kleveblog-Wahlanalyse: Das Phänomen Guido Winkmann, das den halben Borussia-Park füllt

Dass ein Schiedsrichter, zum Beispiel durch einen falschen Pfiff, ein Spiel entscheiden kann, kennt man. Aber ein Spiel gewinnen?

Handgeschriebener Dank: Guido Winkmann

Wenn man sich die Ergebnisse der Landratswahl anschaut, verblüffen die 23,1 Prozent der Wählerstimmen, die der Bundesliga-Schiedsrichter Guido Winkmann, in der Politik ein Novize, auf sich vereinigen konnte. Noch erstaunlicher wird das Resultat jedoch, wenn der Wahlausgang in den einzelnen Kommunen betrachtet wird: In Kerken, seiner Heimat, holte Guido Winkmann unglaubliche 48,6 Prozent der Stimmen, mehr als Silke Gorißen (35,4 Prozent) und Driessen (12,4 Prozent) zusammen. Dass Winkmann in Kerken gut abschneidet, war allerdings (wegen des Heimvorteils) zu erwarten.

Deshalb ist noch verblüffender, dass der Referee in weiteren acht Kommunen mehr Stimmen holte als der Bürgermeister aus Bedburg-Hau – in Rees, Rheurdt, Geldern, Issum, Kevelaer, Straelen, Wachtendonk und Weeze, wobei er teilweise mehr als das Dreifache der Stimmen von Driessen auf sich vereinigen konnte. Fällt was auf? Winkmann hat den Südkreis für sich einnehmen können, hier war Peter Driessen für viele Wähler also entweder eine unbekannte Größe oder aber ein Vertreter des (ungeliebten) Nordkreises.

Würde man alle Wähler, die für Winkmann votierten, in den Borussia-Park nach Mönchengladbach verfrachten, wäre das Stadion mehr als zur Hälfte gefüllt. „Danke für mehr als 30.000 Stimmen“, ließ der Schiedsrichter den auch als Botschaft am Wahlabend verbreiten. Genau waren es 30685, sein Konkurrent Driessen kam trotz eines deutlich aufwändigeren Wahlkampfs gerade einmal auf 1315 Stimmen mehr.

Was ist da passiert? 1. Feststellung: Peter Driessen kam nur in zwei Kommunen auf bessere Ergebnisse als Silke Gorißen. In Bedburg-Hau fuhr er einen der für ihn gewohnten erdrutschartigen Siege ein, diesmal mit 60 Prozent. Gorißen kam auf 30 Prozent. Und in Kleve, der Stadt, die sich für das Zentrum des Universums hält, gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem knapp besseren Ende für den Bürgermeister aus Bedburg-Hau (41,0 zu 38,5). Außerhalb seines Hometurfs allerdings verschlechterten sich die Zahlen für Driessen sofort dramatisch – zum Beispiel in Goch (26 Prozent) oder Uedem (20,9 Prozent). Außerhalb der Hauptstadt und Heimatgemeinde fielen ihm die Stimmen nicht wie erwartet zu.

Eine Art politischer Arithmetik hätte ergeben, dass SPD, Grünen, FDP und Freie Wählergemeinschaften, die sich alle für Driessen ausgesprochen hatten, so viele Anhänger zu Driessen hätten steuern können, dass die Sache deutlich knapper und womöglich sogar für den 64-Jährigen hätte ausgehen können. Bei den Kreistagswahlen holten die drei Parteien und die Wählervereinigungen 66.025 Stimmen – Driessen aber nur 31.900.

Was ist da passiert? Sagen wir es in der Sprache des Sports: Winkmann hat diesen Überlegungen die Rote Karte gezeigt. Offenbar haben die politisch nur locker interessierten, aber irgendwie unzufriedenen Menschen im Kreis Kleve Gorißen und Driessen dem Establishment zugeordnet und im unkonventionell auftretenden Winkmann die einzig wirkliche Alternative gesehen. Die mitunter etwas hemdsärmelig produziert wirkenden Videos (Typ: Winkmann vor Flipchart) wurden in den anderen Lagern belächelt, in Wahrheit aber waren sie seine Stärke, weil sie unter Beweis stellten, dass er authentisch geblieben ist. Hinzu kommt, dass Winkmann als Sportsmann natürlich wie kein anderer dafür steht, fair und unparteiisch zu sein. Und als Schiedsrichter in der Fußball-Bundesliga hat er unter Beweis gestellt, in seinem Metier zu den besten seines Fachs zu gehören. Die Tätigkeit hat ihm zudem in weiten Teilen des Kreises bekannt gemacht, er musste nicht mehr großartig ins Geschehen eingeführt werden („Winkmann? Ach, der Schiedsrichter!“, und man war sofort im Stoff).

