Unnötigerweise fast verblutet

Leidvolles Geschehen vor der Chemiefabrik: Blick nach Emmerich
Leidvolles Geschehen vor der Chemiefabrik: Blick nach Emmerich

Als Richter Jürgen Ruby von dem Zeugen wissen wollte, wie er heute über das Geschehen vom Juli des vergangenen Jahres an der Rheinpromenade denkt, fiel diesem nur ein Wort ein: „Unnötig.“ Die Ereignisse hätten den stattlichen Mann fast das Leben gekostet, nur eine fünfstündigen Operation im Emmericher Krankenhaus verhinderte, dass er an den Folgen mehrerer Stichverletzungen verblutete. Und, diese Ereignisse, die fast tödlich endeten, waren in der Tat – unnötig.

Unnötig aber ist keine juristische Kategorie, und so muss das Schwurgericht am Landgericht Kleve unter Vorsitz von Richter Ruby versuchen, das richtige Strafmaß für die Tat zu finden. Versuchter Totschlag und schwere Körperverletzung im Zustand verminderter Schuldfähigkeit, meint die Staatsanwaltschaft.

Mehrere Verhandlungstage sind angesetzt, auf der Anklagebank sitzt Oksana Ö., 45 Jahre alt. Daran, dass sie zugestochen hat, gibt es keinen Zweifel: Sie selbst ließ das Tatgeschehen, so weit sich erinnert, von ihrer Anwältin Zimmermann vortragen, und sie beteuerte mehrfach, dass es ihr „unendlich leid“ tue. „Ich wollte ihn nicht verletzen. Wahrscheinlich habe ich meinen besten Freund für immer verloren.“

Bevor Oksana, eine gebürtige Ukrainerin, in der Klever Schwanenburg schilderte, wie die Dinge in der lauen Sommernacht eskalierten, blickte sie – mehrfach von Weinkrämpfen geschüttelt – auf ihr Leben zurück. Tierärztin wollte sie in ihrer Heimat werden, sie begann wohl auch ein Studium, fand es aber ekelhaft, Frösche zu sezieren. So landete sie als Arbeiterin in einer Fabrik.

Sie siedelte Deutschland über, heiratete einen Kurden, „aber die Ehe war nicht das Richtige“. Er eröffnete eine Gaststätte, sie putzte und kellnerte. „Ich musste erdulden viel“, sagte sie. Dann lernte sie in dem Lokal einen jüngeren Mann kennen, der sie vor die Entscheidung stellte: „Ich oder dein grausames Leben.“ Sie zog aus.

Das Leben aber blieb grausam. Oksana Ö. verfiel dem Alkohol, ihre in der Ukraine gebliebene Tochter versuchte den Niedergang aufzuhalten: „Mama, du wirst schäbig aussehen!“ Die Mutter jedoch hatte sich schon aufgegeben: „Ist doch schon passiert.“
Zu den Motiven des Konsums von Alkohol, Cannabis und Beruhigungstabletten gefragt, antwortete die Angeklagte: „Ich wollte mich ausschalten. Nicht denken, Hauptsache aus.“

Nach einem Streit mit dem Lebensgefährten rief Oksana ihren Kumpel S. an. Die beiden verabredeten sich an einem abgelegenen Plätzchen am Rhein in der Nähe der Chemiefabrik. S. hatte sich dort bereits mit einem angelnden Freund getroffen; Oksana sollte hinzukommen und dort in entspannter Atmosphäre ihr Herz ausschütten.

Sie hatte allerdings zuvor schon ihren Mix aus Alkohol, Cannabis und Beruhigungstabletten konsumiert. S. hatte noch zwei Sixpacks Bier, zwei Flaschen Rotwein und eine Flasche Erdbeerbowle mitgebracht. Zunächst verlief der Abend wie geplant, dann aber echauffierte Oksana sich über ihren Hund Miro, der aus ihrer Sicht ungehorsam war und schleuderte das Tier wutentbrannt ins Gebüsch.

S. schritt ein, Oksana zertrümmerte eine Weinflasche und stieß den Flaschenstumpf in Richtung ihres Bekannten. S. gelang es noch, seinen Arm zum Schutz hochzureißen, so dass die Flasche über eine Länge von 25 Zentimetern den Arm aufschnitt und eine Schlagader traf.

Stark blutend rannte S. davon, geriet in einem Brombeergestrüpp ins Stolpern und stürzte. Oksana holte ihn ein und stach noch zweimal in den Rücken, ehe der Anglerfreund sie fortriss und erste Hilfe leistete. Oksana rieb sich unterdessen mit Blut aus der Blutlache ein, leckte sich die Finger ab und machte Liebesbekundungen.

Vor Gericht erweckte S. den Eindruck, die Tat mittlerweile gut verarbeitet zu haben. Allerdings schlafe er nachts manchmal unruhig. Die Angeklagte betrachtete die Ereignisse als Wendepunkt in ihrem Leben: „Ich habe angefangen, mich selbst zu zerstören. Jetzt werde ich kämpfen, arbeiten, so dass ich mehr Geld in die Ukraine schicken kann, und ich werde ins Fitnessstudio gehen. Ich werde nie wieder Alkohol trinken.“ Ihrem Opfer schenkte sie am Ende des ersten Verhandlungstages das Neue Testament.

