St. Martin aktuell: Sind es noch Weckmänner oder schon Mutanten?

Gelebte Vielfalt aus dem Klever Bäckereiwesen: Weckmänner auf Kegeltour (Fotorecherche: H. Marquardt)
Gelebte Vielfalt aus dem Klever Bäckereiwesen: Weckmänner auf Kegeltour (Fotorecherche: H. Marquardt)

Kürzlich postete ein Redakteur von Antenne Niederrhein in einem bekannten sozialen Netzwerk das Bild eines Weckmanns, der aussah wie ein gefoltertes Milchbrötchen mit Pockennarben. Ich war schockiert! Hat denn nichts mehr Bestand?

Das verlangt investigativen Journalismus, wie ihn hierzulande nur noch kleveblog zu liefern imstande ist. Und so klapperte ein verdienter Mitarbeiter am Samstagmorgen sämtliche Bäckereien der Stadt ab, vom „Ideenbäcker Scholten“ an der Materborner Allee bis hin zu Reffeling an der Großen Straße. Erstes Ergebnis: Es gibt im Grunde nur noch sechs Bäckereien, ein Trend den kleveblog 2009 enthüllte und in Form eines tragischen Gedichts veröffentlichte: Requiem auf 7 Klever Bäcker.

Die Recherche deckte nun aber weiterhin auf, dass das Traditionsgebäck, das bei uns an St. Martin erinnert, in anderen Regionen aber auch an den heiligen Nikolaus gemahnt (bei der Pfeife handelt es sich eigentlich um einen umgedrehten Bischofsstab) durchweg von ausgezeichneter Qualität ist. Zur Verfeinerung des Verzehrs empfiehlt sich entweder die Zugabe von guter Butter oder von gutem Nutella. Oder von beidem.

Allerdings dürften Hefeteigästheten bei der Optik nicht immer auf ihre Kosten kommen. Zwar fiel keines der getesteten Produkte so erschreckend schlecht aus wie das Beispiel von Antenne Niederrhein, aber zwischen den drei vorbildlichen, anatomisch zwar nicht auch immer hundertprozentig menschenähnlichen Erzeugnissen aus den Häusern Reffeling (Mitte), Heicks & Teutenberg (links daneben) und Scholten (rechts daneben) und den anderen Produkten gibt es Unterschiede wie zwischen Hollywood und Bollywood.

Insbesondere bei den Augenpartien gibt es durchweg Schwächen. Vielleicht sollte die Bäckereiinnung bei der Ausbildung des Nachwuchses hier noch einmal nachbessern und die Meister dazu verpflichten, Lehrlinge in der fachmännischen Applikation von Rosinenaugen zu unterrichten. Sonst machen das hinterher auch noch Roboter!

Die Preise bewegten sich zwischen 1,65 € (Derks) und 1,99 € (Büsch), wobei der braune Hüne von Büsch, der links im Hintergrund lauert, mit einem Gewicht von 233 g auch der schwerste in der Runde war. Ein ausgesprochenes Leichtgewicht war hingegen der Teigheilige von Derks, der gerade einmal 112 g auf die Waage brachte.

Was dieser Unterschied bedeutet, ergibt sich erst bei Großeinkäufen: Wenn Sie mit 1000 € zu Büsch in EOC gehen und Weckmänner bis zum Abwinken ordern, kommen Sie am Ende mit Teigprodukten mit einem Gesamtgewicht von 117,085 kg nach Hause. Für dieselben 1000 € erhalten Sie bei Derks gerade einmal 67,888 kg Weckmannmasse.

Interessanterweise hatten alle Hefeteigkerle eine kleine Tonpfeife (ausgenommen Derks), obwohl ich fest der Ansicht war, dass dies in Vollkaskodeutschland überhaupt nicht mehr möglich ist, wegen verschluckbarer Kleinteile und so. Tradition schlägt Assekuranz.

