Oberstudienrat Wilhelm Michels, Personalakte, Untermappe C – Dokumente eines prügelnden Paukers

Einsicht dank Akteneinsicht: Autor Hans Bernd Jerzimbeck

Das Buch hat kein handliches Format (Din A4), und auch der Titel klingt etwas sperrig: „Neuere Archiv- und Informationszugangsgesetze – eine Chance für den Rechtsfrieden“, man kann dem Autor Hans Bernd Jerzimbeck, einem in Düsseldorf wohnhaften und aus Kleve stammenden Lehrer also nicht vorwerfen, allzu reißerisch unterwegs zu sein. Doch schon der Untertitel führt etwas näher an den Inhalt, der für heimatverbundene Klever und insbesondere für ehemalige Schüler des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums eine äußerst spannende Lektüre abgeben dürfte: „ein Beispiel aus dem Schulwesen in Kleve am Niederrhein“.

Dieses Beispiel, es ist die Schullaufbahn des Oberstudienrats Wilhelm Michels, den Jerzimbeck als Schüler selbst erleben durfte: „Mitte der 60er Jahre hatte der Verfasser den Lehrer nur mehrere Wochen erlebt und verließ die Schule, als es sich abzeichnete, dass die Strafarbeiten die Hausarbeiten um ein Vielfaches überwogen“, schreibt Jerzimbeck in dem 76 Seiten starken Buch, das in der Buchhandlung Hintzen und in der Gaststätte Zentrale zum Preis von 9,90 Euro erhältlich ist.

Als in der Festschrift zum Jubiläum 200 Jahre Stein-Gymnasium ein paar kryptische Bemerkungen zum Wirken des besagten Pädagogen fielen („befremdlicher Umgang“, schrieb Wilhelm Diedenhofen, selbst jahrzehntelang Lehrer an der Schule), und als insbesondere in einem Beitrag von „ihm und seinem übergriffigen Lehrstil“ die Rede war, dessentwegen an der Schule „fast eine Revolte“ ausgebrochen sei, beschloss Jerzimbeck, den Dingen auf den Grund zu gehen.

Das Mittel der Wahl: das Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, IFG NRW) , das auch dem Autor dieser Zeilen schon viel Freude (und einen aktuellen Gerichtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf) beschert hat. Jerzimbeck konnte im Landesarchiv NRW drei Entnazifizierungsakten sowie die gesamte Personalakte, die seine Arbeitszeit als Lehrer von 1938 bis 1978 umfasste, einsehen. Die Untermappe C der Personalakte befasst sich mit den Ereignissen der Beinahe-Revolte aus den Jahren 1969/70.

Der damalige Skandal begann damit, dass am 2. Mai 1969 eine zweiseitige Schülerzeitschrift mit dem Titel ads (aktion demokratische schule) erschien, in der Verstöße angeprangert wurden, die „im krassen Gegensatz zum demokratischen Verständnis unserer Schule stehen“. Angeführt wurden sechs Fälle von Prügelstrafen, die Wilhelm Michels, genannt „Levi“, vollzogen haben soll. Die Schüler forderten die Suspendierung des Lehrers und die Einleitung eines Strafverfahrens.

Zehn Tage später musste Michels beim Schulkollegium in Düsseldorf vorsprechen, wurde auf einen Erlass zum Verbot körperlicher Züchtigung hingewiesen und zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert. In seinem vierseitigen Schreiben gab Michels drei Fälle zu (aus Sorge um das Wohl der Schüler) sowie einen Versuch. An die beiden weiteren Fälle könne er sich nicht mehr erinnern. Direktor Erwin de Haar legte einen Begleitbrief bei, in dem es hieß: „Leider habe ich in früheren Jahren Herrn Michels auch deshalb [wegen sinnloser, überlanger Strafarbeiten] öfter ins Gewissen reden müssen, vor allem wegen seines ironischen, den Schüler einschüchternden Tons“.

Es kam zu Vorermittlungen, offenbar war auch einmal ein Staatsanwalt aus Kleve bei einem Telefonat mit der Bezirksregierung zugegen, worüber de Haar in einer Stellungnahme schreibt: „Es war mir interessant, dass der Staatsanwalt, der, während ich mit Ihnen telefonierte, schon im Vorzimmer saß, dann in einem ruhigen Gespräch mit mir so nebenbei bemerkte: ja, erkenne das ja, er sei selbst von Michels schwer geschlagen worden und habe dann einen Tritt ins Kreuz bekommen“.