In den Wochen vor der Wahl kursierte in den politischen Zirkeln die These, dass Winkmann eher Silke Gorißen schaden würde, er sei die Alternative für die Menschen (vor allem aus dem Südkreis), die mit Silke Gorißen nichts anfangen könnten und ihre südwärts gerichteten Anbiederungen misstrauten. Winkmann als Denkzettel für die CDU sozusagen. Doch es kam anders: Die CDU hielt ihre Truppen ganz solide zusammen, Gorißen kam sogar in sieben der 16 Kommunen des Kreises auf eine absolute Mehrheit. Und Winkmann brach ins andere Lager ein.

In der Stichwahl fehlt der Schiedsrichter. Um noch eine Chance zu haben, muss Peter Driessen alle Anhänger von Winkmann gewinnen.

kleveblog-Service: Die Ergebnisse der Landratswahl je Kommune:

GorißenDriessenWinkmannEitzert
Rheurdt49,015,730,25,0
Emmerich55,522,018,14,5
Rees61,615,718,34,4
Bedburg-Hau30,760,47,11,8
Goch49,626,818,45,2
Kalkar41,939,614,44,2
Kleve38,541,016,54,0
Kranenburg42,131,523,13,2
Uedem58,920,915,94,3
Geldern54,911,629,14,9
Issum53,211,830,24,8
Kerken35,412,348,63,8
Kevelaer54,017,724,24,1
Straelen47,911,837,62,7
Wachtendonk47,614,132,26,1
Weeze53,911,837,62,7
Angaben in Prozent
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19 Kommentare

  1. 18

    16. Escorial grün „Frauenbonus“
    Ach nee, wenn es von einer Frau kommt, ist Diskriminierung von Frauen wohl ok, wenn auch positiv gemeint ?
    Dass ihnen das mit den Mails passiert darf gar nicht. Sofern sie nicht eine gewisse Grenze, die sie selbst bestimmen, überschreiten, würde ich sie einfach löschen, und alles andere, vor allem, wenn auch noch ihr Kind ins Spiel gebracht wird, konsequent zur Anzeige bringen. Das ist nicht lustig, sondern höchst beleidigend.
    Dass Frauen nicht ganz nach Oben kommen, kann ich nicht unbedingt nachvollziehen, schauen Sie sich U. v.d. Leyen an, trotz 7 Kindern ist sie ganz schön hoch gekommen, und ihrem perfekten Englisch hat sie´s auch nicht zu danken. Aber Frauen in hohen Positionen sind wenige.
    Ich gebe Ihnen Recht, wenn der Papa nicht Ernst Albrecht gewesen wäre, wär´die Karriere wohl mittendrin stecken geblieben.
    Einen Nachteil, der Frauen natürlich anhängt ist, dass Mauscheln und Korruption unter ihnen weniger toleriert wird, auch wenn ich das mehr als Vorteil sehen würde.
    Aber dass viele fähige Frauen unter vielen weniger fähigen Männern angesiedelt werden ist ein Fakt, der auch nicht so schnell nachlassen wird.
    Aber die Politik arbeitet doch dran, und der Wähler auch.

     
  2. 17

    @Escorial …: Was ist schlimm daran, wenn Frau sich gegen sexuelle Belästigung (und exakt das ist es) zur Wehr setzt? Was ist schlimm daran, dass eine Kandidatin oder auch ein Kandidat zeigt Familienmensch zu sein (solange es nicht vorgeheuchelt wird – bei Frau Gorißen ist es nicht vorgeheuchelt und auch Herr Driessen tut es sich mit 64 ja scheinbar nur wegen der Familie noch an). (…)

     
  3. 16

    Bleibe dabei, und das ist die persönliche Meinung eines ahnungslosen, der nix von Politik versteht. Der aber seit 25 Jahren in der Pflege arbeitet, und noch nie verstanden hat warum Frauen es so schwer haben, ganz nach oben zu kommen. Werde als Person mit Hassmails zugeschüttet, mir werden ständig erigierte Penisse geschickt, und dann erscheint auf jedem 2. Plakat mein Sohn. Würde ich persönlich als Familienvater im Wahlkampf eh nicht machen, und warum sonst als aus wahltaktischen Gründen ist es so (Vll war sie Kampagne schon vor den schmutzigen Mails schon geplant, kann sein, würde es trotzdem nicht tun).
    Und es ist doch wohl logisch, daß Herr W. mit seinen Qualitäten als Schiri wirbt, hat Frau G auch gemacht, Frauenbonus und Juristenbonus gezogen……

     
  4. 15

    @11. Escorial grün Finden Sie die Werbung mit dem Kind wegen Coronavirus und Abstandsregeln nicht gut? Oder was meinen Sie?

