Siegbert Nöldner, 1939-2016

Ewiger Kampf gegen den Verfall seiner eigenen Immobilien: Siegbert Nöldner
Ewiger Kampf gegen den Verfall seiner eigenen Immobilien: Siegbert Nöldner

Siegbert Nöldner war ein Ritter der traurigen Gestalt. Wie Don Quichotte, der erste seiner Art, führte er lange Jahre seines Lebens einen Kampf gegen alle möglichen Feinde, den er nie gewinnen konnte. Nöldner legte sich an mit Behörden und mit Banken, und den wohl größten und aussichtslosesten Kampf überhaupt führte er gegen den Verfall der Immobilien, die er an der Frankenstraße und an der Hagschen Straße besaß.

Don Quichotte hatte seinen Sancho Pansa, und in Begleitung von Siegbert Nöldner ebenfalls immer ein treuer Knappe anzutreffen, der für die Verrichtung von Handlangerarbeiten zuständig war, beispielsweise dafür, Baumaterial aus dem klapprigen Kleinwagen asiatischer Provenienz auszulagern und zu den Ewigkeitsbaustellen zu transportieren. Wie der rote, rostige Nissan zeigte, sparte Nöldner auch an sich selbst, was aber noch übertroffen wurde durch die Knauserigkeit, die er seinen Immobilien gegenüber an den Tag legte.

Das Schlägerputztuch mit Stickerei
Auf Luxus legte Siegbert Nöldner keinen Wert: Privatverkauf eines Golfwagens, das Schlägerputztuch mit Stickerei „Evelyn N.“ war im Preis von 60 Euro enthalten

Einmal konnte man ihn dabei beobachten, wie er in dem Ladenlokal an der Hagschen Straße neue Fenster einsetzte – selbst gefertigt aus Holzleisten und einer Einfachscheibe, und dementsprechend solide aussehend. Schon vor dem Einbau der „Fenster“ wurden die 52 Quadratmeter für 420 Euro angeboten, „geeignet auch für Existenzgründer, Subventionen durchs Arbeitsamt“.

Seien Sie mutig!
Immobilie ohne Fenster, auch für Existenzgründer

Die Wohnungen in seinen Häusern waren, diplomatisch ausgedrückt, unter Standard und wurden von ihm an die Randexistenzen unserer Gesellschaft vermietet, was durchaus honorig ist („Verdienstbescheinigungen der letzten zwei Monate“, wie andere Vermieter sie gerne einfordern, hat Nöldner vermutlich nie zu Gesicht bekommen), zumal einige der Mieter dort auch kostenlos wohnen durften – wenn das Sozialamt die Zahlung der Miete verweigerte.

Nöldners Immobilien waren aber nicht nur der Gegenstand beständiger Kampfhandlungen gegen den Zahn der Zeit, der Besitzer zögerte auch nicht, sie als Waffe einzusetzen. Mehrfach beschriftete Siegbert Nöldner die Fassade des Hauses an der Hagschen Straße mit Losungen gegen die Menschen, gegen die er gerade zu Felde zog. Es konnte den Sparkassendirektor treffen, oder einen Klever Staatsanwalt, oder auch einen Motorradfahrer mit Migrationshintergrund, der aus der Sicht des Einzelkämpfers gegen Verkehrsregeln verstoßen hatte.

Noch sind die Inhalte etwas statisch
Parolen auf dem „Haus der Kunst“, wie Nöldner seine Immobilie 2015 taufte

Wenn Nöldner dann per behördlicher Anordnung dazu verdonnert wurde, seine Parolen zu entfernen, wurden die Gäste im gegenüberliegenden Café Samocca Zeuge des bemerkenswerten Schauspiels, wie der alte Mann auf eine klapprige Leiter stieg und höchstpersönlich in aller Seelenruhe alles überpinselte.

Siegbert der Sagenhafte hatte - wie Theo Brauer - als Karnevalsprinz einen Bart.
Siegbert der Sagenhafte

Es ist nicht zu ergründen, wann und warum Siegbert Nöldner den grotesken Kampf gegen die Welt eröffnete. Er war einmal Berufsschullehrer, und Weggefährten aus dieser Zeit erzählen, dass er schon dort nach seinen eigenen Regeln lebte und arbeitete. Und er war tatsächlich einmal, 1981, Karnevalsprinz in Kleve, „Siegbert der Sagenhafte“.

An der Tiergartenstraße betrieb Nöldner lange Jahre das so genannte „Reichswald-Institut“, in dem Nöldner gemeinsam mit seinem Sohn Reiki-Behandlungen anbot und auch andere Therapien duchführen wollte, allerdings blieb die Resonanz auf diese Angebote sehr zurückhaltend.

Siegbert Nöldner ist, wie die Redaktion erst jetzt erfahren hat, bereits im Oktober des vergangenen Jahres verstorben. Er starb nach einem langen Kampf gegen alles und jeden, aber der Tod selbst war gnädig zu ihm und ließ ihn zu Hause neben seiner Frau auf dem Sofa sterben, plötzlich und unerwartet.

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6 Kommentare

  1. 6

    @Messerjocke Im gastronomischen Betrieb schräg gegenüber nachfragen, es war (ist?) der Dienstwagen des Betreibers/der Betreiberin.

     
  2. 4

    Er war am Ende ja kein Siegbert, sondern ein Verlierbert. Dennoch dürfte vor und nach ihm kaum ein Karnevalsprinz seinem Beinamen so viel Ehre gemacht haben wie „der Sagenhafte“.

     
  3. 3

    Ich hatte mich schon gewundert, dass nicht schon früher ein Nachruf kam……….jedenfalls hat er sich getraut, etwas zu unternehmen…………

    Der „Drache“ an der Hauswand ist leider auch seit einiger Zeit verschwunden………..so ist Kleve…..bitte nur keine öffentliche Kunst am Haus……… 🙁

     
  4. 2

    Ein schöner „Nachruf“. Wir alle hier hatten immer unsere Freud mit ihm … 😉