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26 Kommentare

  1. 26

    Nachtrag

    Den blödesten aller Weckmänner hab ich heute am Hbf Bonn gesehen. Ein Nachzügler und vielleicht gar kein richtiger Weckmann, denn auf dem Schild stand „Martinsmann“ … auf die Frage, ob das denn jetzt ein Weckmann sei, sagte der Verkäufer in gebrochenem Deutsch: „Ja, ja, Weckmann, gibt so zwei, drei Namen“. Ach so. Den dritten Namen hätte ich gerne erfahren, hab aber nicht weiter gefragt. Als ich den Mutanten, den wahrscheinlich ein Virus befallen hatte (die Arme waren nur angedeutet, dafür gab es aber drei ‚Knopflöcher‘ und etwas Kopfähnliches), nicht kaufte, guckte der Mann enttäuscht.

     
  2. 25

    Eine mutation hat er ja schon hinter sich die pfeife war nämlich ein bischofsstab da diese ausgingen nahm man eindach die pfeife auch weil man merkte das die kinder viel lustiger fanden det weckmann war also der heilige nikolaus

     
  3. 24

    @23 laloba
    hier zeigt sich doch die Diskrepanz zwischen Anspruch und Akzeptanz.
    rd bewertet in seinem vorletzten Abschnitt ja auch wieder alle nur nach Preis/Masse.
    Und da bleibt dann halt Ästhetik und Geschmack auf der Strecke.
    Nicht vorzustellen, wenn man das mit des deutschen liebstes Kind täte.
    Autobewertung in Euro pro kg

     
  4. 23

    @22 Schön geformte Weckmänner haben was Beruhigendes in dieser unruhigen Welt 😉 … aber wahrscheinlich ist der erhöhte Druck in der Arbeitswelt auch im Bäckerhandwerk angekommen

     
  5. 22

    Man darf bei aller Meckerei über die Formen nicht vergessen, das es immer noch alles Handarbeit ist. Ich weiß nicht, wie es aktuell aussieht, aber zu meiner zeit während der Bäckerausbildung gab es keine Maschine, die Weckmänner machen konnte.
    Außerdem sollte man bedenken, wieviel tausend Weckmänner in dieser Zeit produziert werden müssen, da kann man einfach nicht mehr auf perfekte Anatomie achten, Quantität statt Qualität.

     
  6. 21

    @18

    kann ich nicht gänzlich ausschließen.

    Jedenfalls aber ist die Lieblosigkeit, mit welcher die Weckmänner heut zu Tage durchweg „hingerotzt“ werden zum k*****.

    In meiner Jugend haben alle klever Bäcker schöne und vor allem der Gestalt nach erkennbare Weckmänner zu Stande gebracht.

     
  7. 19

    @4

    Auch, wenn das so sein sollte unterscheiden sich die WMänner aus Schneppenbaum und der vom (evtl.) selben Bäcker hier oben, wie schwarz und weiß …

     
  8. 16

    @9 … eigentlich war es nicht ernst gemeint

    … aber wenn man die Augen ein bisschen zusammen kneift 😉

     
  9. 14

    Gibt es eigentlich noch keine EU-Normierung zum erforderlichen Maximal-und-Minimal-Bodymaß-Index, der Mindestgröße, dem Kopfumfang etc. von Weckmännern?

    Wenn nicht, dann wird es langsam mal Zeit, nicht wahr?

     
  10. 13

    @10. Rainer

    die werden wohl eher aus Ton sein .. und wie Alles an Massenartikeln aus einem Billiglohnland.
    Interessant ist aber doch was ganz anderes:
    Plastiktüten sind pfui …. weil Vergeudung von Rohstoffen , Müllproblematik ….

    Diese Pfeifen, die kein Mensch braucht, die in der Herstellung(Brennofen) und Transport kostbare Rohstoffe verbrauchen und unvermittelt im Müll landen und den Weckmann nur unnötig teurer machen ….

    Und was ist der Hintergrund?
    http://www.derwesten.de/nrz/staedte/duesseldorf/wie-der-weckmann-zur-pfeife-kam-id8652338.html

    St. Martin soll das Fest nicht mehr genannt werden, politische Korrektheit … aber über den Traditionsmüll regt sich keiner auf.