Michels selbst räumte die Vorwürfe ein, er sah sich in „Konflikten“, die er auf „methodisch falsche Art und Weise zu lösen“ versucht habe. Michels gelobte Besserung, doch der Jurist der Bezirksregierung zweifelte. Er wisse nicht, „wie ein 56 Jahre alter Lehrer sich insoweit noch ändern kann“. Als Strafe einigte man sich auf einen förmlichen Verweis. Parallel dazu lief offenbar auch noch ein Verfahren beim Amtsgericht Kleve, das am 17. Februar 1970 mit dem Erlass eines Strafbefehls endete, weil Michels „als Beamter und in Zusammenhang mit der Ausübung seines Amtes vorsätzlich eine Körperverletzung begangen“ hat.

Spannend in dem Buch ist auch das Kapitel über die Nachfolgeregelung für den Direktorenposten. Direktor de Haar bat wegen seines schlechten Gesundheitszustandes um um Versetzung in den Ruhestand. Der allseits geachtete Fritz Freutel galt als Favorit für die Nachfolge, doch dann fiel die Wahl auf Pastor Alfons Freistühler, der sich während seiner sechs Jahre währenden Zeit an der Spitze des Gymnasiums Petrinum in Brilon (Sauerland) mit fast allen Kollegen überworfen hatte – „völlige Zerrüttung“, heißt es in den Akten. 1970 versetzte Kultusminister Fritz Holthoff Freistühler entgegen der Warnungen aus seinem Hause nach Kleve. (Freistühler selbst schreckte vor körperlichen Züchtigungen nicht zurück, sein Markenzeichen war der feste Kniff in die Wange, um dann den Kopf des Schülers zu schütteln.)

Wilhelm Michels wurde am 7. Dezember 1970, also anderthalb Jahre nach den inkriminierten Vorgängen, sogar noch zum Studiendirektor befördert. In der Begründung heißt es, er habe sich „im übrigen nach den Disziplinarverfahren tadelsfrei geführt „.

Fazit: Ein spannendes Buch für alle, die diese Zeit miterlebten und nun fast wie in einem Krimi nachlesen können, wie hinter den Kulissen die Konflikte ausgetragen und bereinigt wurden.

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32 Kommentare

  1. 32

    @Dr. Christoph Uhlmann
    „Wie mag er wohl als Ehemann und Vater gewesen sein??“ Eine berechtigte Frage, wenngleich hier natürlich nicht das Thema. Ich kannte eine der Töchter recht gut, hatte aber von den geschilderten Vorfällen keine Ahnung. Ich wusste lediglich, dass der Vater Altphilologe ist. Ich verstehe jetzt einiges besser.

     
  2. 31

    Herr Willems, die „altera pars“ lässt sich schon deshalb nicht mehr hören, weil sie vor fast 20 Jahren gestorben ist. So ist das mit historischen, auch mit zeithistorischen Themen: Viele Beteiligte sind nicht mehr am Leben; man kann mit ihnen nicht umgehen, wie Journalisten es tun. Dass Sie mit Michels auch (und wenn ich es richtig verstehe: durchaus nicht nur) positive Erfahrungen gemacht haben, hebt die schweren Vorwürfe anderer nicht auf. Michels hat Schüler geschlagen, erniedrigt, eingeschüchtert. Nicht alle natürlich, aber wer hätte „immer“ so gehandelt? Was für eine erbärmliche Rechtfertigung durch einen Mann, der offenbar selbst jahrzehntelang Schulleiter war und/oder im öffentlichen Leben stand!