     
  5. 14

    @Escorial grün: was meinen Sie denn mit den Ereignissen der letzten Wochen? Die sexistischen Attacken auf Silke Gorißen? Sind wir jetzt soweit, dass die Opfer sich anpassen und rechtfertigen müssen?Am Ende sind die Opfer sebst schuld? Wie sollen wir diese Bermerkung verstehen? Und Winkmann: dafür hat er die Promikarte mit dem Bundesligaschiedsrichter reichlich gezogen. Ohne den Promibonus wäre seine Bewerbung kaum zur Kenntnis genommen worden. Und in seinem Video für die Wirtschaftsjunioren hat er sich mit Katze gefilmt. Hat mich an irgendeinen James-Bond-Bösewicht erinnert…Da kann ich keinen Unterschied bei den Kandidaten sehen.

     
  6. 12

    @11 Escorial grün Was wäre wohl gewesen, wenn Winkmann auch einen Köter ins Spiel gebracht hätte? Und ein Kleinkind auf dem Arm gehabt hätte. Nicht auszudenken.

    Obwohl, das mit den Hunden hat nicht wirklich funktioniert.

     
  7. 11

    Artikel über G. Winkmann, kein Kommentar diesbezüglich?
    Ralf hat vor der Wahl gesagt, seine Chancen wären ähnlich groß wie ein DFB-Pokal Sieg vom FC Kleve 🤔.
    Ferner hat er wohl aus eigener Tasche diesen Wahlkampf bezahlt, hat nicht die Karte Hund oder Familie gezogen. In diesem Zusammenhang fällt mir doch ein, dass Frau G. am Samstag mit einem (ihrem) Kind eine Werbung in den NN geschaltet hat, was ich nach den Ereignissen der vergangenen Wochen sehr befremdlich finde.

     
  8. 9

    @8. Protestwähler „Informationen über die Persönlichkeiten“
    Die rechnerische Summe bildet sich ähnlich wie im Rat der Stadt Kleve.
    Die Mehrheit im Kreishaus steht ja bereits fest. Da brauche ich nicht mehr viel Informationen über die Persönlichkeiten der Finalisten. Da reicht mir schon das Wissen, dass die eine Finalistin potentiell jung, dynamisch, und das Parteibuch der grössten Fraktion innehat, während der zweite Finalist zwar Erfahrung in der Führung einer Verwaltung hat, aber weder als jung, noch als dynamisch zu Buche steht, und qua Parteibuch auch nur auf die feste Unterstützung einer kleinen Fraktion rechnen kann.
    Da gönne ich Herrn Driessen noch viele erholsame Jagdausflüge mit seinen neuen Investorenkumpels und eine erquickliches Rentnerdasein und hoffe, dass Frau Gorißen wenigstens etwas frischen Wind in die angestaubten Kreishallen bringt.
    Viel Frischluft ist bekannterweise schon einmal die erste Voraussetzung, einen unabhängigen klaren Gedanken zu fassen.
    Deshalb steht für mich die Siegerin aus Mangel an echten Alternativen bereits fest und zeigt der unerwartet grosse Erfolg des Bundes-Schiri, dass mit mir Viele die gleichen Gedanken hatten, sich nur von der Tradition nicht lösen wollten, das, was ihre Eltern und Grossältern schongewählt haben, auch anzukreuzen.

     
  9. 8

    @7. jean-baptiste Balsam für die gequälte Seele wäre, wenn ich eine bessere Entscheidungsgrundlage hätte. Dafür brauche ich aber Informationen über die Persönlichkeiten der Finalisten. Einen Peter Driessen, der sein Fähnchen in den Wind hängt, kann ich genauso wenig gebrauchen wie eine Silke Gorißen, die den Airport ihres Vorgängers pflegen muss oder will.

     
  10. 7

    @4. Protestwähler „Stichwahl“
    Und das hilft dann als Balsam zur Beruhigung der gequälten Seele ?
    In manchen Fällen muss auch Silke Gorissen erst einmal mit den Wölfen heulen.
    Auch Gorbatschow hat seine Karriere auch nicht mit Perestroika und Glasnost begonnen.

