Oberlandesgerichtsurteile verständlich gemacht

Moyland, immer wieder Moyland: Am vorletzten Tag des Jahres 2011 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden, dass das Museum Schloss Moyland 18 Fotografien nicht zeigen darf, die Joseph Beuys bei einer 1964 in der ZDF-Fernsehsendung »Drehscheibe« live ausgestrahlten Kunstaktion zeigen. Um dieses Urteil in seiner ganzen Unfassbarkeit zu fassen, hier eine Herleitung:

  • Mein Vater ist Schreiner. Er baut einen Tisch. Ich fotografiere ihn dabei. Er ist damit einverstanden. Sachlage: Ich darf die Fotos zeigen.
  • Mein Vater ist Künstler. Er baut einen Tisch, macht dabei Faxen und nennt es »Happening«. Ich fotografiere ihn dabei. Er ist damit einverstanden. Sachlage: Ich darf die Fotos nicht zeigen.

Denn – so würde das Oberlandesgericht Düsseldorf urteilen – im zweiten Fall handelt es sich um eine unzulässige Bearbeitung der ursprünglichen Aktion.

Das führt zu folgenden Weiterungen:

  • Mein Vater ist Künstler. Er baut einen Tisch, macht dabei Faxen und nennt es »Happening«. Ich schreibe darüber. Er ist damit einverstanden. Sachlage: Ich darf den Bericht nicht veröffentlichen.

Bekanntlich hat Beuys den Kunstbegriff sehr weit gefasst (zu recht), und ein in der Justiz wichtiger Begriff ist die Schöpfungshöhe (die fällt bei Pornos z. B. immer sehr gering aus, weshalb die nicht als Kunst gelten). Aber wenn »Faxen machen« vom Faxenmacher zum »Happening« erklärt wird, was passiert in der folgenden Situation:

  • Mein Bruder ist Dirk Nowitzki. Er macht seinen berühmten Turnaround-Fadeaway-Sprungwurf, ich fotografiere ihn dabei. Er ist damit einverstanden. Sachlage: Ich darf die Fotos zeigen.

Variante:

  • Mein Bruder ist Dirk Nowitzki. Er macht seinen berühmten Turnaround-Fadeaway-Sprungwurf, erklärt diesen zu einem künstlerischen Akt und ich fotografiere ihn dabei. Er ist damit einverstanden. Sachlage: Ich darf die nicht Fotos zeigen.

Das führt interessanterweise direkt ins Museum Kurhaus, wo in diesem Jahr Bruce Naumans »Six Sound Problems for Konrad Fischer« gezeigt wurden. Naja, nicht direkt das Original der Installation (die gibt es überhaupt nicht mehr), sondern ein dem Original nachempfundener Nachbau. Aber: Ist das dann nicht schon eine »unzulässige Bearbeitung«? Wer entscheidet darüber, ob z. B. der Stuhl passend ist? Eine Jury?

Ich habe damals im kleveblog darüber geschrieben – haben wir es bei dem Text möglicherweise mit der »unzulässigen Bearbeitung« einer »unzulässigen Bearbeitung« zu tun? Und ist die Tatsache, dass ich diesen Text hier erneut erwähne, nicht letzten Ende die »unzulässige Bearbeitung« einer »unzulässigen Bearbeitung« einer »unzulässigen Bearbeitung«?

Fazit: Die moderne Kunst muss sich warm anziehen, mir scheint, es hat sich ausgehermeneutikt. Warum sich nicht einfach einen Ölschinken von Bernd Schulte (»Landschaft vor Düffelward«) ins Wohnzimmer hängen, dann hat man den ganzen Ärger nicht!

Deine Meinung zählt:

9 Kommentare

  1. 8

    Danke für den Link zu den Rechtsänwälten, die die genannte unglückliche Verquickung von privatem beruflichen Interesse und seinem Amt als VG Bildkunst-Vertreter aufzeigen.

    Kommunalpolitik erschien mir bislang immer als ein von Klüngel durchsetztes, schmutziges Hauen und Stechen um die Verwaltung eines kaum existenten Gestaltungsspielraum bei nicht vorhandenen Etats. Trotzdem habe ich Respekt vor den paar Idealisten, die trotz dieser Bedingungen antreten, um das Beste für die Kommune (und nicht etwa für sich) zu erreichen. Leider sind die schwer zu finden und nur selten erlangen sie die Handlungsführerschaft.