     
  3. 30

    Ich habe diesen unerhörten „Beitrag“ zu Wilhelm Michels („Dokumente eines prügelnden Paukers“) gelesen. Der Grundatz „audiatur et altera pars“ spielt hier wohl keine Rolle, Ich habe seinen Sarkasmus keineswegs geschätzt, habe ihn aber so wie hier beschrieben nicht kennen gelernt. Er war fair zu mir.Angst hatte ich auch, gebe ich zu. Als 1968 unklar war, ob ich die Abiturprüfung bestehen würde, war ein Zeichen , in welchem Fach ich geprüft würde . Herr Michels fragte mich vor dem Musiksaal, ob ich das wisse. Nach meiner Antwort, das wisse er wohl eher, meinte er, er wisse es auch nicht. Damit gab er zu erkennen, dass ich keine Befürchtungen mehr haben musste. Das habe ich ihm hoch angerechnet.Er hatte sehr wohl einen Sensus für schüler vom Lande, die sich durchkämpfen mussten.
    Ich habe bei ihm an einer AG „Gesellschaftskunde“ teilgenommen und da sogar ein Referat über den Frühsozialisten Saint-Simon gehalten. Ich habe da viel gelernt..Auch bei den Besuchen in Bonn und Düsseldorf.
    Es war nicht, wie behauptet, etwas für „seine Lieblinge“. Auch sein AG über Vorsokratiker war ein Gewinn.Von 1971 bis 1973 waren er und sein Frau Teilnehmer an einem Bibelkreis in Griethausen. Danach verlor sich der Kontakt, was ich bedaure.
    Gegenüber dem besagten Pamphlet bin ich sehr kritisch, obwohl sicher manches stimmt. Mit hat auch schon einmal ein Schüler ins Ministerium geschrieben, ich hätte den Schülern die Freude an der Musik vergällt. Eine einzelne Meinung. Ähnliches wird auch Prof. Gieseler hier vorgeworfen. Frustierte Schüler lasten ihre Probleme gerne auch anderen an.
    In dem Papier steht nichts über andere, z.B. über Herrn Steinborn, der mir noch in Unterprima mitten ins Gesicht geschlagen hat. Herr Freutel wird sehr gelobt- ein Lehrer, der meine Mutter in UI sagte, „Ihr Sohn kann nicht
    Selbständig denken“. Der im Geschichtsunterricht bei der Schilderung der Schlacht von Tannenberg feuchte Augen bekam. Bei ihm rutschte ich von einer „2“ in Geschichte innerhalb eines halben Jahres auf „4“ ab. Erklärung: so. By the way: ich hatte zuvor Unterricht bei Dr. Froleyks.
    Ich war Jahrzehnte Gymnasiallehrer und Schulleiter. Ein wenig weiß ich, wovon ich spreche.

     
  4. 29

    @25

    Auch unter Dr. Walter Gieseler habe ich gelitten

    Was war da genau? Würde mich interessieren.

    Wenn ich das hier so lese, bin ich echt froh dass ich am Sebus war…..

     
  5. 28

    Unter der Ãœberschrift „Marx und Michels: Heimatkalender 2018 widmet sich einer Zeit, in der Schüler noch protestierten“ vom 05. Dezember 2017, 16:35 kommentierte 1. Alfons A.Tönnissen am 6. Dezember 2017 um 07:31 Uhr

    „In Rindern hatten wir einen wöchentlichen politischen Arbeitskreis, es tobte der Algerienkrieg. Wemken Michels war ein großer Sachkenner! Ach, im 2.Weltkrieg war Wemken Chefdolmetscher im besetzten Griechenland der Wehrmacht—-“

    Für diese Aussage ließ sich in den lückenhaften Wehrmachtsunterlagen des Wilhelm Michels kein Beleg finden.

    Michels war kein Choleriker, sein Vorgehen hatte Methode und dass er sein Vorgehen z.B. in Verhören von Partisanen in Griechenland erlernt hat, wäre eine mögliche Erklärung. Gibt es jemanden, der die Aussage des Tönnissen bestätigen kann?

    Ich glaube, es ist für das Michels-Bild ein wichtiges Detail, zu wissen, ob die zitierte Aussage richtig ist. Mir selbst würde es einfacher fallen, den Menschen Michels besser zu verstehen.

    Phoebos

     
  6. 27

    @25.Wim,

    kürzlich hatten wir Besuch von Elke, nach ihren Aussagen geht es Ute und Norbert gut. Einige
    Jahre nach dir hatte ich das fürchterliche Vergnügen mit Levi siehe Nr. 7. Nös war aus meiner
    Sicht eine ebenfalls grausliche Person.

    Der Stein-Gruppe, alte Nazis und strafversetzte Individuen, weint heute niemand mehre nach,
    wir brauchen sie nicht in Ehren zu halten, lassen wir sie dort, wo sie ggfs. braten!