    Ãœbrigens, aus der gleichen Kategorie stammt der Protest gegen den Zwarte Piet (analog : Knecht Rupprecht)… Diskriminierend finden hier einige Zeitgenossen dunkler Hautfarbe und überkorrekte Politiker .
    Was lese ich da auf der Website von Omroep-Gelderland , http://www.omroepgelderland.nl/nieuws/2121116/Winssenaar-op-Curacao-verbijsterd-over-pietendiscussie

    Alles Ansichtssache also.

     
  11. 12

    Meanwhile in Fürth muss der Martinszug ausfallen, weil PEGIDA für den erhalt der christlichen Werte demonstriert.

    Gut das wir so flachgipspfeifen hier nicht zu haben scheinen. Man stelle sich eine KLEGIDA vor, klingt wie eine Comedyveranstaltung

     
  12. 11

    >“Vollkaskodeutschland ….. Tradition schlägt Assekuranz.“

    Rd, Hervorragend auf den Punkt gebracht.

    Natürlich entwickelt sich eine Gesellschaft weiter, aber ob jede Richtlinie, Gesetz, Verordnung zur scheinbaren Verhinderung von Schaden sein muss, wäre auch hier mal eine Grundsatzdisussion wert.

    Man gerät dabei leicht in Gefahr, als Förderer des Leichtsinns abgestempelt zu werden. Aber ob die Verordnung, in Zukunft in jedem Zimmer Brandmelder zu installieren, wirklich mehr Sicherheit bringt, müsste mal ernsthaft diskutiert werden.

    Die Wahrscheinlichkeit, hierzulande durch Rauchgasvergigftung im eigenen Haus gefährdet zu werden oder gar zu sterben, ist doch vergleichsweise gering.

    Mindestens ebenso hoch dürfte aber in Zukunft die Wahrscheinlichkeit sein, dass ein in jedem Rauchmelder integriertes Mikrtofon direkt mit der NSA in Fort Meade verbunden ist. Stasi reloaded.

    🙂

    Sehr schön hat diesen Sicherheitswahn der Kabarettist Jürgen B. Hausmann auf dem Punkt gebracht:
    “ Sonne neue Waachen, der piept ja dauernd…. ‚Piep-piep-Piep‘ – Tür nicht jeschlosssen.
    Früher hättste für ne Ford Taunus jesacht:‘ Watt jeht dich datt an?? Wer sacht denn datt ich middene zuene Tür fahren will?“

     
  13. 9

    Ich möchte da laloba widersprechen, die von Negans Lucille bearbeiteten Körperteile sahen schon ein wenig anders aus. An eine Gipspfeife kann ich mich auch nicht erinnern. Wieso hat der überhaupt eine Gipspfeife? Zu Martins Zeiten gabst doch nichtmal Tabak hier

     
  14. 5

    Als Kinder massiv Linden Blätter und Tabak in den Tonpfeifen geraucht, Finger und Lippen verbrannt aber hauptsächlich Pfeife geraucht. In der Unterstadt Schule hatten die Weckmänner danach keine „Pfeifen“ mehr.

     
  15. 4

    Beobachter,

    mit „Traditionsbäckerei in Schneppenbaum“ ist wohl nichts. M.W. werden dort Backwaren von Derks verkauft!

     
  16. 3

    Bei einer Traditionsbäckerei in Schneppenbaum (keine „Kette“) sahen der Weckmänner aus, als wären sie aller magersüchtig. Dagegen ist selbst der kleine, pfeifenlose Kerl von Derks noch adipös …

     
  17. 2

    Es heißt auch nicht mehr St. Martin sondern Sterne und Lichterfest. Also von daher alles in Ordnung.??

     
  18. 1

    Bei dieser Art von „Weckmännern“ wird es hier bald vor Schreck keine „Martinsgänse“ mehr geben…… 😉