Wer ist der Vater der Hochschule Rhein-Waal? (Insiderbericht)

(Mit Dank an Eni) Wann kam der Landrat ins Spiel? Welche Rolle spielt eine 10-Zeilen-Meldung in der RP? Und mit wem telefonierte Bürgermeister Theo Brauer? Hier der Bericht eines Insiders…

Die ersten wirklich praktischen Ansätze zur Errichtung eines „Studienortes“ einer Hochschule in Kleve wurden im Jahr 2005 durch einen von der Euregio Rhein-Waal geförderten Business-Winterkurs, getragen von der FH Bochum und der Hoogeschool van Arnhem en Nijmegen an der Wasserburg Rindern, erzielt. Vater dieses Kurses war der ebenfalls im Jahr 2005 aus der Klever Wirtschaft und Politik gegründete „Förderkreis Campus Cleve e.V“. Die Teilnehmerzahl aus jungen berufbegleitend Studierenden betrug rund 25 Personen.

Als dieser Kurs im Jahr 2006 fortgeführt werden sollte (diesmal allerdings ohne Förderung), musste man sich richtig anstrengen, um den Kurs zustande zu bringen (rund 12 Teilnehmer).

Im Jahr 2007 wurde der Kurs mangels Teilnehmerzahl abgesagt. Der Campus Cleve bemühte sich Anfang Januar 2007 beim Wissenschaftsministerium mit einem (aus dem obigen Kurs entwickelten) Curriculum um die Anerkennung und staatliche Finanzierung eines Studienortes einer bestehenden FH, z. B. Gelsenkirchen-Bocholt, in Kleve. Antwort des Wissenschaftsministeriums: „Wir begleiten euch gerne, nur finanzieren müsst ihr die Sache selbst, vom Land gibt es keinen Cent.“

Das war eine klare Ansage, da man auch wusste, dass die Kreis Klever Unternehmen bei solchen Sponsorengeschichten eher „einen Igel in der Tasche haben“. Also erst einmal „aus der Traum“ vom Hochschulstandort Kleve. Dies brachte auch den Förderkreis Campus Cleve in eine ernste Krise, es war sogar von Auflösung des Vereins die Rede.

Im Januar 2008 stand dann eine winzige, zehnzeilige Meldung in der RP: Das Land NRW will neue Hochschulplätze schaffen, sozusagen durch Umschichtung der auslaufenden Steinkohlesubventionen in Bildung (Zitat MdB Paul Friedhoff: „Wir investieren nicht mehr in dunkle Schächte, sondern in helle Köpfe.“).

Theo Brauer rief daraufhin sofort Manfred Palmen an, der eruierte einen Ausschreibungswettbewerb für Mitte des Jahres 2008. Theo Brauer witterte nun seine Chance, Kleve doch noch zum Hochschulstandort werden zu lassen. Er wusste allerdings aus den Erfahrungen von Anfang 2007, dass die Stadt Kleve als einzelner Bewerber zu klein ist, um wirklich ernst genommen zu werden und eine Chance im Wettbewerb zu haben (zu diesem Zeitpunkt schrieben andere größere Regionen schon an ihrer Bewerbung).

Also musste ein potenter und größerer Partner gefunden werden. Da lag der Gedanke sehr nahe, sich an den Kreis Kleve und Landrat Wolfgang Spreen zu wenden. Dieser zeigte sich die erste Zeit überaus zurückhaltend, reserviert, ja gar ablehnend (Begründung: man sei ja schon im Jahr 2007 beim Land NRW mit dieser Idee abgeblitzt). Begeisterung sah zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich anders aus.

Es bedurfte wochenlangen, guten Zuredens von Theo Brauer und seinen Parteifreunden an den Landrat, um ihn zu einem Umdenken zu bewegen. Dann sagte Landrat Spreen aber Mitte Mai 2008 (als die Landesausschreibung für die Neuerrichtung der Hochschulen publiziert wurde) zu, den Kreis Kleve am Wettbewerb zu beteiligen. Die Stadt Kleve „stiftete“ dazu über die Stadtwerke Kleve das Grunstück am Klever Hafen (Gegenwert rund 9 Mio. Euro), der Kreis Kleve sicherte eine Kostenübernahme von 30 Mio. Euro zu. Man holte sich den Hochschulberater Prof. Hanns Seidler, um ein Konzept zu erstellen.

Nachdem nun andere Kreis-Gemeinden „witterten“, dass es der Kreis und die Stadt Kleve tatsächlich ernst mit der Bewerbung meinten, wollten auch Emmerich am Rhein, Goch und Geldern plötzlich Hochschulstadt werden. Man erreichte aber schließlich einen zumindest akzeptierten kommunalen Konsens für die Bewerbung des Kreises Kleve mit Standort Stadt Kleve und ging so in die gemeinsame Bewerbung.

Der Rest ist ja nun hinglänglich bekannt.