     
  7. 26

    Beim Lesen einiger Kommentare kam mir die Frage, was nach der jeweiligen klaren Darstellung des Unterrichts von Lehrer Michels kommt. Denn wenn es nur um die Sensation, die Veröffentlichung als Selbstzweck ginge, stünde der Vorwurf im Raum, unverantwortlich bei einigen einen Rückfall in traumatische Erfahrungen zu provozieren, ohne dass daraus eine Besserung folgen kann. Doch: Beim Schreiben des Buchs kam ich durch die Internetseite des „Deutschen Instituts für Psychotraumatologie“(*) darauf, dass das Gemeinwesen mit seiner Haltung zu den Traumatisierungen eine wichtige Rolle spielt. Sich einer wohlwollenden UND informierten Bevölkerung bewusst, kann man seinen eigenen Weg der Erleichterung – nach eigener Entscheidung vielleicht auch mit psychologischer Hilfe – besser gestalten. Auf das Gegenteil von Verständnis und Kenntnis zu treffen, scheint damals oft die Befürchtung oder Erfahrung vieler Schüler gewesen zu sein: Nicht einmal alle Schüler wussten, was in anderen Klassen passierte – oder konnten es nicht glauben, wie sich aus den Akten und einzelnen Bemerkungen im PEGASUS ergibt.
    (*) „In einem gesunden Staat sind das Recht und die Gefühle der Bevölkerung auf der Seite der Opfer.“
    Vor 50 Jahren schrieb der Direktor de Haar an einen Oberschulrat: „Und es könnte deshalb doch einiges zum Vorschein kommen und damit der alte, schwere Vorwurf gegen Herrn Michels gegen Herrn Michels in die Öffentlichkeit getragen werden.“ (Das Wort „schwere“ wurde vom Direktor selbst unterstrichen.)
    Schweigen aus der Verpflichtung zum Amtsgeheimnis (Direktor de Haar und Lehrer) zusammen mit Schweigen zum Schutz der Reputation als angesehener Lehrer (OStDir Michels) traf auf die Schwierigkeiten vieler Schüler, unter psychischer Belastung deutlich die schlimmen Erlebnisse darzustellen. (Sicher ging es Letzteren auch darum, neue Lebenserfahrungen als Gegenpol zu den alten zu machen.)
    Aufgelöst wurde dieses Dilemma auf dem Kleveblog besonders durch zwei detaillierte Schilderungen zum Staatlichen Gymnasium vor dem Blogpublikum. (Diese kann man als stellvertretend für die Erfahrungen anderer ansehen.) Der Blog ermöglicht damit einen großen Schritt in Richtung einer öffentlichen Sichtbarkeit des damaligen, Jahrzehnte langen Geschehens.
    Doch für eine umfassende Informierung ist die Bevölkerung nun auf die Berichterstattung auch der beiden großen Printmedien in Kleve angewiesen.

     
  8. 25

    Unter Levi habe ich (Jahrgang 1938) schwer geliten. Seinetwegen habe ich sehr häufig die Schule geschwänzt. Ich hatte ihn in Latein, wenn ich mich recht erinnere, in Sexta und Quinta, dann noch mal in Unterprima. Wenn ein Schüler schwätzte oder eine Vokabel nicht wusste, musste er aufstehen und bis zum Schluss der Stunde stehen bleiben. Und der Schüler wußte genau, was dann kam. Nach dem Pausenklingeln verließen alle Schüler den Klassenraum, nur die Stehenden mussten bleiben. Die wurden dann nacheinander übers Knie gelegt und kriegten den Arsch versohlt. Mit dem großen Lineal. In einem Fall stand ein Schüler nicht still, wie befohlen, sondern wackelte ein wenig. Levi näherte sich dozierend langsam dem Schüler (ich glaube, er hieß Findeisen) und schlug ihn so heftig an die Kopfseite, dass dieser zu Boden ging. Der Schüler blieb einige Minuten am Boden, rappelte sich dann hoch und verließ das Klasenzimmer. Etwas später klopfte es laut an der Türe, Levi öffnete und wurde aufgefordert, heraus zu kommen. Dann ging draußen ein lautes Geschrei los. Es war der Vater des misshandelten Schülers, der sich beschwerte.
    Aber es gab an der Penne noch andere üble Typen. Z. B. den alten Nazi Heini = Dr.Heinrch Schönzeler. Auch unter Dr. Walter Gieseler habe ich gelitten. – Ãœbrigens habe ich selbst von Erwin de Haar eine kräftige Ohrfeige erhalten.
    In Kleve lebt ja noch mein Klassenkamerad Rainer Boeckels. Der könnte noch viel von den Ungerechtigkeiten unserer Schule berichten.

     
  9. 24

    @23 Norbert Mappes-Niediek
    Nein, hat er nicht, aber sowas wagte man damals auch nicht zu fragen.
    Ihre 2. Q. : mein Kopf ist noch dran , aber der europäische Gedanke ist mir näher als der nationale !

