„Kings von Goch“ vor Gericht

Ein Kilo Marihuana im Kofferraum, ein Schlagring unterm Lenkrad: 5 Jahre Haft, Unterbringung in einer Entziehungsanstalt

Um elf Uhr öffnete Daniela S. ihre Imbissbude am Rewe-Markt in Goch, und sie machte einen guten Job. „Die Pommes schmeckten klasse“, so sagte es ein Kunde, der als Zeuge von der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Kleve einvernommen wurde. Tim S., ihr Partner, ging in Kleve einer geregelten Tätigkeit nach: Der gelernte Kfz-Mechatroniker bearbeitete in einem Unternehmen Metallstücke. Doch wenn in bestimmten Kreisen über die Frau an der Fritteuse und den Mann an der Fräse gesprochen wurde, galten die beiden als die „Kings von Goch“, so ist es in den Gerichtsakten verzeichnet.

Ihren Ruf erarbeiteten sich Daniela S. und Tim S. mit einem einträglichen Zusatzgeschäft – und dafür müssen sie sich seit Montag vor dem Landgericht Kleve verantworten. Sie betrieben einen schwunghaften Handel mit Marihuana, Speed und Ecstasy, und, weil bei einer Kontrolle nicht nur ein knappes Kilogramm Rauschgift, sondern zudem ein Schlagring und Reizgas im Auto des jungen Mannes gefunden wurden, erweiterte die Staatsanwaltschaft den Vorwurf auf bewaffneten Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, worauf eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren steht.

Insgesamt vier Drogenfunde listete Oberstaatsanwalt Schütt in seiner Anklage auf, den ersten bei einer Fahrzeugkontrolle, bei der im Kofferraum des Audi A6 von Tim S. 935,91 Gramm Marihuana sichergestellt werden konnten. Das war im August 2017. Im April 2018 fanden sich bei einer Durchsuchung der Wohnung des Pärchens 450 Milliliter Amphetaminöl sowie 10,3 Gramm Kokain. In einer Lagerhalle entdeckten die Fahnder weitere Bestände an Amphetaminöl, Marihuana und Ecstasy, und auch bei einer Mitarbeiterin aus der Pommesbude wurden sie fündig.

Beide Angeklagten räumten den vorgeworfenen Sachverhalt im wesentlichen ein. Die Frau, jetzt 33 Jahre alt, schilderte zudem ihre bemerkenswerte Biografie, die schon früh durch exzessiven Drogenkonsum geprägt wurde. Mit dreizehneinhalb Jahren habe sie angefangen Gras zu rauchen. Nach einer Lehre zur Einzelhandelskauffrau wurde sie Mutter, doch das Kind sei ihr vom Jugendamt weggenommen worden: „Ich habe zwischendurch Marihuana geraucht, aber nie im Beisein meiner Tochter, da bin ich immer rausgegangen.“

Die Droge habe sie benötigt, „um überhaupt arbeiten zu können“. Bis zu fünf Gramm Gras konsumierte sie eigenen Angaben zufolge, damit sie in die Gänge kam. Doch damit soll jetzt Schluss sein, mit ihrem Freund plane sie ein neues Leben fernab von Goch: „Ich möchte meine Probleme lösen, ohne mich zuzudröhnen.“ Beruflich schwebte ihr „irgendwas mit Menschen und Tieren“ für die Zukunft vor.

Tim S., der Freund, ist 26 Jahre alt und sitzt ebenfalls in Untersuchungshaft. Auch seine Drogenkarriere darf als robust bezeichnet werden. Ein Arbeitskollege beschrieb ihn als „dauerbreit“, ein Zustand, der allerdings ohne Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit geblieben sei. Gerhard van Gemmeren, der Vorsitzende Richter, staunte. Tim S. hat allerdings mittlerweile den Giften abgeschworen und erbat sich vom Gericht die Möglichkeit, eine Therapie machen zu dürfen, da er nicht rückfällig werden möchte.

Die Angeklagten wurden mit Handfesseln in den Gerichtssaal geführt, der gut gefüllt war mit Freunden und Bekannten. Nachdem die Justizbediensteten die Fesseln entfernt hatten, umarmten und küssten sich die beiden ausgiebig. Weitere Zärtlichkeiten werden vorerst ausbleiben: Am Abend verhängte die 2. großen Strafkammer jeweils fünfjährige Haftstrafen verurteilt worden. Das Gericht sah sowohl für die Imbissbetreiberin wie für den Metallarbeiter die Tatvorwürfe als erwiesen an.

