Windrad-Ärger: Stadtwerke sprechen mit Reyers, warten auf Entscheidung aus Berlin

Dreht sich zuverlässig, aber wie lange noch? Hubert Reyers vor dem Windrad auf seinem Hof in Kellen

Deutschland möchte die Energiewende, aber ein Landwirt aus Kleve soll seine immer noch bestens funktionierende, aber mittlerweile schon 27 Jahre alte Anlage stilllegen? Wie geht das zusammen? Die Berichterstattung gestern auf kleveblog erhitzte die Gemüter, allgemeines Kopfschütteln gehörte noch zu den milderen Formen der Reaktion.

Nun reagierten auch die Stadtwerke Kleve, auch der Klimaschutzmanager der Stadt Kleve, Christian Bomblat, sicherte seine Unterstützung zu. Stadt-werke-Chefin Claudia Dercks sagte zu kleveblog, dass man natürlich hoffe, dass der Landwirt aus Kellen weiterhin seine Anlage betreiben kann. „Wir stehen mit Herrn Reyers im Gespräch“, so die Geschäftsführerin des kommunalen Energieversorgers, „und prüfen, ob ein Weiterbetrieb der Anlage möglich ist.“

Allerdings liegt die Entscheidung darüber nicht bei den Stadtwerken selbst. Das Unternehmen ist, wie alle anderen Energieversorger auch, an die Bestimmungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gebunden. Die Novellierung des Regelwerks wird derzeit im Bundestag besprochen und steht vor dem Abschluss. Grundsätzlich sieht die Reform EEG-21 vor, dass Deutschland seinen Strom bereits vor dem Jahr 2050 komplett treibhausgasneutral produziert.

Da könnte jedes Windrad helfen, auch eine 27 Jahre alte Anlage am Ortsrand von Kellen. Doch was sagt der derzeit vorliegende Entwurf des Gesetzes konkret zu solchen Anlagen? Der Text – Drucksache 19/23482 – spricht davon, für sogenannte „ausgeförderte Anlagen“ den Rechtsrahmen anzupassen. Dazu gehört auch die Anlage von Reyers. Nach 20 Jahren läuft die Förderung ab, bei Reyers wurde sie schon um sieben Jahre verlängert.

Die Novelle sieht vor, den Betreibern kleiner Anlagen, für die ein Weiterbetrieb in der Direktvermarktung unter Umständen derzeit unwirtschaftlich sein könnte, eine Alternative anzubieten. „Diese Anlagenbetreiber können den in der Anlage erzeugten Strom bis Ende 2027 auch dem Netzbetreiber zur Verfügung stellen und erhalten hierfür den Marktwert abzüglich der Vermarktungskosten“, so steht es im Entwurf. So soll ein Abbau dieser Anlagen verhindert werden.

Soweit der Entwurf. Was davon in der Realität übrig bleibt, und wie sich das dann umsetzen lässt, diese Antwort weiß nur der Wind. Vor allem hinter der Formulierung „Marktwert abzüglich Vermarktungskosten“ lauern natürlich Fallstricke. Was, wenn die Vermarktungskosten höher veranschlagt werden als der Marktwert – muss Reyers dann für jedes Kilowatt Geld bezahlen, wenn sein Windrad weiter Strom produziert?

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9 Kommentare

  1. 9

    @4 Moyland „Gegenwind” ist m.E. eine von bestimmten Teilen der Industrie (Gas-, Kohle-, Atomkraft) & Klimawandelleugnern gesteuerte Bürgerbewegung“

    Wie kommen Sie darauf? Kennen Sie irgendjemanden von „Gegenwind“? Wissen Sie überhaupt, warum die Initiative gegründet wurde?

     
  2. 8

    @7: Lieber Herr Schuster, es geht nicht um einen politischen Rundumschlag, wenn ich einen winzigen Ausschnitt dessen beschreibe, was zu tun ist.
    Auch warte ich nicht auf irgendwelche Berliner oder Düsseldorfer Gesetze. Nur- die Gesetze sind die Grundlagen kommunalen Handelns.
    Ich stimme auch mit Ihnen überein, dass es nicht sinnvoll ist, Lobbyisten und deren Einfluss auf gesetzgebende Gremien zu beklagen.
    Hier sind die Kommunen tatsächlich gefordert, aktiv zu werden, z.B. indem sie Klimafahrpläne schaffen, aus denen dann die notwendigen Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt werden.Ich möchte nur darauf hinweisen, dass Kleve eine der wenigen Gemeinden im Kreis ist, die einen solchen Plan und einen Klimamanager haben. Das war ein gehöriges Stück Arbeit, übrigens mit Teilnehmer*innen der verschiedenen Fraktionen.
    Was ihrer Kritik hinsichtlich der Änderungen des FNP angeht, da sind wir gar nicht weit auseinander.
    Deshalb meine ich, nun ist die Zeit des Handelns gekommen.

