Klever Monopoly: Das sind die neuen Spieler (die Post-Käufer)

Die erste Überraschung war, dass Bernd Zevens das Gelände der ehemaligen Post an der Hagschen Straße nicht gekauft hatte. Allerdings gewissermaßen eine Überraschung mit Ansage, denn der Investor hatte unlängst in einem Zeitungsgespräch erklärt, alles oberhalb des Fischmarkts sei für ihn nicht interessant.

Die zweite Überraschung ist nun, wer tatsächlich das Areal gekauft hat. Es handelt sich um ein Joint Venture des Klever Diplom-Kaufmanns Dirk Baumann und des Klever Handwerkers Clemens Wilmsen („Hof ten Berge“)!

Das ist in mehrfacher Hinsicht eine gute Nachricht: Wilmsen ist als verantwortungs- und geschmackvoll handelnder Investor an der Mozartstraße in Erscheinung getreten (Artikel aus dem Magazin DER KLEVER dazu hinter dem Weiterlesen-Button), und das Duo ist auch frei von sonstigen Klever Altlasten.

Wilmsen kann natürlich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nichts Konkretes vorstellen, aber er verspricht: „Wir möchten das Gelände im Sinne der neuen Stadtentwicklung erschließen und werden — gemeinsam mit den Verantwortlichen der Stadt Kleve und von Flächen.NRW — nach attraktiven Lösungen suchen.“

Gutes Gelingen — Kleve hat an dieser Stelle lange genug auf einen Leerstand geblickt!

Der folgende Artikel des geschätzten Autors Klaus Hübner ist der aktuellen Ausgabe des Magazin DER KLEVER erschienen:

Die Straßen heißen nach dem feinsten, was die deutschsprachige Kultur hervorgebracht hat. Doch das Leben in der Mozart- und Haydnstraße war nicht die Welt der „Zauberflöte“ und auch nicht die einer „Schöpfungsmesse“. Es ging oftmals ruppig zu in den Reihenhäusern des „Musikerviertels“, lautstarke Auseinandersetzungen, Streitereien und körperliche Attacken gaben den Ton an. Harmonie und Disharmonie unter den Mietern bestimmten die Partitur des Miteinanders.

Wer als seine Wohnadresse die Namen Mozart- oder Haydnstraße angeben musste, der hatte es, zynisch gesprochen, geschafft: Tiefer ging es in Kleve auf der sozialen Abstiegsleiter nicht mehr, die letzte Stufe war erreicht.

Ob Jugendamtsmitarbeiter, Stromableser der Stadtwerke, der Gerichtsvollzieher oder beauftragte Handwerker – oft konnte nur der Polizeischutz dafür sorgen, dass hier eine einigermaßen stabile Ordnung aufrecht erhalten werden konnte. Die „platten Dächer“, wie der Volksmund die verklinkerten Reihenhäuser nannte, verbreiteten Anklänge einer Ghettomentalität, in der das Prekariat, wie man es heute distanziert nennt, eine Parallelgesellschaft bildete, weitgehend ausgeschlossen von der kleinbürgerlichen Normalität der Nachbarschaft – allerdings auch mit vielen pittoresken Zügen. Beispielsweise war die Illumination der Häuser, wenn der Martinszug vorbeimarschierte, eine seltene Pracht, die umgekehrt proportional zum verfügbaren Einkommen ausfiel.

Schon der äußere Anblick des vom Mittelweg durch eine überdachte Einfahrt erreichbaren Geländes zeigte die isolierte Lage der sozialschwachen Bewohner. Zeitweise dienten die Häuser sogar als (unbeheizte) Obdachlosenunterkünfte – Endstation Mozartstraße, willkommen in der Sackgasse des Lebens!

Wie konnte es soweit kommen? Errichtet wurden die Reihenhäuser in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Es handelt sich um eine intakte Arbeitersiedlung, wie sie in dieser Form erst wieder im Ruhrgebiet anzutreffen ist und aus der Wohnungsnot der aus ländlichen Gebieten kommenden Zuwanderer vom 19. Jahrhundert so gebaut wurden.

