Last exit Zyfflich (Artikelrecycling)

Wie der geneigte Betrachter angesichts des vorigen Beitrags schon gemerkt haben wird, war gestern Radtour angesagt (zwei Länder, vier Getränke, acht Pfarrkirchen, ca. 20 Tierarten – und 65 km (laut Google)). Eine Station war Zyfflich, und da erinnerte ich mich daran, dass ich vor Jahren mal für die Süddeutsche Zeitung was Nettes über dieses schöne kleine Dorf geschrieben habe. Es führte dazu, dass der damalige Kranenburger Bürgermeister, ein bärtiger Mann, dessen Namen ich vergessen habe (Meisters?), einen wütenden Brief an den Chefredakteur schrieb. Der wiederum bat mich, was Freundliches zu antworten. Ich erwiderte also, dass ich im Grunde doch auch Kranenburger sei, da meine Mutter – geb. Vermaassen – aus Wyler stamme. Danach hörte ich nie wieder etwas von ihm. Hier aber nun, da er mir immer noch gefällt, mein kleiner Zyfflicherguss:

Zyfflich ist einfach das Letzte. Wie man es auch dreht und wendet, es gibt Zyfflich, und dann kommt überhaupt nichts mehr. Zyfflich ist ein Dorf mit 450 Einwohnern, und schon die alphabetische Betrachtung seiner Historie ist die Geschichte eines unaufhaltsamen Niedergangs: Der Name der Ortschaft stammt vom lateinischen Cevelum ab, die erste urkundliche Erwähnung aus dem Jahre 1002 nennt das Nest Saflika, und in der Neuzeit wurde daraus schlussendlich Zyfflich.

Vielleicht wollten die Menschen den Namen dieses Ortes einfach seiner Lage anpassen. Denn Zyfflich liegt nicht nur alphabetisch, sondern auch geographisch am Ende – am äußersten Rande des Landes, in den letzten Ausläufern des Niederrheins. Früher dachten die Menschen, dass dahinter die Welt zu Ende ist, heute wissen die meisten, dass etwa drei Kilometer nach der Ortsausfahrt noch Holland kommt. Aber ein großer Unterschied ist das nicht.

Also Zyfflich. Kein Bahnhof, kein Bäcker, kein Tante-Emma-Laden, ein Kiosk. Was passiert da eigentlich so? Gerade war Schützenfest, Rolf Jansen hat den Vogel abgeschossen und darf sich nun ein Jahr lang Rolf I. nennen. Glückwunsch. Auf der Kirmes gab es eine Oldie-Night, auf der „wie immer“ die Band „Jet Set“ spielte und vermutlich „dem Publikum einheizte“.

Wenn Kirmes und Schützenfest vorbei sind, wird es wieder ruhig in Zyfflich, sehr ruhig. Wer abends außer Haus ein Bier trinken will, hat im Grunde zwei Möglichkeiten: Er geht in die Gaststätte „Haus Polm“ und bestellt sich ein Pils. Oder er geht in die Gaststätte „Haus Polm“ und bestellt sich ein Alt. „Aber Alt wird weniger“, berichtet die Wirtin.

Die Ruhe wird tagsüber höchstens von muhenden Kühen unterbrochen und bescherte dem Dorf jetzt auch eine neue Attraktion: Ein betagtes Storchenpaar hat sich in der ländlichen Abgeschiedenheit des Niederrheins niedergelassen. Nun sind Störche ja normalerweise Zugvögel, die sich im Winter im südlichen Afrika erholen, aber für die Jan und Marie getauften Tiere wurde Zyfflich nach langen Jahren der Luftreisetätigkeit zur Endstation. Sie bleiben einfach da – last exit Zyfflich.

Das Storchenpaar ist die dritte Attraktion des Dorfes. Die beiden anderen sind die gemauerten Bushaltestellenhäuschen, die größten öffentlichen Bauvorhaben der letzten Jahre. Rentner aus Zyfflich, die nicht mehr wussten, was sie nach Rasen mähen und Einfahrt fegen sonst noch machen sollten, haben sie in Eigeninitiative errichtet. Vielleicht ist es neben den durchweg akkuraten Vorgärten auch diesen beiden Haltestellenhäuschen zu verdanken, dass Zyfflich gleich bei der ersten Teilnahme am Landeswettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ auf den zweiten Platz kam. Einmal nicht Letzter – muss das ein schönes Gefühl sein.

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5 Kommentare

  1. 4

    … und noch etwas gibt es in Zyfflich in Richtung Mucke – das Woodstockfestival am 09.Juli – ( siehe veranstaltungkalender kle-point ) und auch in karnevalisischer Richtung hat sich was getan im Grenzdörfchen. Zum wohlfühlen und relaxen ist man hier jedenfalls bestens aufgehoben.
    PS : Ich lebe übrigens in Kleve

     
  2. 3

    Das Zyfflich das Ende (der Welt) ist, stimmt schon, aber durchaus auch im positiven Sinne. Denn da ist wirklich noch Natur und es gibt keine quadratkilometergrossen Neubaugebiete und 8-spurige Querspangen.

    Dass dahinter die Welt aufhört bzw. Holland kommt, was kein unterschied wäre, sehe ich ganz anders, auch im „globaleren“ Zusammenhang Hinter Kleve/Zyfflich fängt die Welt bzw. das Leben wieder voll an. Bzw. aus Richtung Niijmegen hört die Welt in Richtung Kleve genauso auf wie aus Krefeld in Richtung Kleve auf.

    Ich würde es anders sagen: Kleve ist wirklich das Ende der Welt, tote Hose, ein tiefes Loch. Aber drumrum fängt die Welt wieder an.

    Auf der anderen Seite muss man sagen, dass man von Kleve aus sogar noch um 22:19h (Abfahrt) nach Aachen kommt.
    Das schafft man von Nijmegen aus nicht.

     
  3. 2

    Nachtrag: der besagte J.M ist ein Zyfflicher, was seine Reaktion erklären dürfte

    Das macht aber nichts, dafür haben die Einwohner seit einiger Zeit einen leibhaftigen Zollbeamten als Diakon in ihrer Mitte.
    Und das ist ja auch schon was.

     
  4. 1

    Dein Gedächtnis trügt Dich nicht. Es war Julius Meisters.

    Schön zu lesen, dass sich dort mit Ausnahme einer neu angelegten Boulebahn (Langeweile?) und dem importierten Bluesfestival nichts geändert hat.