     
  3. 7

    @Michael Bay, #5:

    Ihren politischen Rundumschlag in Ehren, es steht viel Richtiges darin. Aber ich habe die Sorge, dass bezüglich notwendiger Veränderungen auf neue Gesetze gewartet wird, nur um hinterher dann trefflich über den schädlichen Einfluss der Industrielobby zu klagen. Dabei können Entscheidungsträger auf allen Ebenen bereits jetzt aktiv werden.

    Beispiel Stadt Kleve: Lesen Sie doch bitte nochmal die Unterlagen zur Sitzung des Bau- und Planungsausschusses vom 03.09.2020. Hier musste der zweithöchste Verwaltungsbeamte der Stadt kleinlaut zugeben, dass die geplanten Änderungen des Flächennutzungsplans bei der Landesregierung nicht genehmigungsfähig sind (ein wesentlicher Faktor dabei waren vorgesehene Flächen für Windkraftanlagen-Standorte). Schuld waren natürlich ‚die Anderen‘, sonnenklar. Folge: Unnötiger Zeitverlust, den der Rat bei besserer Steuerung und Ãœberwachung der Verwaltung hätte vermeiden können. Und hier meine ich nicht den Rat als abstrakte Körperschaft, sondern jedes einzelne Ratsmitglied.

    Beispiel Kreis Kleve: Der Kreis hält Aktienanteile an der RWE. Vor Jahren habe ich mal recherchiert, welche inhaltlichen Standpunkte der/die Kreisvertreter auf den Aktionärsversammlungen vertreten. Mein Ergebnis: Der Kreis bestimmt lediglich Personen, die in ein Zwischengremium (Vertreter vieler aktienhaltender Kommunen) entsandt werden. Gedanke dahinter: Die Kommunen sollen auf den Aktionärsversammlungen mit gemeinsamer Stimme sprechen. Jedoch werden diesen Kreisvertretern keine inhalthaltlichen Positionen mit auf den Weg gegeben – sie können also nach Gutdünken und nach ihrer Privatmeinung abstimmen. Hier wird eine Chance vertan, Industriepolitik zielgerichtet mitzubestimmen.

    Was ich auf allen politischen Ebenen vermisse ist der Elan, schon jetzt den rechtlichen Rahmen und Ermessensspielräume für spürbare Veränderungen zu nutzen. Stattdessen wird auf neue Gesetze gewartet.

     
  4. 6

    @Moyland, #4:

    Auch ich habe vor mehreren Jahren spontan bei einer Unterschriftensammlung der Reichswaldinitiative unterzeichnet. Das würde ich heute nicht mehr machen. Aus genau dem Grund, den Sie geschildert haben: Aus Sorge, dass meine Meinungsäußerung von (ich sag’s mal so pauschal) von Gegnern des Ausbaus erneuerbarer Energien missbraucht wird.

    Der Anteil der Windenergie sollte ausgebaut werden! Klar, es gibt auch weniger geeignete Standorte. Hier muss im Einzelfall abgewogen werden. Aber ein viel größeres Hemmnis für den Ausbau der EE ist die in westlichen Industrieländern weit verbreitete NIMB-Mentalität (nimb= amerikanischer Slang, „not in my backyard“) – es oll sich was ändern, aber bitteschön nicht in meiner unmittelbaren Umgebung.

    Ich fände es angebracht, wenn die Anhänger der Reichswaldinitiative einen höheren Anteil ihres Wirkens und ihrer argumentativen Kraft gegen die NIMBs einsetzen würden.