     
  10. 23

    Danke, Jean-Baptiste! Hat er auch gesagt, dass er Pg. war? (Und eine Frage: Warum Jean-Baptiste? Cloots?)

     
  11. 22

    zu 21 ich selbst:
    in der ersten Zeile ist etwas schief gegangen.
    Es muss heissen :
    Ja, ich kann mich an solche Bekenntnisse erinnern, z.B. im Unterricht als er über seinen niederländischen Ko-Autor Peter Sliepenbeek beim Buch – Niederrheinisches Land im Krieg – sprach.

     
  12. 21

    @19. Norbert Mappes-Niediek
    Ja, ich kann mich an solche Bekenntnisse erinnern, z.B. im Unterricht als er über seinen niederländischen Co-Autor Peter Sliepenbeek beim Buch sprach.
    Wenn man aber weiss, wie launisch und jähzornig er sein konnte, schliesse ich inzwischen mit heutigem Kenntnisstand nicht aus, dass er solche Äusserungen weniger aus ehrlicher Erkenntnis heraus, als vielmehr angesichts der strafrechtlichen Prozeduren gegen ihn aus taktischer Ãœberlegung getätigt hat.
    Wie bereits gesagt, uns Schülern gegenüber wusste man die Tatsachen wie staatsanwaltschaftl. Ermittlungen und Disziplinarverfahren damals anscheinend geschickt geheim zu halten.

     
  13. 19

    Jean-Baptiste, Sie schreiben, Michels sei einer der wenigen in Kleve gewesen, die ihre Nazi-Vergangenheit zugegeben und als gigantischen Fehler bezeichnet hätten. Können Sie sich persönlich an solche Bekenntnisse erinnern? Ich weiß nur, dass Michels auf Vorhalt einer Tagebucheintragung des späteren NS-Opfers Karl Leisner, er sei ein „strammer SA-Mann“ gewesen, Jahrzehnte später geantwortet hat, er habe wahrscheinlich mangels anderer Kleidung wohl mal eine SA-Uniform getrafen. Das, obwohl Leisner sich nicht auf eine Uniform, sondern auf Michels` Argumente bezog. Seine NSDAP-Mitgliedschaft hat er gegenüber dem Leisner-Biografen Hans Karl Seeger verschwiegen. Das klingt nicht nach später Einsicht und schon gar nicht nach Bekenntnis.

     
  14. 18

    @ 12. Chewgum und auch @ 15. Harald Dikkers, kurze Frage – lange Antwort:
    Prinzipiell darf das nach dem Archivgesetz NRW § 6 Nutzung (1) von 2010 jeder.
    Voraussetzung ist, dass die Verwaltungsakte, hier Personalakte, für „archivwürdig“ angesehen wurde, und in den Bestand des Landesarchivs bzw. des jeweiligen kommunalen Archivs aufgenommen wurde. [Am besten schickt man eine E-Mail an das Landesarchiv Duisburg: rheinland@lav.nrw.de (Homepage: http://www.archive.nrw.de/lav/abteilungen/rheinland/oeffnungszeiten_und_kontakt/index.phpmit Kontaktformular für eine Anfrage) und fragt nach der Akte. Wenn man einen positiven Bescheid mit der Bestandssignatur bekommt, schreibt man zurück und nennt ein Datum mindestens zwei Werktage später, an dem man die Akte im Lesesaal einsehen will. – Wenn es aus einem Grund nicht klappt, kann man immer noch anrufen und bitten, die Akte noch bis zum neuen Termin im Lesesaal zu halten.]
    Schutzfristen müssen auch beachtet werden, dürften aber in euren Fällen schon überschritten sein.
    Es ist wahrscheinlich, dass die Personalakten im Landesarchiv liegt. Ob solche Vorgänge trotz Verbots durch einen Erlass dokumentiert bzw. bestraft wurden, müsste man gucken. In Düsseldorf bei der vorgesetzten Behörde wurden die PAn der Gymnasien aufbewahrt. Dort stehen immer die eher langweiligen Sachen darin, die vor Ort, hier: in Kleve, nicht entschieden werden konnten: Anträge auf Sonderurlaub, längere Krankmeldungen, Bitte um Gehaltsvorschüsse aus besonderen Anlässen, Laufbahnbeurteilungen, Beförderungen usw.. Bezüglich der Grundschulen dürften die PAn beim Schulamt Kleve geführt worden sein. Anzusprechendes Archiv wäre in diesem Fall das Stadtarchiv Kleve.