Das Strafmaß orientierte sich an der unteren Grenze, offenbar honorierte die Kammer die bereitwillig Mitwirkung der beiden Angeklagten an der Aufklärung des Falles. Parallel zu der Haftstrafe ordnete das Gericht die Unterbringung der beiden Gocher in einer Entziehungsanstalt an. Die beiden Sachverständigen hatten eine solche Vorgehensweise empfohlen, da sie den Hang der beiden, Drogen im Übermaß zu konsumieren, als ursächlich für das Geschehen angesehen hatten. Und auch die beiden Angeklagten hatten dies für sich so gewünscht, um ein neues Leben ohne Drogen anfangen zu können.

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14 Kommentare

  1. 14

    Wünsche Stärke und Durchhaltevermögen für einen guten Weg in die Zukunft ohne zerstörerische Substanzen.

     
  2. 13

    Völliger Schwachsinn was Andreas da schreibt sollte erst mal selbst in so einer suchtkrankheit kommen bevor man so urteilt ……

     
  3. 12

    Ob Urlaub auf Lanzarote oder sonst irgendwas sollte doch völlig egal sein. Wenn man eine sucht hatte und dadurch Probleme sollte man vorher mal nachdenken was man schreibt Andreas Bulkens

     
  4. 11

    @7 Andreas Bulkens Wenn inhaftiertre Suchtkranke die Kosten ihrer Therapie selber zahlen müssten, könnte keine Therapie und Nachbetreuung mehr stattfinden. Für die Arbeit in einer JVA gibt es wenig Geld (was ich richtig finde). Und akut Suchtkranke sind auch meistens erstmal nicht in der Lage, einer Arbeit nachzugehen. Während eines Entzugs schon mal gar nicht.

    Drogensucht ist ein Teufelskreis. Wer süchtig geworden ist, wird sich auf irgendeine Weise Drogen beschaffen. Die Macht des Suchtdrucks ist sehr hoch. Dadurch kommen viele zur Beschaffungskriminalität. Diebstahl, Raub, Drogenhandel.

    Die Gesellschaft tut sich selber Gutes, wenn sie diesen Menschen eine Suchttherapie finanziert.

    Sucht ist in der Regel eine Suche nach Zuwendung, Anerkennung, nach einem Zustand des Glücks, der Unverletzbarkeit. Eine Suche an der falschen Stelle. Aus Sicht eines Abhängigen aber an der richtigen Stelle – O-Ton: „Die Droge war für mich da“. Wenn man sich Biografien von Suchtkranken ansieht, dann bekommt man in vielen Fällen sehr schnell eine Ahnung davon, warum sich das Leben dieser Menschen so entwickelt hat.

    Die Gesellschaft hat ein Recht auf Schutz vor Straftätern, aber Straftäter haben auch ein Recht auf Resozialisierung.

     
  5. 10

    @ Justin :

    Wir liegen in unserer Meinung offensichtlich nicht weit auseinander.
    Ich wäre einer flexibleren Strafmaßfestlegung gegenüber offen.

     
  6. 9

    @ 7, Andreas Bulkens

    Ich glaube, dass der Einstieg in die Drogensucht bei einem relativ großen Teil der Drogenabhängigen eine lange Vorgeschichte hat und nicht wirklich eine freie Entscheidung war. Ob nun schwierige familiäre Verhältnisse und/oder psychische Krankheiten bei Kindern und Jugendlichen, es gibt genug Gründe, die die Situation ausweglos erscheinen lassen. Selbst Obdachlosigkeit kann schon Minderjährige treffen. Sicher gibt es auch junge Menschen, die aus Neugier Drogen ausprobieren, was dann eine freie Entscheidung ist.

    https://offroadkids.de/information/strassenkinder-junge-obdachlose/

     
  7. 8

    @ Andreas Bulkens, Josef Johann

    Mein laienhafter Eindruck ist, dass in den Gefängnissen Menschen mit sehr unterschiedlichen Problemfeldern, die jeweils eine eigene Lösung erfordern würden, zusammengewürfelt werden. Menschen, die aufgrund ihres Drogenkonsums im Gefängnis landen aber ansonsten unauffällig sind, bräuchten ein medizinische Behandlung (Drogenentzug) und eine soziale Wiedereingliederung.
    Bei Straftätern, die schwere Gewalt- und/oder Sexualdelikte verübt haben, ist eine Resozialisierung vielleicht nicht immer möglich. Dann muss genau wie Chewgum geschrieben hat die Gesellschaft geschützt werden: Das würde Gefängnis und falls erforderlich anschließende Sicherungsverwahrung bedeuten.
    Die Idee, dass Straftäter versuchen sollen den Schaden, den sie verursacht haben wiedergutzumachen indem sie arbeiten und damit die verursachten Kosten abbezahlen und sich mit ihrer Straftat auseinandersetzen ist sicher gut. Bei Straftätern, die keine Gewalttaten verübt haben, sondern z.B. Steuern hinterzogen haben, würde gemeinnützige Arbeit zusammen mit Hausarrest (vom Abend bis zum Morgen) billiger als Gefängnis sein und vielleicht auch beim einen oder anderen Steuerhinterzieher das soziale Gewissen stärken.