     
  5. 5

    @1+2: Kurz zusammengefasst beschreiben sie genau den Prozess, der durch die GroKo (im Bundestag noch AfD und FDP) das Klimakabinett und die NRW Landesregierung vorangetrieben wird. Unterstützt werden diese demokratischen Institutionen dabei von den Energieriesen- oder auch Monopolisten in dieser Branche.
    Nicht nur im Bundestag wird die Frage diskutiert, wie denn mit den ausgeförderten Windrädern oder PVA verfahren werden soll. da hatten viele auf das neue EEG gehofft, das aber (wie nicht anders zu erwarten?) „hinderlich, ein Deckelungsgesetz“ ist, so Th. Griese, Staatssekretär im Umweltministerium des Landes Rheinland Pfalz.
    Und ja, der Ausbau der erneuerbaren Energien gäbe den Bürger*innen die Möglichkeit, sich von den großen Versorgern zu lösen, sogar noch Geld mit der dezentralen Erzeugung und Versorgung mit Energie und Wärme zu verdienen.
    In der Tat würde das Geld, das durch diese Wertschöpfungskette verdient werden könnte in der Region und damit in der Tasche der Bürger*innen in Kleve oder im Kreis Kleve bleiben.
    Warum so viele Städte und Gemeinden das Spiel immer noch mitmachen? Nun, das liegt unter anderem daran, dass viele Kommunen Aktien von z.B. RWE halten.
    In manchen Gemeinden (siehe Bericht der RP über den Vorschlag der Grünen in Isselburg, einen Klimamanager einzustellen) ist darüber hinaus die Notwendigkeit, klimagerecht zu handeln noch nicht angekommen.
    Wir können unseren Nachfahren nur einen Planeten hinterlassen, auf dem sie leben können, wenn wir als verantwortliche Generation endlich die notwendigen Maßnahmen der Klimaanpassung umsetzen.
    Der Ausbau der erneuerbaren Energie ist Teil des Naturschutzes, so steht es im Gesetz.
    Die Zeit des Redens, ob sich etwas geändert hat, die ist vorbei. Es gibt inzwischen auch genügend Wissen und sich daraus ergebende Maßnahmen, wie wir nur wenig an den Pariser Vorgaben entlang schrappen werden. Die Latte, welche die Klimaziele von Paris uns aufgelegt haben, die haben wir schon längst gerissen.
    Ein Weg, doch noch die Schäden in Grenzen zu halten, das ist die Implementierung etwa einer regionalen Kreislaufwirtschaft auf Basis der erneuerbaren Energien.
    Ein zweiter wäre etwa eine ganz neue Form der Mobilität auch hier bei uns im ländlichen Raum. Das heißt mehr Vorrang für Fußgänger, Radfahrer, Schienenverkehr und ÖPNV; Teilen von Autos, Busse auf Abruf.
    Natürlich heißt das auch, dass die Zeit der Verbrenner (Benzin, Diesel, Gas) endgültig vorbei ist. (Auch wenn ich meinen Diesel toll finde). Der CO2 Ausstoss im Bereich Verkehr hat sich seit 1990, also seit 30 Jahren nicht geändert. Also auch im Verkehr ganz neu handeln.
    Das heißt auch, dass wir uns die Einfamilienhauspolitik nicht mehr leisten können. Wir sind gezwungen, Mehrfamilienhäuser zu bauen. Häuser, in denen junge wie alte Menschen, Familien wie Wohngemeinschaften gut leben können. Weil sie in einer bezahlbaren Wohnung leben. Abgesichert durch kommunale Daseinsvorsorge. Die Klever Bürger*innen garantieren sich gegenseitig eine sichere Existenz hier in Kleve.
    Das heißt auch, dass es kein Haus mehr geben kann, dass zuviel Energie und Wärme verbraucht. Es dürfen nur noch Häuser gebaut werden, die mindestens Passiv-, am besten aber Nullenergiehäuser sind.
    Natürlich muss aber auch die energetische Sanierung bestehender Wohngebäude endlich flächendeckend durchgesetzt werden. Das ist alles machbar. Selbst in Kleve.
    Die Landwirtschaft ist ein wichtiger Posten in der Ãœberführung Kleves zur klimaneutralen Stadt und zum klimaneutralen Mittelzentrum der Region Niederrhein.
    Es gibt viel zu tun. Darüber sollten wir miteinander sprechen. Da hat doch das Reyersche Windrad für gute Energie gesorgt.
    Wer sich über dieses Thema vertiefend informieren möchte, dem möchte ich die Seiten vom Landesverband Erneuerbare Energien (LEE), Agora Energiewende, Energieagentur NRW nahelegen.

     
  6. 4

    @3, Chewgum, oh ja, „Gegenwind“! “

    Gegenwind“, eine der Speerspitzen vieler Desinformationsbestrebungen wie die Dachorganisation „Vernunftkraft“. Dies herzuleiten, würde hier zu weit führen, aber „Gegenwind“ ist m.E. eine von bestimmten Teilen der Industrie (Gas-, Kohle-, Atomkraft) & Klimawandelleugnern gesteuerte Bürgerbewegung, deren Argumente i.d.R. eindimensional, irreführten, schlicht weg falsch sind.