     
  15. 17

    Bis 1962 war er mein Latein- und Griechischlehrer. 1962 nahm unser Vater eine Stelle nahe Köln an und unsere Familie zog von Kleve weg. Nachträglich habe ich eine zwiespältige Sicht auf Michels. Er war ein Furcht einfllößender Pädagoge. Er hatte aber auch seine Lieblinge. Das waren die sog. „Niederrheiner“,“niederrheinische „Dickschädel“, wie er sie schon einmal nannte. In Latein und Griechisch hatte ich in der neuen Schule mit den Grundlagen, die Michels gelegt hatte, jedoch deutlich bessere Noten, obwohl auch diese Schule als „schwierig“ galt. Michels war launisch, jähzornig, unberechenbar und meist unpersönlich distanzierend zu den Schülern. Er hat manch einen Lebensweg zerstört. Erteilte er einmal ein Lob, was auch schon einmal vorkam, fühlte man sich von ihm „anerkannt“. Er hat aber auch vielen das Selbstwertgefühl genommen mit zynischen Bemerkungen und Drohungen. Man sollte bedenken, daß wir von Lehrern der Kriegsgeneration unterrichtet wurden, die ihre Erlebnisse sehr unterschiedlich verarbeitet haben. Ich sah in seinem abnormalen Verhalten unbewältigtes Kriegstrauma. Wie mag er wohl als Ehemann und Vater gewesen sein??

     
  16. 16

    @Harald Dikkers Beim Lesen krieg ich schon einen dicken Hals. Man kann nur hoffen, dass sich die Betroffenen noch im Leben zurecht gefunden haben. Aber da wurden sicher teilweise Menschen und Biografien beschädigt.

    Leider wurden nicht wenige ja damals zu Hause auch noch geschlagen.

     
  17. 15

    @ Chewgum
    ‚oder alles mal aufzuschreiben‘ gute Idee !

    Ein weiteres ‚ Beispiel aus dem Schulwesen in Kleve am Niederrhein ‚ kann ich aus der Erinnerung heraus wiedergeben.
    In den 1960er Jahren gab es an der Mariengrundschule in Materborn einen ‚Pädagoge ‚, er war Rektor dieser Schule,
    der sich nicht scheute, Grundschülern, die an der Tafel standen und Aufgaben lösten, bei falschen Lösungen sein Knie in den Rücken zu rammen oder seine Pranken um den Nacken zu legen.
    Ich kann mich erinnern, dass er einem Mitschüler auf dem Schulhof den Zeigestock auf dem Rücken zerschlagen hat, weil dieser entgegen dem Verbot ‚ gerannt ‚ war.
    Nachdem seine Tochter die Realschule verlassen musste, aus welchen Gründen auch immer, und wieder zur Grundschule in unsere Klasse ging, hat er sie im Nebenraum aufgrund einer falschen Lösungsantwort, verprügelt.
    Eine beliebte Variante war es auch, Schüler, die keine korrekte Antwort gaben, in seinem Jähzorn in sein Auto zu zerren und auf direktem Weg nach Hause zu bringen um den Eltern zu zeigen, welche ‚Früchtchen‘ sie hatten.
    Mir ist nicht bekannt, ob jemals etwas gegen diesen Typen von Seiten der Eltern unternommen wurde und er für etwas geradestehen musste. Aber diese Personalakte möchte ich mal gerne sehen.

     
  18. 14

    @Herbert Drießen „Viel schlimmer als Schläge sind Ironie und Zynismus“

    Schläge sind Misshandlung von Schutzbefohlenen, die heute unter Strafe stehen. Mit Vergleichen sollte man vorsichtig sein. Psychische Gewalt, die Sie schildern, kann aber wie physische Gewalt ebenso verheerende Auswirkungen haben. Psychische Gewalt ist schwieriger zu fassen, schwieriger zu berichten etc. und wird leider oft verharmlost.

    Beides ist absolutes No Go. Auch damals gab es schon Lehrer, die nicht gewalttätig, in welcher Form auch immer, waren.

    Es ist nie zu spät, solche Erfahrungen aufzuarbeiten. Auch hier schämen sich viele, dass sie Opfer geworden sind. Aber es gilt nur eins: Die ganze verdammte Wut über solche unsäglichen Geschehnisse zuzulassen, vor sich und anderen nichts zu beschönigen, ohne selber destruktiv zu werden. Man kann sich damit auch an Psychologen wenden. Oder an vertraute Menschen. Oder alles mal aufschreiben, das entlastet auch. Sie haben ja hier schon einen Anfang gemacht.