Der Prozess wird am 14. Februar um zehn Uhr mit der Befragung weiterer Zeugen fortgesetzt.

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9 Kommentare

  1. 9

    Inhaftierte ausländische Straftäter sollten direkt abgeschoben werden. Das reduziert die Staatskosten und schafft der Justiz den nötigen Freiraum.

     
  2. 8

    4. Markus ) Geschlossene ? Von der Kohle könnten hier min. 3 vom Staat betrogene Rentner in Freuden leben. Viel besser großzügige Verträge mit der Justiz in der Heimat der „Dame“ machen.

     
  3. 7

    Deutschland Tätereldorado
    Die Täterin kann doch noch von Glück sprechen ihre niederträchtige Tat in der BRD verübt zu haben und kann so zum einen auf einen verständnisvolle Staatsanwaltschaft setzen (siehe versuchter Totschlag) und verständnisvolle Richter mit einem dann milden Strafmaß sicherlich rechnen!
    Hätte Sie das selbe Delikt in der Ukraine verübt, wäre sie nach deren Justizverständnis wegen Mordversuches angeklagt worden und hätte vermutlich dafür zwischen 20-30 Jahren hinter Gitter in einem ukrainischen Gefängnis einsitzen müßen.
    Dann doch lieber die First Class Behandlung (im Gegensatz zu einem ukrainischen Strafvollzug) in einem deutschen Strafvollzug mit allen Annehmlichkeiten! Straftäter was möchtest du mehr.

     
  4. 6

    Milde Strafe, warum? Der Mann hat Glück, dass er noch lebt.

    „Sie wollte ihn nicht verletzen” – is klar

    Warum Opfer? Zwischen Tierärztin und Fabrikarbeiterin hätte es doch vielleicht noch andere Alternativen gegeben. Falsche Partner sucht man sich auch selber aus. Alkoholkrank – ja, schlimm, wie bei so vielen.

    Da gibt es weit schlimmere Schicksale und die Leute greifen niemanden an.

    Milde Strafe? Nein! Eine ganz normale Strafe unter Berücksichtigung der verminderten Schuldunfähigkeit.

    Und gerne Abfahrt in die Heimat.

     
  5. 4

    Hört sich nach einem vorläufig unbefristeten Aufenthalt in der Geschlossenen an.

     
  6. 2

    @1. Dietmar Shields

    Straftäter, in diesem Fall Frau Oksana, sollten verurteilt und sofort abgeschoben werden.

    In welchem Gefängnis möchte Frau Oksana so viel arbeiten, dass sie mehr Geld in die Ukraine schicken kann.
    Ja, Fitness könnte sie auch im Gefängnisstudio betreiben……

     
  7. 1

    Na gut tolle Showeinlage vor Gericht,
    Aber wer soll Frau Oksana denn nun abnehmen das dieses Ereigniss nun ein Zitat „Wendepunkt in ihrem Leben” darstellt?
    Was für eine Show vor Gericht, clever vom Strafverteidiger eingestiehlt.
    Zitat „Jetzt werde ich kämpfen, arbeiten, so dass ich mehr Geld in die Ukraine schicken kann, und ich werde ins Fitnessstudio gehen. Ich werde nie wieder Alkohol trinken.“ Ihrem Opfer schenkte sie am Ende des ersten Verhandlungstages das Neue Testament. Zitatende

    Ist dem User schon mal aufgefallen, dass das in vielen Gerichtsverhandlungen so abläuft wie jetzt bei dem oben geschilderten Fall, stehen die Beklagten wenn sie erwischt werdne vor Gericht, dann sind die Täter auf einmal alle geläutert.
    Das hat ja schon fast Methode wie die Strafverteidiger immer wieder versuchen bei Gericht ihre Straftäter dann in ein „gutes Licht” vor dem Gericht zu stellen oder glaubt wirklich jemand so eine zugedröhnte Person die auch noch mehrmals als das Opfer schon hilflos im Gebüsch auf dem Boden lag auf dieses einstach, komme von selbst auf einmal auf solche Formulierungen und Aussagen, im Leben nicht, das ist billige Show um ein geringeres Strafmaß zu erreichen, hier soll im Nachgang versucht werden die Richter in der Urteilsfindung milder zu stimmen.
    Für solche Täter hilft nur, die volle Härte der Rechtsprechung und der Strafprozessordnung auszunutzen, die Strafe verbüßen lassen und nach der Verbüßung der Haftzeit am Tage der Entlassung umgehend in Abschiebehaft und in die Urkaine ausweisen.

    Wir haben schon genug gedultete Kriminelle hier, da sollten wir ausländische Straftäter nach dem verbüßen der Haftzeit umgehend von dem Haftanstalttor in die Flieger der jeweiligen Länder setzen, in diesem Fall in den Flieger der UIA (Ukraine International Airlines) und in die Ukraine abschieben.
    Dort kann sie sich ja dann auch um ihre Tochter kümmern.