    Sie haben gleich ein gutes Beispiel geliefert:

    Der minimal notwendige Ausbau der Windkraft, als unablässiger Beitrag zu einem technisch erforderlichen Mix aus regenerativen Erzeugern, ist aktuell fast vollständig zum Erliegen gekommen.

    Und deshalb NEIN, den Ausbau der Windkraft gilt es nicht zu entschleunigen (Maske tragen, wozu?) sondern zu beschleunigen!

    Und ja, gerade weil die Windkraft eine der am weitesten entwickelten Technologien ist, die inzwischen konkurrenzlos günstig Energie bereit stellt, steht sie so im Fokus der etablierten, fossilen Energiewirtschaft, also z.B. auch im Fokus von Gegenwind.

     
  7. 3

    „Da könnte jedes Windrad helfen“ … Nein (womit jetzt nicht das Windrad von Hubert Reyers gemeint ist).

    Man sollte Windkraft nicht idealisieren. Nicht jeder Standort ist geeignet, außerdem gibt es auch viele Nachteile.

    Die Initiative „Gegewind im Reichswald“ (keine Windkraftgegner) schlägt vor:

    „Vor allem aber sollte der Ausbau von Windkraft entschleunigt und stattdessen die Weiterentwicklung der Technologie forciert werden. Als Beispiel sei die Fertigentwicklung von Speichertechnologien und eine Verminderung der Beeinträchtigung der Natur (v.a. Tötung von Vögeln und Fledermäusen) genannt.

    Auch im Bereich alternativer Energiegewinnungsformen sind Alternativen denkbar. Hierzu zählen v.a. Stimulierung einer dezentralen Energieversorgung z.B. durch Solarenergie (hierfür Nutzung vorhandener, bereits versiegelter Flächen) und Geothermie“

    http://www.gegenwindreichswald.eu/

     
  8. 2

    @Nachdenker, so ist es!

    Dem von der Energielobby getriebenen Gesetzgeber geht es ohnehin nicht um eine „bezahlbare, günstige“ Energieversorgung oder gar um den Schutz von Vögeln.

    Seit Einführung der „Verordnung zum EEG-Ausgleichsmechanismus (Ausgleichsmechanismenverordnung – AusglMechV)“ im Jahr 2010, 2009 von der FDP schon vor Beteiligung an der Bundesregierung eingebracht, ist klar, wo die Reise hin geht, nachdem sich der Erfolg der Erneuerbaren abzeichnete:

    Die dezentrale Energieversorgung, hauptsächlich in der Hand des Bürgers, klein halten, torpedieren, wo es nur möglich ist, eine weitere Entwicklung hin zu mehr Bürger-Energie behindern.

     
  9. 1

    Tja, durch die EEG haben jetzt doch tatsächlich nicht nur die sehr reichen Bürger, sondern auch schon normale Bürger einen Vorteil gehabt (rentable PV Anlagen). Damit geht der Weg gerade in eine dezentrale Stromversorgung, wo immer mehr sehr kleine Versorger auftreten. Das passt den Großen offenbar nicht und so kommt es nun, das alte Windkraftanlagen (und auch alte PV Anlagen) abgebaut werden sollen, obwohl es technisch problemlos möglich wäre diese Anlagen weiter laufen zu lassen.

    Es ist ja ok, dass man damit keine weiteren großen Gewinne mehr finanziert, das Investment war vor (über) 20 Jahren und sollte sich in den 20 Jahren auch ausgezahlt haben.

    Ökologisch sind hier aber Anlagen, die durch den Weiterbetrieb problemlos (im Vergleich zu anderen Methoden) sauberen Strom liefern. Wirklich sauberen Strom gibt es nicht, nur das geringere Ãœbel. Gerade wenn man bedenkt, dass man versucht woanders weitere derartige Anlagen zu errichten, ist es absoluter Irrsinn diese jetzt abzureißen. Wenn man die Energiewende geschickt macht, dann kann man den Anteil der heftigen Ãœbel (Atom/Kohle/Gas) sehr klein halten.

    Gerade bei einem 27 Jahre alten Windrad werden sich die meisten „Anlieger“ wohl mittlerweile daran gewöhnt haben. Was das Thema Vögel angeht, es sterben rund 180 mal mehr Vögel an Glasscheiben von Gebäuden, als an Windkraft. Und hier ließe sich durch einfache Aufkleber bereits leicht viel erreichen.