     
  8. 7

    @ Chewgum :

    Nein, wir hebeln nicht gleich mal (theoretisch) das Rechtssystem aus.
    Die Dauer einer Inhaftierung ist für mich ein Punkt, nicht die Inhaftierung als solche.
    Das Sucht eine Krankheit ist bestreite (auch) ich nicht.
    Ich würde es erträglicher finden, wenn inhaftierte Suchtkranke für ihre Therapie selber aufkommen müssten.
    Eine Vielzahl von Drogen ist in Deutschland verboten – sowohl Herstellung als auch Handel, Besitz und Konsum stehen unter Strafe. Der Staat tut auf legalem Wege alles in seiner Macht stehende, das gesamte Drogenelend zu unterbinden. Wenn sich nun Personen darauf einlassen, Drogen herzustellen, damit zu handeln oder diese selber zu konsumieren, so tun sie dies initial bewusst. Es ist dabei immer Geld im Spiel, die Konsumenten zahlen, die Hersteller und Händler verdienen.
    Wer also Geld für den Drogenkonsum beschaffen konnte, der sollte durch ehrliche Arbeit auch seine Theapie zahlen.

     
  9. 6

    @4 Andreas Bulkens „somit ist es letztendlich eher unwichtig wie lange eine Haftstrafe ist.“

    Ja, hebeln wir gleich mal das Rechtssystem aus. Ganz allgemein: Bei vielen Leuten ist es erstmal auch wichtig, dass sie von der Straße weg sind, so dass sie nicht gleich den nächsten Personen schaden können.

    Sucht ist eine Krankheit. Aber deshalb wird in dem Fall hier ja die Möglichkeit zur Therapie geboten. Ich glaube nicht, dass diese Personen das in Freiheit durchhalten würden.

     
  10. 5

    was soll denn das für eine tätowierung sein, und warum sollte sie während des prozesses irgend eine erwähnung finden?

     
  11. 4

    @ Justin:
    Ich denke mir, dass reine Haftstrafen über lange Zeiträume als Bestrafung mancher Vergehen wenig Sinn machen.
    Leider ist Haft in Verbindung mit unterschiedlichen Maßnahmen (ob nun ein Bildungsabschluss, eine Ausbildung, ein Studium, Therapien und Entgiftungsmaßnahmen oder was es noch alles an Ansätzen zur „Resozialisierung“ gibt) die schärfste Waffe der Justiz. Ob verurteilte Personen dadurch geläutert werden? Selbstverständlich verändert die Haft die Personen – auf welche Weise auch immer.
    Meiner Meinung nach sollten verurteilte Personen sich intensiv mit den Folgen dessen auseinandersetzen, wofür sie letzendlich verurteilt wurden – Aktiv!
    Im Falle eines Ladendiebs könnte es in meinen Augen sinnvoll erscheinen, diesen seine Schuld abarbeiten zu lassen. Dabei rede ich nicht von ausbeuterischer Arbeit. Das inhaftierte Personen die Möglichkeit erhalten, während ihrer Haft zu arbeiten ist mir bekannt, bringt aber den Geschädigten „Nichts“.
    Wenn Menschen mit illegalen Drogen handeln und zudem vor Gericht anführen selber konsumiert zu haben, auf der anderen Seite aber ein recht auskömmliches Leben zu führen im Stande waren, dann wäre es wohl angemessen, diese Menschen zum Einen die Folgen ihres Handel(n)s spüren und erleben zu lassen – zum Anderen aber auch, diese Menschen zur Kasse zu bitten.
    Strafen haben in aller Regel eine nur begrenzte oder in vielen Fällen überhaupt keine abschreckende Wirkung, somit ist es letztendlich eher unwichtig wie lange eine Haftstrafe ist.
    Ich bin weder Jurist noch in irgendeiner Weise kundig über die Details unseres Justizsystems und vielleicht sind meine Ansichten daher falsch oder überholt.

     
  12. 2

    @ Andreas Bulkens:

    „… in Haft auf Kosten der Allgemeinheit erstmal auf Entzug – verkehrte Welt!

    Sie hatten das auch schon in Ihrem vorherigen Kommentar zum Thema „Diebstähle im Dutzend, aber was ist eine gerechte Strafe?“ angedeutet, dass Sie die Art der Bestrafung von Straftätern für wenig sinnvoll halten. Was wären Ihrer Meinung nach sinnvolle Alternativen?

     
  13. 1

    Die Tätowierung an der rechten Wade des Verurteilten hat man offensichtlich nicht bewertet?
    Naja, in Freiheit Urlaub auf Lanzarote und in Haft auf Kosten der Allgemeinheit erstmal auf Entzug – verkehrte Welt!