     
  19. 13

    Ich (Abitur 1965 ) habe „Levi“ unangefochten in voller Schaffenskraft erlebt, d.h. er tobte sich aus, wie er wollte. Meines Erachtens gibt es da nichts zu relativieren, noch zu beschönigen. Er hat Kinderseelen systematisch kaputt gemacht. Viel schlimmer als Schläge sind Ironie und Zynismus. Dagegen kann sich ein Kind nicht wehren. In ätzenden Kommentaren wurde man zu einem „Nichts“ heruntergeputzt. Vokabeln, die man tags zuvor gepaukt hatte, wusste man, wenn er abfragte einfach nicht mehr. Dann hieß es „wieder nichts getan“ und „abschreiben, abschreiben, abschreiben…“ Die Klassenkameraden saßen mit gesenkten Köpfen da; sie wussten, dass hier Unrecht geschah, aber wie sollte man sich wehren? Man konnte ja froh sein, wenn man nicht als nächster „dran“ war. Manche sind daran zerbrochen, manche haben seinetwegen die Schule verlassen, manche haben über Jahre gelitten. Es wäre noch vieles zu sagen, so z.B. -Gipfel der Ironie – dass er 1969 noch sagte, er habe seine Ohrfeigen „aus Sorge“ verteilt. Heute würde es sicherlich für ihn mehr geben als einen eher milden Verweis, damals wurde er zum Oberstudierat befördert. Ich musste das mal loswerden: bis heute verfolgt mich dieser Unpädagoge bis in meine Träume hinein.

     
  20. 11

    @ 9. Niederrheinstier
    So intensiv bin ich nicht im Kleveblog; habe den älteren Blogbeitrag also erst heute gelesen. Ich finde jeden Ansatz der Betrachtung gut.
    Da kann ich mein Buch nur als einen weiteren Beitrag dazu sehen. Es existiert jetzt zur Kenntnisnahme und steht damit zur Diskussion bereit. Es ist übrigens im Eigenverlag erstellt und von „Books on Demand“ gedruckt.
    „Herr“ und „Sie“ kann meinetwegen durch ein Diskussions-Du ersetzt werden – wenn gewollt.

     
  21. 10

    Ein wenig (ordentlich) aus dem Zusammenhang gerissen: Was ist eigentlich aus dem Lehrer geworden, der vor wenigen Jahren Kameras in den Mädchenumkleiden installiert hatte?

     
  22. 9

    @8 (Hans Bernd Jerzimbeck)
    Mmuuuuh, mmuuuh, Herr Jerzimbeck, mmuuuuh!
    Hatten Sie hier im Kleveblog auch schon gefunden, was ich im Frühjahr dieses Jahres gemmuuuuht, hatte, mmuuuh? Ich meine das hier, was Opa Niederrheinstier mir gemmuuuuht hatte, mmuuuuh:
    https://www.kleveblog.de/in-kleve-warten-geschichten-schrecklich-und-fabelhaft-christoph-klimke-zurueck-in-seiner-heimatstadt/#comment-313456
    Hilft Ihnen das, mmuuuuh? Ja, mmuuuuh? Wenn nicht, ist aber auch nicht so schlimm, mmuuuuh.
    Viele Grüße nach Dusseldorf, mmuuuuh!

     
  23. 8

    @ Otto,

    der erste Beitrag von j.b. war nicht gemeint. Das ist ein Missverständnis. Was gemeint ist, ergibt sich aus dem Buch, das ich geschrieben habe.
    Vor dem Lesen einen Austausch zu haben, ist nicht verkehrt. Danach sich nochmal zu unterhalten, finde ich genauso interessant.

     
  24. 7

    @5.H.B. Jerzimbeck,

    für mich sind die Worte von j.b. sehr ausgewogen und freundlich. Meine Zeit war wesentlich früher und
    alte, vernarbte Wunden aufzureissen erspare ich mir.

    Der Eine war durch und durch in seinem Charakter verdorben und er benutzte den scheinre-
    ligiösen Anderen auch noch, fremde Schüler zu desavouieren.

     
  25. 6

    Das Buch werde ich für meinen Bruder besorgen. Als sensibler Junge ist er am Stein an Leuten wie Freistühler & Co. gescheitert. Auf den Rat eines Heilpraktikers, bei dem er wegen verschiedener Stress-Symptome In Behandlung war, haben meine Eltern ihn von der Schule genommen, und ganz schnell ging es ihm psychisch besser.

