So haben Sie die Klever Kirmes noch nie gesehen!

Gottesdienst im Autoscooter (Foto © Dirk Janßen)
Gottesdienst im Autoscooter (Foto © Dirk Janßen)

Normalerweise krachen auf der blanken Metallfläche die Wagen des Autoscooters ineinander, Teenies kreischen, während aus den Lautsprechern rhythmusbetonte Musik wummert. Doch am Dienstag Vormittag war alles anders: Auf Bierbänken, unter einer gespannten Plane, saßen 50 Frauen und Männer andächtig versammelt – und beteten. Es ist der Gottesdienst der Schausteller, eine Messe, gehalten vom Reisepfarrer Sascha Ellinghaus…

Schausteller sind traditionsbewusste Menschen, und für den Erfolg eines Jahrmarkts ist seit jeher das Wetter entscheidend. Da kann man ruhig schon mal beten. »Schausteller wissen Glauben mehr zu schätzen«, so Ellinghaus. Er hat seine Gemeinde in ganz Deutschland verteilt: Von der Trauung zweier Zirkusleute bis hin zur Taufe von Schaustellerkindern betreut er deutschlandweit das Familien von Jahrmarktsbeschickern und Zirkussen.

Für Ellinghaus bedeutet das: Autobahn, viel Autobahn. Woche für Woche legt er Hunderte von Kilometern zurück, um sich um seine Schäfchen zu sorgen. »Es gibt viele nicht beeinflussbare Faktoren in diesem Beruf, dadurch haben die Menschen offenere Ohren«, so Ellinghaus weiter. Der Gottesdienst während der Klever Kirmes ist bereits eine alte Tradition – sogar Bürgermeister Theodor Brauer nimmt jährlich daran teil. „Das ist eine Tradition, die man pflegen muss!“, so Brauer beim sich an den Gottesdienst anschließenden Frühstück im Café Wanders. kleveblog ist eines der wenigen Medien, mit denen der Bürgermeister noch spricht.

Ob sich die Fürbitten, mit denen traditionsgemäß um gutes Wetter (hilft aber oft nicht) und um gute Geschäfte gebetet wird, bewahrheiten wird sich in den kommenden Tagen noch zeigen. Das »Forum«, wie Bürgermeister Brauer es liebevoll nennt, ist wieder in vollem Gange. Weil mehr und mehr alternative Treffpunkte wegfallen erlange das Volksfest immer mehr Bedeutung, so die Analyse des ersten Bürgers. Auch für die Schützen habe es mittlerweile einen hohen Stellenwert.

Doch wer steht eigentlich auf der anderen Seite vom Tresen, wenn wir uns vergnügen? kleveblog macht eine kleine Stichprobe.

Meister der Logistik

Eduard Tusch Junior besitzt einen Autoscooters und einen Imbiss – und darf sich als Meister der Logistik fühlen. Er hat drei festangestellte Mitarbeiter und benötigt zum Auf- und Abbauen noch jeweils zwei Aushilfen. Seine Geschäfte hat er auf drei Transportanhänger je 20 Tonnen Gewicht verteilt, hinzu kommen noch ein Wohnwagen und ein weiterer Wagen fürs Personal.

An Strom verbraucht er in einer Woche in Kleve so viel wie ein Ein-Personen-Haushalt im ganzen Jahr – bis zu 2000 Kilowattstunden. In einer Saison steht er je nachdem, wie die Termine liegen, auf 20 bis 24 Plätzen. Mit Wohn- und Personalwagen sind das hundert und mehr Transporte, die pro Saison gefahren werden müssen – die größte Distanz zwischen zwei Festen liegt bei rund 100 Kilometern. Alle Transporte werden mit einer Zugmaschine erledigt, also pendelt Herr Tusch zwischen Abbau- und Aufbaustandort immer munter hin und her.

Ein Autoscooter-Wagen muss 1600-mal zum Preis von 2,50 Euro bewegt werden, ehe Herr Tusch die Kosten für die Anschaffung umsatzmäßig wieder reingeholt hat – 4000 Euro kostet ein Neuwagen.

Die Familie Kaiser aus München rechnet beim Transport in komplett anderen Dimensionen. Auch sie sind für neun Tage in Kleve zu Hause. Eine Woche zuvor waren sie mit ihrem Fahrgeschäft, dem Skater, in Aschaffenburg (354 km), nach Kleve stehen sie in Paderborn (233 km). Es gibt schon mal Termine, in denen zwischen dem Ende des einen Festes und dem Beginn des anderen nur Stunden liegen - so endet die Kirmes in Bayreuth beispielsweise am Montag gegen ein Uhr Morgens und beginnt am Mittwoch in Oberhausen um zwölf Uhr Mittags. Das sind 59 Stunden um abzubauen, die Transporte zu fahren (Distanz: 517 km) und wieder aufzubauen.

Der Break Dancer, ein Klassiker in Kleve, gehört der Familie Dreher-Vespermann. Sie stammt aus Bremen, auch sie kommt Jahr für Jahr nach Kleve und jedes zweite gerade Jahr sogar nach Materborn. Die Alternative ist Paderborn – dort ist es üblich, dass gewisse Standpunkte auf dem Platz jedes Jahr gewechselt werden – damit die Besucher immer mal etwas Neues vorgestezt bekommen und die Schausteller miteinander konkurrieren. Auch in Kleve wird dies ähnlich gehalten.

Die Klever Kirmes ist für viele Schausteller eine der bedeutendsten am Niederrhein. Für einige Betriebe ist sie sogar das Highlight der Saison – vor allem für Ausschankbetriebe! Dirk Janßen, Vorsitzender des Schaustellerverbandes Kleve-Geldern erklärt: »Ausschänke auf Volksfesten sind Treffpunkte«, passend zum Untertitel seines Ausschanks: »Wo man Freunde trifft«. Janßen: »Es waren die Klever selbst, die das Volksfest zu dem gemacht haben, was es heute ist. Und nicht nur die Klever Kirmes – selbst die Materborner Kirmes unterscheidet sich vom Andrang her kaum, trotz des Größenunterschiedes.«

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5 Kommentare

  1. 5

    Tusch und Co. kennt jeder hier. Einige der aktuellen Schaustellergeneration dürften mein Alter haben. Meine Mutter hatte gute Bekannte, bspw. Autoscooter-, Schießbuden- oder Raupeninhaber.
    Das war immer schön, es gab die ein oder andere Sonderfahrt und auch sonst war alles einfach „sicher“.
    Ich wünsche den Kindern der Eltern die meine Mutter kannte besonders und allen anderen Schaustellern sowieso alles Gute und viel Erfolg für alle Zeiten.

     
  2. 1

    Ich habe großen Respekt vor all diesen Schustellern, sie machen einen sehr harten Job. …. alle Achtung!