Kleingeld-Abschaffung: Kleve war seiner Zeit weit voraus – zu weit?

In diesem Video rauschen exakt 350 Münzen im Wert von 5,30 € in die Tonne

Die Idee der früheren Stadt Marketing-Chefin Ute Marks war der größte PR-Erfolg der Stadt Kleve seit der Verkuppelung der Fürstentochter Anna von Kleve mit dem englischen König Heinrich VIII im Jahre 1540. Gerade einmal vier Jahre ist es her, dass Marks mit der Idee an die Öffentlichkeit trat, in Kleve das Kleingeld abzuschaffen – 1-Cent- und 2-Cent-Münzen sollten aus den Ladenkassen und Portemonnaies verschwinden, stattdessen sollte der Bezahlvorgang die nächste glatte Summe ansteuern. „Verehrte Kunden – wir runden!“, Ein solcher Aufsteller aus Pappe sollte die Kunden darauf aufmerksam machen, dass in dem Nest am Niederrhein eine Revolution des Bezahlens angestrebt wurde.

Der Schritt katapultierte Kleve in nahezu alle Medien weltweit – bis hin zur New York Times. Das muss man erst einmal schaffen! Allerdings blieben auch viele Beobachter skeptisch. Auch der damalige Bericht in kleveblog mutet aus heutiger Sicht doch etwas apokalyptisch an (Die total verrückte Klever Kleingeldstaaterei).

Anderswo war das Geschrei groß, dass die Kassen nicht mehr stimmten, und insgesamt hielt sich die Mitwirkung im Handel in engen Grenzen. 800 Händler hatte das damals noch existierende Klever City Netzwerk angeschrieben, 20 hatten geantwortet, davon waren die meisten für den Plan, das Kleingeld abzuschaffen. Der lange Atem aber fehlte. Irgendwann in den Monaten danach verschwand die Idee wieder in der Versenkung, genauso wie die Aufsteller auf den Ladentheken.

Doch vier Jahre sind eine lange Zeit. Wer heute Bezahlvorgänge in Supermärkten beobachtet, sieht immer häufiger, dass Kunden nur noch die Karte an das Lesegerät halten – was eindeutig deutlich bequemer ist als die Geheimzahl einzugeben. Und bei den Kunden, die mit Bargeld bezahlen, erlebt man mit steigender Tendenz, dass diese von sich aus auf die Herausgabe von Kupfermünzen verzichten. Hinzu kommt die Tatsache, dass viele Preise – zum Beispiel bei dm – ohnehin nicht mehr auf krumme Beträge enden.

Weiter westlich gibt es bereits Geschäfte, die Bargeld überhaupt nicht mehr akzeptieren. Und in der Gastronomie in den Niederlanden wird man auch nicht schief angeschaut, wenn zwei Biere mit Karte bezahlt werden sollen.

Das alles konnte in Brüssel nicht unbemerkt bleiben. Und so beschäftigt sich das am Mittwoch veröffentlichte Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission unter der Überschrift „An economy that works for the people“ mit der möglichen Einführung universeller Rundungsregelungen im Zahlungsverkehr. Wörtlich heißt es: „Evaluation of the use of one- and two-euro cent coins and of the possibility to introduce common rounding rules. A possible proposal would introduce common rounding rules to address the challenges related to the use of one- and two euro cent coins (legislative, incl. impact assessment, Article 133 TFEU, Q4 2020).“

Zuletzt hatte hier in der Region die Sparkasse Kleve beispielsweise darauf hingewiesen, welche Kosten durch das Metallgeld entstehen. Nach Abschluss des Weltspartages, der wegen des Andrangs zu einer Woche ausgeweitet wurde, musste das Institut zwei Lastwagen voller Kleingeld wegschaffen lassen.

Entschieden ist noch nichts, aber binnen vier Jahren haben sich die Umstände doch so geändert, dass Ute Marks und die Klever Händler plötzlich wie Visionäre dastehen. Und was sagt die nunmehrige Visionärin selbst? „Ich hab mich erst mal gefreut, als ich das Thema und Kleve heute Morgen wieder im WDR gehört habe wie damals schon mit Ludger“, so Marks zu kleveblog.

