Sternstunden der Heimatdichtung

Zwei Fahrradfahrer kommen
aus einem diffusen Licht
heraus
scheinbar langsam
auf den Betrachter zu.

Sie wirken
wie in einer Traumsequenz,
die Umgebung ist
verschwommen,
rechts werden sie
von einem Pkw überholt,
ein anderer Pkw kommt
aus dem Hintergrund.

Die Stadt
könnte Kleve sein,
es könnte aber auch
eine Großstadt sein.

Eigentlich ist das Bild
ein Sinnbild,
eine kurze Wahrnehmung,
die sich einbrennt.

Die Arbeit ist streifig,
wie rau,
obwohl sie unter Glas liegt.

(Matthias Grass, 2019)

Das meint der Kritiker: In nur fünf Strophen entwickelt der Dichter ein dystopisches Bild des motorisierten und nicht motorisierten Straßenverkehrs in einer Stadt, die so merkwürdig diffus bleibt wie alles andere auch. Es könnte Kleve sein, es könnte aber auch eine Großstadt sein. Nichts ist, wie es scheint. Von irgendwoher kommen Autos. Es sind gleich zwei, und sie werden bürokratisch-technisch als „Pkw“ bezeichnet. Der Tod, ein Ingenieur aus Deutschland. Beklemmend. Und diese Beklemmung brennt sich ein. Das schmerzt. Fast unwillkürlich entsteht in der Nase des Lesers eine Ahnung des Geruchs von verbranntem Fleisch. Dann, in der letzten Strophe ein überraschender Wechsel der Perspektive, eine Distanzierung von der Wirklichkeit, die sich dem Betrachter „streifig, wie rau“ dargeboten hat. Alles liegt unter Glas. Wie Schneewittchen. Gespenstisch. Fünf Sterne.

Quelle: Moderne Malerei am Niederrhein(Rheinische Post, 9.2.2019)

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2 Kommentare

  1. 1

    Seit wann kann man Kleve in die Richtung einer Großstadt stellen. Kleve ist ein „Hochschuldorf“. Auch mit dem politischem Möchtegerngetue und allen anderen überdimensionalen Ansichten mancher, sich selbst überschätzenden Menschen.

    Aber ich finde die Aktionen von Frau Rexing sehr gut, nur hätte man einen Kunstverständigen zu Wort kommen lassen sollen.