     
  26. 5

    @Interessierter: Von Direktor Freistühler gibt es umfangreiche Akten. Die Probleme in Brilon waren – zumindest nicht hauptsächlich – mit den Schülern, sondern mit wichtigen Personen der Schul- und Stadtöffentlichkeit. Ich habe den Schwall von Schreiben und konträren Schreiben nur zu einem kleinen Teil gelesen, weil ich dann genug hatte von den unproduktiven Konflikten. In dem gelesenen Teil habe ich nichts von seinem Umgang mit Schülern erfahren.

    Meine Hoffnung ist, dass das Buch mit klaren Worten hilft, dieses Kapitel der Schul- und Stadtgeschichte in Kleve für alle Beteiligten zu einem persönlichen Ende führen kann – ohne dass das Ende einfach von einzelnen Personen erklärt wird.
    Dafür muss es erst einmal gelesen werden.

     
  27. 4

    Danke für die interessanten Informationen.
    Insbesondere der amtliche Schutz von Straftätern.
    Das wiederholte Schlagen, das körperliche und psychische Misshandeln von Schülern, kann ich nicht anders sehen. .
    Ich werde dann mal die Akte von Onkel Alfons anfragen und bin neugierig, ob er schon an seiner vorherigen Schule Schüler in seiner typischen Art beglückt hat.
    Ein mittlerweile pensionierter Lehrer sagte, dass eigentlich alle Kollegen wussten, warum er nach Kleve versetzt wurde…

     
  28. 3

    Körperliche Züchtigung gab es an der Schule – vielleicht nicht in gleicher Dramatik – auch vereinzelt in der Zeit nach dem Ausscheiden jener Personen. Ich war ab 1978 dort Schüler.

     
  29. 2

    Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sie mahlen. Der Levi hat viele Schüler auf seinem nicht vorhandenen
    Gewissen und sein Steigbügelhalter Nös, seines Zeichens versuchter Religionslehrer, wird wohl Pförtner im
    Hades sein, als geringste Zeitvorstellung mindestens für Äonen.

     
  30. 1

    Obwohl selbst zu dieser Zeit Schüler an der besagten Schule (die damals noch nicht den Frh. v. Stein im Namen führte), hat man zwar mitbekommen, dass es kräftig im Gebälk knirschte, allerdings die ganzen hier angeführten Fakten waren in der Schülerschaft nicht bekannt.
    Der Name v.Stein wurde vermutlich erst beim Ãœbergang von staatlichem zum städtischen Gymnasium zugefügt, wenigstens bis in die 70er Jahre hiess es immer noch Staatliches altsprachliches Gymnasium mit neusprachlichem Zweig, auch wenn die Anzahl der Neusprachler deutlich überwog.
    Zu den Lehrern fällt mir folgendes ein : Zeus (Direktor de Haar) war vorher einmal (ich glaube Kultur-) Attache in den Haag gewesen, ob vor 1939 oder danach war nie deutlich, und hatte in meiner Erinnerung nur ein Interesse, nämlich sein Privatinteresse, aber von Agressivität ist mir nichts bekannt.
    Alfons Freistühler war sowohl bei der Lehrerschaft als auch bei den Schülern unbeliebt und galt auch als jähzornig.
    Das einzige womit er sich stets versuchte einzuschmeicheln waren seine 2 Kinder , natürlich Adoptivkinder, die von seinem besten Freund stammten, der in einem Autounfall verstorben war, und für die er ein neues Haus baute (auf dem Gelände des Klösterchen Spyckstrasse, für das extra ein Teil der Klostermauer eingerissen wurde) .
    Mit Fritz Freutel, der eigentlich allseits beliebt war, wäre man als Direktor bestimmt besser gefahren.
    Zu Levi, (Wilh. Michels) gäbe es viel zu sagen. Klar, er war jähzornig und hatte sich schlecht unter Kontrolle, aber er war einer de wenigen Menschen in Kleve, die selbstkritisch genug waren, ihre Nazi-Vergangenheit offen als einen gigantischen Fehler zuzugeben und zu erkennen .
    Mit der nötigen Vorsicht war er allerdings ohne weiteres zu ertragen .
    Ohne irgendetwas für die damaligen Akteure beschönigen zu wollen muss ich aber feststellen, dass Jähzorn zu dieser Zeit noch weit verbreitet anzutreffen war, und auch ein Grossteil der klever Bevölkerung ihre braune Zeit noch nicht genügend abgestreift hatte.