In dem von Hansjoachim Henning 1991 herausgegebenen „Beiträge[n] zur Geschichte der Stadt Kleve im 20. Jahrhundert heißt es: „Auf einem solchen Grundstück am Mittelweg entstanden zwischen 1922 und 1926 die von der Gemeinnützigen Heimstätten AG erbauten vier Reihenhäuser an der Mozart- und Haydnstraße. Jede Reihe besteht aus zehn zweigeschossigen Kleinwohnungen mit bescheidenen 50 m2 Nutzfläche und Garten. Die vier flachgedeckten Blöcke bilden einen geräumigen Hof, der vom Mittelweg und der Mozartstraße über Torbauten – an der Mozartstraße leider durch Bombentreffer zerstört – zugänglich ist. Auf dieser vom Verkehr abgeschlossenen Fläche kommen die Nachbarn zwanglos zusammen und können die Kinder ungefährdet spielen.“

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges war in Kleve der Wohnungsbau in Gang gekommen, was auch daran lag, dass die Ende 1918 eingerückten belgischen Besatzungstruppen reichlich Wohnungsbedarf einforderten. Hermann Kunze berichtet in dem Aufsatz „Die städtische Wohnsiedlung am Mittelweg in Kleve“ im „Kalender für das Klever Land auf das Jahr 1985“: „Mitte 1923 waren die drei Blöcke mit dreißig Wohnungen – heute Mittelweg 47-55a, Haydnstraße l-20 – bezugsfertig. Der Rat stimmte einer Vereinbarung mit der Gagfah [Gemeinnützige Aktien-Gesellschaft für Angestellten-Heimstätten] zu, dass sie Wohnungen auch an Angehörige von Firmen und Behörden vermieten dürfe. 1925 wurden noch einmal Mittel für einen vierten Block mit zehn Wohnungen – heute Mozartstraße 4-22 – bewilligt. Als dieser letzte Bau 1926 fertiggestellt war, löste die Stadt den Vertrag mit der Gagfah und übernahm die Verwaltung der nunmehr 40 Wohnungen selbst.“ Die Ausgestaltung der Häuser mit flachen Dächern fand in der Öffentlichkeit keine große Zustimmung, galt unter Architekten jedoch als fortschrittlich.

Doch Investor Clemens Wilmsen (Hof ten Berge) hat sich vorgenommen, den unaufhaltsam scheinenden Niedergang des Viertels zu stoppen. „Rock me, Amadeus!“ heißt es seit einiger Zeit auf dem Areal – im Sommer 2015 soll die umfangreiche Kernsanierung abgeschlossen sein, wie Wilmsen sagt.

Wilmsen ist seit der Jahreswende 2010/11 der Eigentümer des Areals, er hat es von der Stadt Kleve übernommen. Es ist das „Doppel-T“, wie Wilmsen es nennt, mit den Straßen Haydn und Mozart und dem Mittelweg, wobei die Haydnstraße die Mozartstraße mit dem Mittelweg verbindet. „Das Objekt befand sich in einem relativ verwahrlosten Zustand, eine vernachlässigte Wohngegend, die in Kleve relativ bekannt und zuweilen auch berüchtigt ist,“ sagt Wilmsen.

Diese Zeiten haben sich inzwischen stark geändert, trotzdem ist dieser Ruf geblieben. „Die Situation ist schon seit Jahren eine ganz andere, aber die Geschichte klingt immer noch nach.“ Einige Familien aus den Vorzeiten leben dort bereits in der zweiten und dritten Generation, eine vor kurzem verstorbene Person wohnte dort über sechzig Jahre. Während der Sanierung wurde niemandem gekündigt, so dass noch einige Altmieter dort anzutreffen sind.