„Nach wie vor – finde ich – war es eine super Idee, mit dessen Resonanz in der nationalen und internationalen Presse wir damals ja überhaupt nicht gerechnet hatten. Ich glaube aber, dass die Idee, wenn sie einen Motor behalten hätte, sich auch in Kleve hätte besser durchsetzen können. Aber damals war auch das Netzwerk nicht mehr so geschlossen und nur alleine Klaus Fischer der das wirklich tapfer gemacht hat konnte es auch nicht reißen. Jetzt werden wir mal sehen, ob Europa diesen Schritt umsetzt.“

kleveblog tippt: Es wird so kommen.

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18 Kommentare

  1. 17

    @16. Niederrheinstier
    Ja, das Muscheln an manchen Tankstellen als Zahlungsmittel akzeptiert werden (man achte auf das gelbe Muschel-Symbol auf rotem Grund) ist allgemein bekannt. Mit den Gräten halte ich das so, dass ich die sammel und als Zahnstocher an Drogeriemärkte verkaufe. Bei der Bezahlung mit Fisch hat sich vor allem getrockneter Fisch (Stockfisch) bewährt, da der sehr haltbar ist.

     
  2. 16

    @5 (Seebär)
    Mmuuuh, Seebär, mmuuuh! Habe heute von einem entfernten Verwandten aus Niedersachsen 20 Gräten und 50 Muscheln erhalten, um mir davon ein paar zusätzliche Leckerlis zu kaufen, mmuuuh. Muscheln und Gräten sind ja dort bekanntlich die offizielle Zweitwährung, mmuuuh. Bitte schreiben Sie hier, Seebär, wieviel ist heute der Fisch, mmuuuh? Und schreiben Sie bitte auch, warum wollen Sie zukünftig (wieder) mit Fisch zahlen, mmuuuh? Ich an Ihrer Seebärstelle würde den Fisch ja ausnehmen, dann (ohne die Gräten) verspeisen, um mir dann für die Gräten ein paar Schrimms als Nachspeise zu kaufen, mmuuuh!

     
  3. 13

    @12 Josef Johann

    Seit den 1990er Jahren bin ich außer Dienst. Gerne stehe ich als Wirtschaftssystem jederzeit wieder zur Verfügung.

     
  4. 12

    Wir leben seit der Währungsreform 1948 sehr gut mit der Sozialen Marktwirtschaft nach Ludwig Erhard. Dazu gehört die frei Preisfindung in allen Bereichen des Lebens. Wer der Meinung ist, Kleingeld sei für ihn eine Belastung, kann für sich frei die Abschaffung entscheiden. Einem behördlichen Zwang muß mit allen demokratischen Kräften widersprochen werden.
    Zur Zeit wird über Preisfindung unter Leitung der Bundeskanzlerin debattiert. Daran ist nichts auszusetzen, wenn die Freiheit der Preisfindung nicht beeinträchtigt wird. Und schon sind die GRÃœNEN wieder mit einer unmöglichen Vorstellung unterwegs. Lt. RP sagte die wirtschaftspolitische Sprecherin der GRÃœNEN-Fraktion im Bundestag: „Mindestpreise müssten wir im deutschen Recht verankern.“ Unmöglicher geht es kaum. Das passt aber zu den Aussagendes GRÃœNEN Bundesvorstandes bei div. Auftritten; Enteignung, Änderung der Marktwirtschaft usw. Wenn ich an das Gerede über eine Schwarz-Grüne Bundesregierung nach der nächsten Wahl denke, verstehe ich die Wähler nicht.

     
  5. 11

    Bei
    https://www.supermarktblog.com/2013/06/18/adieu-1-cent-munzen-warum-uns-dm-heimlich-rundungsrabatt-gibt/
    wird Erich Harsch, 2013 Vorsitzender der dm-Geschäftsführung, zitiert :

    “ Im Zuge des Verzichts auf lockende Aktionspreise und der erfolgreichen Einführung der niedrigen Dauerpreise haben wir für unsere Kunden Mitte der 90er Jahre konsequent auf 5er-Endungen bei unseren Preisen umgestellt. Dies soll den Kunden und unseren Mitarbeiterinnen an der Kasse eine komfortablere Kleingeldhandhabung ermöglichen. Darüber hinaus ist uns wichtig, unseren Kunden kein scheinbares (und rein lockendes) Unterschreiten von Preisschwellen zu suggerieren. “

    und

    “ Wir runden auch ab auf 0er- oder 5er-Endung der Gesamtsumme, sollte sich aus rechnerischen Gründen, wie beispielsweise bei Foto-Aufträgen, doch eine andere Summen-Endung ergeben. “

    dm rundet also bereits seit rund 25 Jahren
    und zwar grundsätzlich AB.
    niemals AUF.