     
  11. 6

    In den Niederrhein Nachrichten erklärt Driessen heute online, sein Ergebnis sein ein „reines Kommunikationsproblem“. So sieht doch mal eine ehrliche, selbstkritische Fehleranalyse aus! Statt stärker auf die ihn unterstützenden 4 Parteien zu setzen, die mehr als doppelt so viele Stimmen bekommen haben wie Driessen selbst, bleibt er bei seiner Personality-Show. Nur, dass sich die Begeisterung der Wähler für einen 64jährigen in engen Grenzen hält, der inhaltlich völlig schwammig geblieben ist und demonstrativ nicht einmal den amtierenden Landrat ernsthaft kritisiert hat. Zitat aus der NRZ im Juli 2020: Wolfgang Spreen hat viel für den Kreis bewegt und ist ein netter Mensch. Da fragt man sich nur, warum die Leute dann nicht einfach weiter CDU wählen sollen.

     
  12. 4

    Aus Protest gegen Peter Driessens Niemand-will-den-Wald-komplett-abholzen-Verarsche und seiner (vorgespielten ?) Unfähigkeit Bebauungspläne zu verstehen, habe ich Silke Gorißen gewählt und das obwohl mir die CDU mit der Airport-Nummer und ihrer Ich-tue-dir-einen-Gefallen-dann-tust-du-mir-einen-Gefallen-und-alle-anderen-gucken-in-die-Röhre-Mentalität zuwider ist. Bei der Stichwahl werde ich dann wohl Driessen wählen.

     
  13. 3

    Familiäres Nachwahlgespräch zur Landratswahl (in einem Ort am südlichen Rand des Nordkreises, in dem Driessen noch ein paar Prozentpunkte vor Winkmann liegt, bevor er kurz danach im Südkreis abfällt):

    P1: Was habt ihr gewählt? (Diese Frage ist in dieser Familie so normal wie die Frage ‚was gibt es zu essen?‘)
    P2: Weiß ich schon nicht mehr… (Das kommt bei P2 in letzter Zeit häufiger vor)
    P2 an P3: Was haben wir gewählt?
    P3: Ich weiß nicht, was du gewählt hast, ich hab Winkmann gewählt.
    P1: Warum Winkmann? Weil er Bundesligaschiedsrichter ist?
    P3 (fußballaffin): Der sportliche Gedanke stand im Vordergrund…
    P1: Weil du ihn für aktiv, tatkräftig hältst?
    P3: Ja, genau. CDU hab ich noch nie gewählt und Driessen sagt mir nicht viel …
    P2: Jetzt weiß ich wieder, was ich gewählt habe: Driessen
    P1: Warum Driessen?
    P2: Ãœber den hab ich was in der Zeitung gelesen, das fand ich nicht schlecht…
    P1: Wie findet ihr denn Silke Gorißen?
    P3: Die lief mir vor nicht allzu langer Zeit noch hier vor die Füße, war mit A. unterwegs
    P1: Wo war das denn?
    P3: Ja, hier in der Stadt, sie waren zu Fuß, ich auch…
    P1: Und dann?
    P3: Sie wurde mir vorgestellt und hat sich dann auch nochmal selber vorgestellt, war ein bisschen blass, aber sympathisch
    P1: Aber wählen wolltest du lieber den Schiri?
    P3: Ich hab noch nie CDU gewählt
    P1: Oder weil du keine Frau als Landrätin willst?
    P3: Da müsstest du mich besser kennen
    P1: Stimmt, ich wollte es nur nochmal hören. Und bei der Stichwahl?
    P3 (vorher Winkmann): Wahrscheinlich Driessen
    P2 (vorher Driessen): Ich wähle vielleicht Frau Gorißen

    So mischen sich die Karten neu.

     
  14. 2

    Driessen war als Kandidat eine Fehlentscheidung der ihn unterstützenden Parteien. Er hat als Kandidat vierer Parteien prozentual weniger Stimmen bekommen als Jürgen Franken als reiner SPD-Landratskandidat 2015. Er hat weniger als die Hälfte der Stimmen bekommen, die die ihn unterstützenden Parteien bei der Kreistagswahl bekommen haben. Und trotz Winkmann hat Gorißen mehr Stimmen bekommen als die CDU. Das ist kein gutes Zeugnis für den Kandidaten Driessen. In den sozialen Netzwerken war Gorißen viel präsenter als Driessen, bei dem man immer das Gefühl hatte, dass er nie selbst postet, sondern das alles seine Agentur machen lässt. Das wirkte genauso aufgesetzt wie der Hund auf dem ersten Plakat, der ihm gar nicht gehört, was man an der ganzen unbeholfenen Inszenierung auch schon sehen konnte. Im Zweifel hat Driessen im Ergebnis seine Parteien vermutlich sogar heruntergezogen. Mit eigenen Kandidaten hätte man vielleicht eine eigene Kreistagsmehrheit schaffen können.