Zur Frage, „wer ist nun der ‚Vater‘ der Hochschule Rhein-Waal in Kleve?“ kann man Folgendes antworten: Die ersten praktischen Versuche unternahm Theo Brauer als Klever Bürgermeister und Josef Joeken als Vositzender des Förderkreises Campus Cleve. Diese beiden mussten den Landrat Spreen sozusagen erst „zum Jagen tragen“. Die Bewerbung letztendlich umgesetzt hat Landrat Spreen bzw. der Kreisverwaltung Kleve mit größter Unterstützung von Theo Brauer und der Stadtverwaltung Kleve sowie parteiübergreifend die Stadt- und Kreispolitik.

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22 Kommentare

  1. 22

    Landrat Spreen lässt sich heute gern als „Vater“ der Hochschule feiern. In Wirklichkeit war seine Rolle in der Anfangsphase außerordentlich unglücklich. Er selber hat ja in seinen Interviews vor wenigen Tagen seine damalige grundsätzliche Skepsis noch einmal betont. Schlimmer aber noch: Gerade Spreen drohte die von der Stadt Kleve so einmütig herbeigesehnte Hochschulgründung komplett zu torpedieren!

    Zu den Fakten: Unmittelbar nach Bekanntwerden der Absicht der Landesregierung, fünf neue Hochschulen in NRW zu errichten, stellte die grüne Kreistagsfraktion den Antrag, in Düsseldorf als Bewerber den Hut in den Ring zu werfen. Ich selber habe den Antrag Anfang 2008 im Schul- und Kulturausschuss des Kreistages eingebracht und begründet.

    Was passierte? Zu meinem Entsetzen widersprach Spreen dem Antrag. Eine Bewerbung sei völlig aussichtslos und lohne nicht die Mühe, war sein Credo. Und was die CDU heute nicht mehr gerne hört: Die gesamte CDU-Fraktion im Ausschuss folgte Spreen und lehnte den Antrag mit ihrer Mehrheit in Bausch und Bogen ab.

    Damit war eine folgenschwere Blockadesituation entstanden: Die gesamte Stadtspitze in Kleve einschließlich aller Fraktionen und des Campus-Fördervereins waren bereit, die einmalige historische Chance zu nutzen, das großzügige Angebot zur Neugründungen zu nutzen. Geradezu euphorisiert wollte man alle Hebel in Bewegung setzen, Kleve zum Hochschulstandort zu machen. Aber Landrat und Kreisspitze schalteten auf stur! Und nur der Kreis war antragsberechtigt. Das Zeitfenster für die Bewerbung in Düsseldorf wurde immer enger.

    Erschwerend kam hinzu, dass zwischen Klever CDU-Spitze (Brauer) und Landrat Spreen zu der Zeit „absolute Funkstille“ herrschte. Verzweifelt wurde versucht, die Kreis-CDU mit ins Boot zu holen und die verhärteten Frontenaufzuweichen. Großes Lob gebührt dabei Michael Bay, Ute Sickelmann und Anne Peters, denen es gelungen ist, die Fraktionsvorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion, Ulrike Ullrich, als Bündnispartner zu gewinnen. Erst nach langer Ãœberzeugungsarbeit vermochte es Ulrike Ullrich, die gesamte Kreistagsfraktion mit einzubinden und ins gemeinsame Boot zu holen. Die Kapriolen, die zwischendurch geschlagen wurden, sind ja schon erwähnt worden – nachdem die CDU erst gar nichts von einer Hochschule wissen wollte, wollten plötzlich alle eine haben: Emmerich, Goch, Geldern usw…
    Gottseidank hat man sich dann ja doch noch geeinigt. Lokale Egoismen und Eitelkeiten wurden beseitigt, man einigte sich auf die Kreishauptstadt. Und nun konnten die Verbindungen nach Düsseldorf genutzt werden. Und natürlich auch die von Paul Friedhoff zum FDP-Wissenschaftsministerium.

    Wie sagte schon der Soziologe Max Weber: „Politik ist das lange und langsame Bohren dicker Bretter. Sie erfordert Leidenschaft und Augenmaß.“ Und wie man hinzufügen muss. Manchmal braucht man auch ein bisschen Glück!

    P.S. Gerne gönne ich Landrat Spreen morgen seinen großen Auftritt!

     
  2. 21

    Da fällt mir noch ein – und das ist Fakt – dass da ein Hr. Hendricks aus Goch-Asperden bereits seit den 80ern ( ewige Dispute mit Kreisdirektor; später Oberkreisdirktor und dann erster Landrat, Rudolf Kersting) eine Hochschule für Kleve, stets sehr gut argumentiert und geplant, forderte – und stets abblitzte.
    Seinen, Hr. Hendricks, Aussagen zu Folge soll sich Landvogt Spreen dann in 2009 bedankt haben für die Vobereitung einer gelungenen Basis für die Präsentation/ Argumentation einer Hochschule in Kleve – auf die Nachfrage eines Salärs allerdings gab’s wohl nur die Antwort: „Steht da ihr Name unter den Papieren…?“

     
  3. 20

    @JUH: „Könnte es sein, dass die Stadtwerke nur ein verlängerter Arm der Stadtverwaltung sein könnten – um Ratsentscheidungen zu „umgehen”, z.B. beim Super-Kombi-Bad…?“

    Antwort: Ja!