    allerdings :
    ### die Rabattbereitschaft hat ihre Grenzen: Sobald ein Kunde an der Kasse einen ungeraden Betrag produziert, aber nicht bar, sondern per Karte bezahlt – wird ihm auch der ungerade Betrag vom Konto abgezogen. ###

     
  6. 10

    Ja, bei dm sind ohnehin schon (fast) alle Preise auf 5Cent gerundet.
    ABgerundet – mindestens in den meisten Fällen.
    Viele enden auf ,95 statt ,99.
    Kenne keinen, der von ,99 auf ,00 AUFgerundet erscheint.
    Somit ist es gar nicht nötig,
    an der Kasse die Summe noch zu runden.

    Einzige Ausnahme, die ich kenne, sind die Preise für FotoArbeiten.
    Dort kommen Preise wie 0,17 EURo pro Abzug vor.
    0,34 EURo für 2 Abzüge,
    0,51 EURo für 3,
    0,68 EURo für 4,
    0,85 EURo für 5,
    1,02 EURo für 6,
    1,19 EURo für 7,
    . . .

    An der Kasse wird – meiner Beobachtung nach – die EndSumme grundsätzlich ABgerundet.
    Auch aus 0,68 EURo werden nur 0,65 EURo,
    aus 1,19 EURo nur 1,15 EURo.
    dm „verliert“ dadurch pro Kauf, der FotoArbeiten enthält, bis zu 4 Cent.
    Das scheint lukrativer zu sein als mit 1- und 2CentMünzen hantieren zu müssen.
    Eine solche betriebsWirtschaftliche Kalkulation ist m.E. OK.
    Schließlich ist es auch betriebsWirtschaftlich entstanden,
    mit Preisen wie 1,99 EUR zu (ver)locken statt realistischer aussehende 2,00 EURo zu verlangen.

    Solange grundsätzlich ABgerundet wird,
    bin ich damit einverstanden.

    In den NiederLanden, wo nicht ABgerundet wird sondern GErundet,
    kann jeder Kunde leicht darauf achten,
    daß er nicht 1 oder 2 Cent draufZahlt :
    Wenn alle ArtikelPreise auf ,99 enden,
    dann werden möglichst insgesamt 3, 4, 8 oder 9 Artikel gekauft
    und statt ,97 oder ,96 bzw. ,92 oder ,91 EURo
    nur ,95 bzw. ,90 EURo bezahlt.

     
  7. 9

    @7 Amazon, Google und Facebook können es bei vielen heute schon. Bei der Wahl von Trump und beim Referendum über den Brexit spielte das auch schon eine Rolle durch den massiven Einsatz von Bots.

     
  8. 8

    @4. Jens
    ok, mein Wissen stammt von Anfang 2017, seitdem komme ich dort aus persönlichen Gründen (Bedarf weggefallen) nicht mehr.
    Würde mich intressieren, warum die jetzt nur noch auf 5 ct gerundete Artikelpreise haben, denn das könnte den Kunden natürlich wohl Geld kosten, und wäre nicht im Sinne des Erfinders.

     
  9. 7

    Nur eine der Folgen, die die Abschaffung des Bargelds hätte: Es könnte über jeden Menschen ein Profil erstellt werden, welche politische Meinung er oder sie hat. Der Kauf von Büchern (elektronisch oder in Papierform) und das Lesen von Zeitungen (in welcher Form auch immer sofern kostenpflichtig oder zumindest registrierpflichtig) wird indirekt dokumentiert bzw. kann genau dokumentiert werden. Wenn diese Daten in die Hände von Organisationen, Unternehmen, Parteien oder Personen geraten, ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet mit unter Umständen drastischen Folgen. Demokratiefeindliche Kräfte haben dann die besten Voraussetzungen die Gesellschaft und den Staat unter ihre Kontrolle zu bringen.

