Wort der Woche

Kannste dir nicht ausdenken

„Silicon-Waaly“

(Aktualisiert)

Erläuterung: Der Präsident der Hochschule Rhein-Waal, Dr. Oliver Locker-Grütjen, bezeichnete mit dieser Wortschöpfung gestern auf einer Pressekonferenz eine neue Transfer- und Gründungsinitiative der Einrichtung. Mit ihrem Konzept „Start Glocal. Global Spirit for local Start-ups“ hatte die HSRW beim Wettbewerb „Exist Potenziale“ des Bundeswirtschaftsministeriums Erfolg und erhält nun zwei Millionen Euro für Ausgründungen. „Mittelfristig solle die gesamte Region eingebunden und in eine Start-up-Realität überführt werden, in der Gründergeist lebendig und sichtbar ist „, wird der Präsident in der Rheinischen Post zitiert. Und weiter schreibt die RP: “ Es soll in Kürze auch Raum für so genannte Work-Spaces geben, in denen junge Start Ups die ersten Schritte wagen können. Man könne sich da auch schicke Containerlösungen vorstellen, dachte Locker-Grütjen laut nach.“

Sprachliche Bewertung: Doppelt und dreifach Kindergarten. Es gibt hier keine Täler. Streng genommen, hat nicht einmal der Fluss Waal annähernd etwas mit der Hochschule zu tun (schon eher der Ganges). Und die Region insgesamt macht bisher auch nicht durch den übermäßigen Gebrauch von Silizium von sich reden. Aber man darf gespannt sein, wie die Region in eine andere Realität übergeführt wird.

Das meint Student „Alumni xyz“ (Kommentar zur Geschichte „Bilanz des Scheiterns“:

Ich habe an der HSRW studiert und nach 9 Semestern meinen Abschluss in 2017 gemacht.

Wenn ich an die Zeit zurück denke, tut es mir im Herzen weh. Ich erinnere mich daran, wie ich 7 Prüfungen in 6 Tagen hatte. Ich erinnere mich daran, wie viele meiner Freunde einen Drittversuch hatten, wie viele schwer darunter gelitten haben – und ja, einige sind durchgefallen und mussten sich etwas anderes suchen. Ich erinnere mich, wie viele kein Praktikum gefunden haben. Ich habe viele, viele Bewerbungen damals geschrieben und immer gehört: „20 Wochen? Gehen auch nur 3 Monate?“ Und viele haben kein Praktikum gefunden im richtigen Zeitraum oder dann in einem Bereich, in den sie gar nicht wollten.
Ich erinnere mich daran, dass kaum einer in Regelstudienzeit abgeschlossen hat. Ich weiß, dass ein paar aus meinem Freundeskreis das Studium immer noch nicht abgeschlossen haben. Ich schaue mich auf LinkedIn um und viele Arbeiten in einem ganz anderen Bereich, als das, was sie studiert haben oder hängen in irgendwelchen Übergangslösungen fest.
Viele hat das Studium dort in die Depression getrieben. Und ja, auch ich habe gelitten.

Und jetzt wünsche ich mir von meinen ehemaligen Kommilitonen etwas mehr Solidarität. Wir wissen alle, dass es so war. Wir waren alle da. Aber die, die jetzt erfolgreich sind, sagen: „Ich habe es doch auch geschafft.“ Das ist meiner Meinung nach ein Attributionsfehler. Menschen schreiben Erfolg gerne sich selbst zu, Misserfolg gerne den Umständen.

Ich hatte sehr reputative Praktika, schreibe gerade meine Masterarbeit an einer Top-Uni, habe sehr gute Noten und Stellenangebote, von denen ich früher nicht einmal gewagt habe zu träumen. Aber nicht wegen, sondern TROTZ der HSRW und nicht, weil ich besser bin als meine ehemaligen Kommilitonen, sondern weil ich verdammtes Glück hatte! Im Gegenteil, ich erinnere mich an ehemalige Kommilitonen, die fachlich kompetenter waren und durch Drittversuche gefallen sind oder deren Studium ohne ihr Zutun ewig in die Länge gezogen wurde.

Und jetzt bitte ein bisschen mehr Solidarität von „uns“, die es vermeintlich „geschafft haben“. Und die meisten die an einer anderen Uni davor oder danach studiert haben wissen das auch – woanders ist es anders.

PS: Und noch etwas. Vor ein paar Jahren hätte und habe ich die HSRW verteidigt. Weil wenn die HSRW schlecht ist, dann heißt das ja auch, dass ich schlecht bin. Und wenn es bekannt werden sollte, kriege ich nie einen guten Job. Aber das stimmt nicht. Das stimmt für alle Studierenden dort nicht. Ich bin stolz auf euch!