     
  2. 7

    @Zeitzeuge
    >Mir ist es ein Rätsel, warum die VG Bildkunst sich auf die Seite von Eva Beuys geschlagen hat>

    Mir scheint dies in der offenbar mangelhaften Unabhängigkeit von Prof. Pfennig begründet. Er war ja bis Jahresende Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft (VG) Bild-Kunst. Gleichzeitig war bzw. ist er auch privater Anwalt von Eva Beuys. (Quelle z.B. : http://www.bauersfeld-rechtsanwaelte.de/fotorecht/mitteilungen/729-schloss-moyland-unterliegt-beuys-witwe.html ).

    Mir scheint diese Interessenverquickung recht kritikwürdig.
    Sein/e Nachfolger/in wird höchstwahrscheinlich neutraler agieren.

    >Jeder hat halt andere Prioritäten. In der Rolle der Politik möchte ich beim Thema Geldverteilung nicht stecken. >

    Aus einem Bericht über Forschungsergebnisse zu Kommunalpolitikern:

    „Kopfzerbrechen bereiteten Kommunalpolitkern vor allem die Zwänge, die durch mangelndes Geld für wachsende Aufgaben entstünden. Inklusive einer „griechischen Intransparenz“, wie Lars Holtkamp die Darstellung der mancher Orts beklemmenden Haushaltssituation bezeichnete.

    […] ‚Es ist katastrophal, wir wissen nicht mehr, wir können nichts entscheiden‘. Also ich denke, dass es definitiv der wichtigste Faktor ist: Die Situation der kommunalen Haushalte ist gerade in Nordrhein-Westfalen katastrophal, und das wirkt sich dort direkt auf das Empfinden von Handlungsunfähigkeit seitens der lokalen Eliten aus.“

    Mit dem Anwachsen der Notlagen werde auch der fordernde Bürger als Störfaktor wahrgenommen; […]“

    ( http://www.dradio.de/dlf/sendungen/studiozeit-ks/1606817/ )

    [Letztlich kann sich in der Volksherrschaft ja keiner so ganz in die Verantwortungslosigkeit zurückziehen… Aber die Attraktivität kommunalpolitischer Ämter steigt nicht. ]

     
  3. 6

    Persönlich würde ich Transparenz in der Förderung Moylands durchaus gut heißen. ich höre aber schon diejenigen aufbegehren, die jeden in Kultur investierten Euro solange schlecht heißen, bis die von ihnen präferierten Ziele (Hallenbäder oder was auch immer) gesichert sind.

    Jeder hat halt andere Prioritäten. In der Rolle der Politik möchte ich beim Thema Geldverteilung nicht stecken.

    ABer zurück zum eigentlichen Thema. Ralf Daute hat in seinem Artikel dankenswerterweise deutlich machen können, wie problematisch dieses Urteil ist, von dem ich hoffe, dass es in der nächsten Instanz einkassiert wird.

    Mir ist es ein Rätsel, warum die VG Bildkunst sich auf die Seite von Eva Beuys geschlagen hat, denn das Urteil ist ein Schlag ins Gesicht vieler, deren REchte die VG Bildkunst ebenfalls zu vertreten hat.

     
  4. 5

    @Zeitzeuge

    Die Stiftung hat es so gedreht, dass diese und andere Summen nicht in die Steuern zahlende Öffentlichkeit kommuniziert werden müssen.

    Schönes Ärgern!
    Basis-Demokrat

     
  5. 2

    Eine nette und anschauliche Darstellung des Urteils.

    Im Düsseldorfer Klüngel 😉 hatte ich aber eigentlich nix anderes erwartet. Wenn man schon offenkundig den Urteilstermin vom Dienstende des Anwalts der Beklagten bestimmen lässt…

    Erst mal abwarten, was der BGH dazu meinen wird. In Anbetracht der Auswirkungen eines derartigen Urteils hoffe ich doch auf die Behandlung dort. So rechtlich eindeutig scheint mir das Ganze ja nicht zu sein.
    _______

    Ich hatte mal auf meiner Internetseite eine Anleitung zur Herstellung des Beuys-Werks „Der Teebeutel“ veröffentlicht. Mmh, ob’s vor Gericht durchgegangen wäre? 😉
    Auch z.B. die Beuyskunst der Hasengrab-Serie lässt sich ja leicht umsetzen – z.B. wenn die Mülltonne mal zu voll ist … 😉

     
  6. 1

    hallo , bei kunstdisskusionen drängt sich mir die frage auf: was hat damals jeff koons mit cicciolina nochmal gemacht?