     
  4. 19

    Sehr geehrter Herr Daute,

    Respect vor Ihrer journalistischen Arbeit, mir bleibt der Atem stehen (nur kurz). Dann packt mich die Wut, weil kleves journalie so etwas nicht drauf haben.

     
  5. 17

    @ Müller, #1: Ist mir doch egal – ich wollte es nur mal geklärt haben. Fakten sind Fakten und werden, auch von mir, so hingenommen.

    Bedenkenswert ist, dass mal eben 9 Mio Euro an Werten – dazu noch spektakulär „indirekt“ via Klever Stadtwerke – ins Spiel gebracht werden…
    – Wer zahlt dieses „Engagement“ wohl mit welchen Gebühren für z.B. Wasser, Strom etc. …?!
    – Es scheint ein leichtes zu sein mal eppkes 9 Mio für eine Hochschule zu investieren ( was ja grundsätzlich in Ordnung sein mag); jedoch veranstaltet man einen Zinnober ohne Gleichen um 500.000 Euro im Jahr für Schülerfahrtkosten den Eltern auf’s Auge zu drücken ( „Schokoticket“).
    – Einerseits legt man strikt Wert auf Trennung zwischen Stadtwerke und Stadt – nun aber soll der 9 Mio Vermögenswert der Stadtwerke ein Beitrag der Stadt sein…
    Dann aber auch die Mio-Verluste der Stadtwerke aus den von der Stadt auferlegten Parkhäusern, oder was…?!
    – Könnte es sein, dass die Stadtwerke nur ein verlängerter Arm der Stadtverwaltung sein könnten – um Ratsentscheidungen zu „umgehen“, z.B. beim Super-Kombi-Bad…?

     
  6. 16

    @Bay:
    Folgt auf Ihr (…) jetzt auch mal was konstruktives? Würde mich im Bezug auf Sie sehr positiv wundern!!! Oder etwa Schiss, es sich mit CDU zu verscherzen?

     
  7. 15

    Mit seiner Art -und das kann Theo nun mal- hat er wahrscheinlich die Sache entscheidend mit beeinflusst. Gut gemacht, Theo!

    Schlimm ist, wie sich das Bild von unserem Landrat bestätigt, das mir schon länger große Sorgen macht. Abgeleitet auf wichtige Themen, wie z.B. Reaktivierung Bahn, können wir nur noch für den Niederrhein beten oder muss Theo wieder ran?

     
  8. 13

    @Ralf

    Du schreibst u.a. „Die Stadt Kleve „stiftete” dazu über die Stadtwerke Kleve das Grundstück am Klever Hafen (Gegenwert rund 9 Mio. Euro)“…

    Da gab es aber noch eine sympathische Grundbesitz GMBH eines noch sympathischeren Investors, welche das Gelände des ehemaligen NOVA-Möbelmarktes bis, wenn ich es noch richtig habe, zum Ring ihr eigen nannte. Hat sie (er) dieses Grundstück, auf welchen ein Hotel mit Wasseranbindung gebaut werden sollte auch selbstlos gestiftet ODER haben die Stadt und die besagte Firma (er) etwa…… 🙂

     
  9. 9

    … aber man sollte das dynamische Duo, bestehend aus Landrat Wolfgang Spreen sowie seinem Vetreter Wilfried Suerick nicht unterschätzen.

     
  10. 6

    @RD
    Alter politischer Trick. Man muss den Leuten ein Märchen nur lang genug erzählen. Irgendwann glauben Sie es dann.

     
  11. 5

    Nah dran ist auch daneben und die Aufteilung zwischen Kleve und Düsseldorf war so klar auch nicht. Es treten plötzlich Menschen in den Vordergrund, die nicht dort hingehören. Außerdem ist die frage nach dem Vater vielleicht auch zu einseitig.

     
  12. 4

    @Michael Bay
    Dann wollen wir alle gerne mitschmunzeln und die Bay’sche Variante der Vatergene unserer Hochschule hier lesen.
    So wie es aussieht haben die ansonsten so in die Kritk geratene Klever-CDU-Seilschaft, die Kreis- und Stadtverwaltung mit der Hochschule in erstaunlich kurzer Zeit etwas für uns heute ungewohnt widerspruchfreies Großes geschaffen.

     
  13. 3

    @Michael Bay Der gute Mann (?) war schon sehr nahe dran, glaube ich. Andererseits hat die Geschichte natürlich noch einen zweiten Strang, nämlich den, was in Düsseldorf (Palmen/Pinkwart) passiert ist. Dieser Teil der Geschichte harrt noch einer Beschreibung. Mal sehen, vielleicht gelingt es mir ja am kommenden Freitag, einen der Herren zu erhaschen…

     
  14. 2

    So ganz Ahnung hat der Insider aber nicht, lieber Herr Daute. Ich mußte jedenfalls sehr häufig schmunzeln. Zum Beispiel über die Rolle des Herrn Palmen und anderer von Ihnen genannten Menschen.