Veröffentlicht am
Kategorisiert in Alles

Deine Meinung zählt:

13 Kommentare

  1. 12

    Bezogen auf den Kommentar des „Alumni xyz“ darf meines Erachtens nicht vergessen werden, dass sich die Erfahrungen der Studenten offenbar je nach Fakultät ganz gewaltig unterscheiden. Ich habe zwei Semester an einer deutschen Universität studiert, bevor ich mich für ein Studium an der HSRW (Fakultät Gesellschaft und Ökonomie) entschieden habe. Nun stehe ich kurz vor einem guten Abschluss. Zwar werde ich insgesamt neun Semester für mein Studium brauchen, dafür konnte ich ein Auslandssemester an einer Uni in den USA und ein halbjähriges Praktikum bei einem DAX-Konzern absolvieren. Persönlich kenne ich im Ãœbrigen keinen Studenten, der trotz ernsthafter Bemühungen wirklich Probleme damit hatte, einen (guten) Praktikumsplatz zu finden. Ich könnte meine überwiegend positiven Erfahrungen mit der HSRW weiter ausführen. Aber wie auch immer… Mit den Erfahrungen des oben zitierten Studenten kann ich mich jedenfalls keineswegs identifizieren.

     
  2. 11

    Mmuuuh, mmuuuh, da sind aber unsere niederländischen Freunde der Wissenschaft vom anderen Ufer viel cleverer (Kleverer???), mmuuuuh: In Wageningen, das ja bekanntlich in der gleichen, eben niederrheinischen Tiefebene liegt wie Kleve, mmuuujuuuh, haben die nicht etwa das Silikon-Lekkie ausgerufen, sondern das Food-Valley, mmuuuh! Und eine „Stichting Green Valley“ haben die noch gleich dazu eingerichtet, mmuuujuuuh!
    Food-Valley und Green Valley, das hört sich richtig gut und anziehend an, mmuuuuhh. Das lässt die Power Food-Portionen auf Portionsgrößen und die grünen Wiesen auf unlimitierte Ausmaße wie noch nicht einmal in meinen kühnsten Träume wachsen, mmuuujuuuh. Ich glaube, ich muss denen da mal wieder öfter einen Besuch abstatten, mmuuuuh! Vor allem, wenn es hier im so verunglimpften Silikon-Waaley langsam immer mehr peinlich wird, mmuuubuuuh.

     
  3. 10

    @9. Feine Sahne
    Da bin ich ganz entschieden dagegen. In den Gewässern liegt schon genug Müll rum.

     
  4. 9

    Geht es noch vernichtender als von einem ganz ordentlich schreibenden Alumni so ein Zeugnis ausgestellt zu bekommen?! Jungs: packt eure Hochschule ein und versenkt sie im « Silikonwal »!

     
  5. 6

    Wie so „Und die Region insgesamt macht bisher auch nicht durch den übermäßigen Gebrauch von Silizium von sich reden“ in einem Blog der sich profiliert mit : „Kies ist unser Öl“?

     
  6. 5

    Die Wortneuschöpfung ist natürlich Stuß.

    Dahinter stehen aber die Probleme, das Konzept des Dualen Studiums auch real zu ermöglichen. Schon ein Trauerspiel, dass die regionale Wirtschaft trotz aller Kooperationsbeteuerungen es nicht schafft, geeignete Plätze in adäquater Anzahl anzubieten.

    Noch viel mehr verblüfft mich, dass auch die Klever Verwaltungen nicht mitmachen. Ich kann ohne lange zu überlegen viele Themen nennen, in denen sich Themen der Lehre/Forschung an der HSRW und kommunale/regionale Aufgaben decken. Statt dessen jedoch: Keine wirkliche Kooperation zum gegenseitigen Nutzen, man freut sich in der Stadt lediglich über den Reputationszuwachs und das gestiegene Steueraufkommen.

     
  7. 4

    Wie wär`s mit einem Start-Up, dass als Schnittstelle zwischen Unternehmen, die gerne duale Studenten/Azubis hätten, und der Hochschule? Die Hochschule könnte da auf jeden Fall tatkräftige Unterstützung gebrauchen.

     
  8. 3

    Da hat der Präsident sich etwas weit vorgelehnt. Innerhalb der Hochschule wurde etwas gekichert, aber es gab schon Schlimmeres aus dem Präsidium. Vielleicht wird er jetzt noch öfter „OMG“ statt „OLG“ genannt, aber jedes Wortspiel nutzt sich schließlich ab.

     
  9. 2

    Puh. Schlimmer geht immer. Muss mich mal eben setzen –
    Ich melde mich dann noch mal….

     
  10. 1

    Hoffentlich kommt Dr. Oliver Locker-Grütjen bald mal mit handfesten Vorschlägen um die Ecke. Erst das Ziel 8. Semester (oder so ähnlich), jetzt alberne Wortspiele. Und die „Work-Spaces“ werden bestimmt auf dem Hochschulcampus angesiedelt … Ich hab auch noch eine Idee: Man sollte Englisch in der Region zur Pflicht-Geschäftssprache machen. Global language for local business people. Oder so.

    *grins* bei der Bemerkung mit dem Ganges