Wie eine Mail an spectro beinahe den 3. Weltkrieg auslöste

Kürzlich hatte ich die Idee, mal die nach Mitarbeitern gerechnet größten zehn Unternehmen Kleves (ohne Caritas und Krankenhaus) mit einer Umfrage zu behelligen, wie sich in den Zeiten der Krise die Beschäftigtenzahlen entwickeln, und ob evtl. kurzgearbeitet werde. Das, so dachte ich, ist doch mal echter Leserservice, und auch die Lokalredaktion der Rheinischen Post bekundete ihr Interesse, die Übersicht zu veröffentlichen. Schnell getan, dachte ich weiter, und schickte ein paar E-Mails hinaus in die Welt des freien Unternehmertums, um die weder ehrenrührigen noch Betriebsgeheimnisse offenbarenden Informationen abzurufen. Aber ach! Da hatte ich die Rechnung ohne die Leute gemacht, die nach eigenem Selbstverständnis zur Elite unseres Landes zählen (und sich dementsprechend entlohnen lassen). Für mich die Geglegenheit, die Tradition des Rechercheberichts wieder aufleben zu lassen – wie kommen eigentlich die ganzen schönen Artikel so zustande?

Lesen Sie in dieser Folge: Manfred Bergsch, Geschäftsführer der Fa. Spectro

Spectro, das vom FDP-MdB Paul K. Friedhoff gegründete und mittlerweile zum US-Konzern Ametek gehörende High-Tech-Unternehmen, blickt zwar auf das erfolgreichste Jahr seiner Unternehmensgeschichte zurück, hat aber seit Februar Kurzarbeit eingeführt. Das ist kein Staatsgeheimnis, denn die Presseinformation hat das Unternehmen selbst versandt. Doch als Geschäftsführer Manfred Bergsch meinen Fragebogen erhielt, trieb ihn zunächst anderes um: Woher ich denn seine E-Mail-Adresse habe – fast so, als sei es ein Sakrileg, mit einer schnöden T-online-Adresse in die hermetische Managerwelt einzubrechen.

Nachdem ich dann geduldig erläutert hatte, es sei nicht die ganze große Herausforderung, mit einer Kombination aus Vorname, Punkt, Nachname, @-Zeichen, Unternehmensname und .com-Domain bis zum Ziel vorzudringen, war er vermutlich von meinem Spürsinn beeindruckt und rief mich zurück. Es ergab sich ein freundliches Gespräch, zumal ich meiner zweiten Mail ein paar Zahlen als Appetitanreger hinzugefügt hatte. Dennoch nahm die Unterredung eine schlechte Wendung, so was spüren Journalisten. Bergsch äußerte nämlich zum Abschluss den Wunsch, noch eine Nacht über mein Ansinnen zu schlafen. Das endet in der Regel damit, dass am nächsten Morgen die Absage kommt, meistens schon in aller Herrgottsfrühe, um noch ein wenig mit der Unermüdlichkeit des eigenen Wirkens zu kokettieren.

Am nächsten Morgen um 7.58 Uhr: Pling! Absender: Der nette Herr Bergsch. Lesen überflüssig. Ich hab’s dann aber doch getan. Zitat: „Ich habe mich dazu entschlossen Ihre Daten weder zu bestätigen noch zu dementieren. Von mir gibt es dazu keinen Kommentar, wie es auch von unserer Muttergesellschaft AMETEK Inc. empfohlen wird.“

Da war selbst die SED in Sachen Öffentlichkeitsarbeit weiter, denn die hat immerhin ihre eigenen, wenn auch frei erfundenen Zahlen bestätigt. Und es ist doch immer wieder nett, wie diese Masters of Business Administration sich im entscheidenden Augenblick hinter der geheimnisvollen Zentrale verstecken, so als seien sie urplötzlich die kleinsten Rädchen im Getriebe. (Exkurs: Gerne wird in diesen Zusammenhängen auch das Wort Börsenrelevanz bemüht, um einfach alles zu verschleiern. Nur zur Erinnerung: Ad-hoc-Mitteilungen sind was für DAX-Fetischisten und werden in der Sarbanes-Oxley-Deponie für toxischen Infomüll endgelagert.)

Gesamtbewertung: für ein Millionenunternehmen (Jahresumsatz Ametek: 2,5 Milliarden Dollar) ein reichlich mimosenhafter Auftritt. Wahrscheinlich ist jedoch wieder mit einer aktuellen und superexklusiven Presseinformation zu rechnen, wenn eine Schraube nach Südamerika verkauft wird. (Aber ich werde vermutlich aus dem Verteiler gestrichen.)

Es geht allerdings noch peinlicher.

Lesen Sie in Kürze: Mein 48-sekündiges Gespräch mit Ludger Janhsen, Geschäftsführer der Fa. Loock Erd- und Tiefbau (die mit den roten Baggern)

(Der Fairness halber: Sechs von zehn Unternehmen haben die Zahlen ohne Aufhebens geliefert, bei einem weiteren sind alle Informationen kurz vorher veröffentlicht worden.)

Deine Meinung zählt:

7 Kommentare

  1. 7

    […] Le Journal, da können sie dann ganz umgänglich sein. Allerdings wollte ich die Ergebnisse meiner Klever Arbeitsplatzumfrage nicht in irgendeiner Kneipe einsammeln, sondern ganz seriös am Telefon – in diesem Fall offenbar […]

     
  2. 5

    Hat die Firma DCM Beratungs-GmbH keine eigene Hompage? Ich konnte nichts darüber finden?

     
  3. 3

    @ralf. daute

    Die wichtigste Frage ist doch:
    Hast Du auch dem Geschäftsführer der DCM Beratungs-GmbH, Kleve,
    HRB 9382 um ein Statement gefragt? :-))))

     
  4. 2

    Was eine Ente!

    Erstmal haben 7 von 10 geantwortet. Na und?
    Es haetten auch alle versprechen koennen mehr Leute einzustellen. Dann waer die 3. Hand Luege in der RP zumindest glassklar. So erfinden die lokalen MBAs irgendwelche Nummern, die ihnen von ihren internationalen Bossen gar nicht erzaehlt werden, oder die in spaetestens einer Woche ueberholt sind.

    Trotzdem, bei der Gelegenheit, vielen Dank fuer diesen klasse Blog . Haelt mich auf dem Laufenden von wiet weg… Wenn auch KAG und Sebus nicht die Rolle spielen.

    Pete

     
  5. 1

    Also, ich muss sagen – ganz schön peinlich als Geschäftsführer eines Millionenunternehmen erst nach der Sache mit der E-Mail zu fragen. Herr Daute, da waren Sie aber ein Fuchs ;-), denn bei einer einfachen Suche ist diese wirklich nicht zu finden! Sieht ja aus, als ob er sich verstecken will. Muss er denn?
    Freue mich schon auf den Artikel zum Gespräch mit Ludger Janhsen (48 Sek. spannend. Was das wohl „beinahe“ ausgelöst hätte – den Klever Untergang!?