Noch stehen große Müllcontainer neben den innen und außen renovierten Flachdachreihenhäusern der Mozart- und Haydnstraße. „Jedes Reihenhaus stellt eine Wohneinheit dar,“ erläutert Clemens Wilmsen. „Das ist auch kulturhistorisch von Bedeutung, weil in Kleve sonst so etwas nicht mehr vorhanden ist.“ Die vierzig Reihenhäuser bestehen aus kleinen Wohnungen von etwa 65 Quadratmeter: 3 Zimmer, Küche, Bad, Gäste-WC und integrierter Dusche. Nach der Übernahme des Objektes durch Clemens Wilmsen wurde jede Wohnung von Grund auf saniert – vom Kellergeschoss über eine Fußbodenheizung bis zur Dreifachverglasung, neue Verkabelung, Bäder und Heizungsanlagen auf dem aktuellen energetischen Stand des Klimaschutzprojektes „KliKER“, an dem sich die Stadt Kleve beteiligt.

Nach hinten heraus wurden bodentiefe Fenster eingebaut, durch die man vom Wohnzimmer aus den Gemeinschaftsgarten betreten kann. Eine besondere Herausforderung bedeutete die Forderung, die äußere Struktur zu erhalten, ohne dass die Siedlung unter Denkmalschutz steht. Architektonisch gesehen sind die Fassaden mit den Dreiecksgiebeln, ihrer Gliederung und den Steinformationen das Besondere dieses Objektes. Die Fassaden wurden abgewaschen, entfugt und neuverfugt und repariert. Mit großem Aufwand wurde die Vermüllung beseitigt und die drei Meter hohe, mit Eisenzinnen bewehrte Mauer zum ehemaligen Pannier-Gelände abgerissen.

Bei den Reihenhäusern handelt es sich ausschließlich um Mietobjekte, die seit dem 1. September bezugsfertig sind. Zur Zeit läuft nach der Renovierungsphase das zweite Objektstadium – die Neuvermietung. „Wir wünschen uns, dass das neue Viertel in Kleve angenommen und dort eine renommierte Wohnlage entsteht,“ sagt Wilmsen. „Das Areal besitzt einen Innenhofcharakter und man kann es mit einer Art Beginenhof vergleichen. Ursprünglich existierte hier eine sehr starke autarke Nachbarschaft, von der Generationen gelebt haben. Das ging soweit, dass sich irgendwann niemand mehr darum kümmerte und es trotzdem funktionierte. Für die Menschen dort funktionierte es, gesellschaftspolitisch war es eine Katastrophe.“

Der Weg zurück – mit Unterstützung der Stadt – könnte noch ein steiniger werden, nicht nur im Hinblick auf die neue Bepflasterung der Mozart- und Haydnstraße, die Ende des Jahres beginnen soll. „Das Gebiet wird eine autofreie Zone mit kleinen Vorgärten und man wird allgemein erkennen, welche Vorzüge diese tolle Ecke in Zukunft bietet.“ Das haben schon Dozenten und Studenten der Hochschule Rhein-Waal, Lehrer und Neubürger erkannt, die sich bereits eingemietet haben und imagetechnisch etwas bewirken werden.

Ganz ohne Abriss – wie so oft in Kleve – ging es aber auch hier nicht. Die großen Wohnblocks an der Mozartstraße zur Johanna-Sebus-Schule hin fielen 2010 der Abrissbirne zum Opfer. Auf diesem frei gewordenen Grundstück plant Clemens Wilmsen Neubauwohnungen, die nach Beendigung des Projektes Haydn-Mozartstraße barrierefrei errichtet und in einen städtebaulichen Zusammenhang gestellt werden sollen.

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4 Kommentare

  1. 4

    Ich hab gesehen, dass da überall Schilder von Repp hängen, aber Clemens Wilmsen ist doch der Bruder vom Architekten Michael Wilmsen…

     
  2. 2

    >“zum gegenseitigen Zeitpunkt “

    zum gegenseitigen zeitpunkt? Was ist denn das?
    Das kann ich mir nicht vergegenwärtigen…