Amir festgehalten wissen. „Nur wenn man Wurzeln hat, kann man wachsen“, sagt der Renter, der vielen Klever Kaffeehausgängern bekannt ist.

Die ersten zehn Jahre seines Lebens wuchs Yusef Abu-Dagga bei der ersten Frau seines Vaters im Gazastreifen, dem heutigen Kriegsgebiet, auf. Als er zehn Jahre alt war und der Staat Israel gerade gegründet war, entschied sein Vater, ein reicher Kaufmann, seinen Sohn zu sich und seiner zweiten Frau nach Beirut zu holen.

Für die Reise organisierte der Vater ein paar Beduinen, die den Sohn mit nächtlichen Kamelritten durchs israelische Territorium schmuggelten, bis sie nach sieben Tagen die jordanische Hauptstadt Amman erreichten. Von dort ging es unter falscher Identität im Flugzeug nach Beirut – einen Pass oder sonstige Dokumente besaß er überhaupt nicht. 

Yusef als junger Mann

Nach der Schulbildung auf einem Eliteinternat im Libanon entschied sich Yusef auf Anraten eines Verwandten dazu, in Deutschland zu studieren. Dafür musste er zurück in den Gazastreifen, wo er nach monatelanger Wartezeit zum Gouverneur vorgeladen wurde, der ihm die ersehnten Papiere ausstellen ließ.

Über Alexandria ging es mit dem Schiff nach Venedig, von dort mit dem Zug über Wien nach München – wo er, mit einem Sommeranzug bekleidet, im tiefsten Winter bei minus 18 Grad aus dem Bahnhof trat. Der Deutschkurs fand in Rosenheim statt, danach absolvierte er ein Praktikum in Norddeutschland und schloss ein Ingenieurstudium ab.

In Krefeld lernte seine Frau Renate kennen. Sie stammte aus Kleve und arbeitete dort – und verliebte sich in den Mann aus Palästina. Als sie heiraten wollten, bestand die Familie der Frau darauf, dass zunächst der katholische Pfarrer konsultiert werden sollte. Der Geistliche gab sein OK, daraufhin fand eine standesamtliche Hochzeit in Krefeld statt – weil das Klever Standesamt sich außerstande sah, die Trauung durchzuführen. Entgegen vieler Prophezeiungen hielt die Ehe 61 Jahre, bis Renate Abu-Dagga in diesem Jahr verstarb. 

Widmung für die Gäste

Die entscheidenden Stationen seines Lebens hat Yusef Abu-Dagga in seiner Biografie unter dem Titel „Leben zwischen zwei Welten – von Palästina nach Deutschland“ festgehalten. Das Buch wurde kürzlich im Café Bela’s Freunden und der Öffentlichkeit vorgestellt und ist beim Autor erhältlich. 

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3 Kommentare

  1. 3

    @1 Dass Yusef Abu-Dagga sich ehrenamtlich beim Sprachunterricht für arabischsprachige Geflüchtete und für deren Integration engagiert hat, ist vorbildlich.

    Er selber ist durch seine Herkunft aber im Vergleich zu vielen anderen Palästinensern privilegiert gewesen. Um so schöner, dass er aus seiner Position heraus so hilfreich war.

     
  2. 1

    Wenn ich mir den hürdenreichen Lebenslauf von Herrn Yusef Abu-Dagga anschaue, so kann ich nur noch meinen Hut ziehen und wenn man in einem so fortgeschrittenen Alter noch die Energie hat, um ein Buch darüber zu schreiben, dann gebührt ihm allerhöchste Anerkennung.