     
  10. 6

    @5 Seebär Sehe ich genauso mit dem Bargeld. Und was sollten Bettler machen, wenn es kein Bargeld mehr gäbe? Es gibt ja so komische Ideen, Spenden mit Ec-Karte zu ermöglichen.
    Und wie sollen Kinder den Umgang mit Geld lernen, das sie nicht sehen und anfassen können?
    Ich habe immer kleine Bargeldvorräte in Dosen, zu Hause und im Büro, für alle Fälle. Wenn mal der Geldautomat nicht funktioniert. Da sammel ich neu aussehende Münzen und glatte Scheine.

     
  11. 5

    @2. van Cleef
    Genau, Bargeld und die damit verbunde Anonymität ist eine Voraussetzung für Demokratie. Wenn es tatsächlich nur bei der Abschaffung der Ein- und Zwei-Cent-Münzen bliebe, sehe ich da noch keine Gefahr. Falls das aber der Auftakt sein sollte, das Bargeld sukzessive abzuschaffen, werde ich dazu übergehen mit Fisch zu bezahlen.
    Nein, im Ernst, dann ist entweder der Tauschhandel eine nicht praktikabele aber notwendige Alternative oder die Einführung einer anonymen Währung, um parallel einen nicht überwachten Handel zu ermöglichen.

     
  12. 4

    „Warum nicht bei dm (Drogeriemarkt) ist leicht zu erklären, die runden grundzätzlich auf nie nächstniedrigere 5ct – Stufe ab, und verrechnen das als Bar-rabatt.“

    Ich bin jetzt nicht so oft bei dm, aber meiner Beobachtung nach enden alle Preise bei dm auf 5 cent. Da muss überhaupt nicht gerundet werden.

     
  13. 3

    @2. van Cleef „Bei der Abschaffung des Bargelds“
    Ich glaube, Sie sprechen da über eine ganz andere Baustelle.
    Das Thema sind die 1ct und 2ct Münzen. Schon darüber werden genügend falsche Berichte verzapft.
    So hat es nichts mit der Rundung von Einzelpreisen zu tun, sondern lediglich beim Barzahlen der gesamten Einkäufe wird bis 2ct abgerundet, und ab 3ct aufgerundet.
    Das grösste Problem wird dabei sein, dass überall (bis auf dm) die Kassen neu programmiert werden müssen, da das Finanzamt ja keine Fehlbeträge, egal wie klein auch immer, toleriert.
    Warum nicht bei dm (Drogeriemarkt) ist leicht zu erklären, die runden grundzätzlich auf nie nächstniedrigere 5ct – Stufe ab, und verrechnen das als Bar-rabatt.
    Spart den Handel viel Geld an Münzbeschaffung und Gebühr für das Einliefern von Kleinstmünzen.
    Ausserdem, in NL klappt das schon lange reibungslos, warum dann nicht bei uns?

     
  14. 2

    Ich könnte hier jetzt viel schreiben, versuche mich allerdings aufs wesentliche zu begrenzen: Bei der Abschaffung des Bargelds geht es in der Hauptsache darum, mehr Kontrolle über die Gesellschaft zu bekommen. Bei Kartenzahlung, als auch bei Zahlungen von Kryptowährungen (wenige anonyme Coins ausgenommen) ist jede noch so kleine Zahlung, selbst Jahre später, nachverfolgbar und der jeweiligen Person zuzuordnen.

    Das ist bei Bargeld nicht der Fall, und genau aus diesem Grund stelle ich mich entschlossen gegen jeglichen Versuch, Bargeld zu reduzieren oder ganz abzuschaffen. Es ist ein tiefer Einschnitt in unsere Freiheit und ich kann meine Mitmenschen nicht verstehen, die das ganze dann noch feiern.

     
  15. 1

    Wer den Cent nicht ehrt, ist auch nicht des Euros wert! Sagt man dies nicht so im Volksmund ?

    Sollte man gemeinnützigen Vereinen spenden! Die brauchen, glaube ich, keine Gebühren beim Umtausch zu entrichten. Oder liege ich da falsch ? Oder ein kleines Loch reinbohren, wenn das erlaubt ist, und davon Halsketten machen, und für einen wohltätigen Zweck verkaufen. Meine Meinung!