„Keine Knackpunkte“

Während ich in der Sonne des Samstagnachmittags einen selbst geschleuderten Fruchtsaft genoss, kam der treue Leser Erich auf mich zu und sagte, dies sei ja wohl eine ruhige Woche gewesen. Er meinte damit, dass die Redaktion nach dem Besuch des Bundespräsidenten die Tätigkeit beinahe eingestellt habe, von der Kommentierung einiger Kommentare mal abgesehen.

Dabei ist ja auch nach dem Abflug des ranghöchsten Staatsdieners einiges passiert, allem voran die vom Kämmerer Willibrord Haas am Mittwoch verkündete Haushaltssperre, die nötig wurde, weil dem hochpotenten Gewerbesteuerzahler spectro im Zuge interner Umstrukturierungen Gewerbesteuervorauszahlungen in Höhe von 3,2 Millionen Euro zurückerstattet werden mussten. Das lenkt den Blick auf die unangenehme Tatsache, dass die Stadt über kein Polster verfügt, solche Einschläge abzufangen – das war früher einmal anders.

Aber ein echtes Wahlkampfthema scheint auch das nicht zu werden, wie überhaupt kein Wahlkampfthema zu erkennen ist. Die Grünen mühten sich am Mittwoch redlich am Minoritenplatz ab, 60 Teilnehmer kamen in die Wasserburg Rindern, darunter Jürgen Rauer, Jörg Cosar und Alfons A. Tönnissen. Die FDP nimmt morgen, 11:30 Uhr, an einer Podiumsdiskussion im „Theater im Fluss“ (Ackerstraße) teil. Da soll es um die Idee gehen, an der Stelle des alten Forsthauses ein Kulturzentrum zu errichten. Die SPD tritt für die Kinder ein und verteilt Kugelschreiber, bei denen der obere Teil weg katapultiert wird, sobald Druck auf die Mine ausgeübt wird.

Pia Wucherpfennig hat ihr geschmackvoll eingerichtetes Café „Pias“ eröffnet, im „Deja vu“ reicht die Außenbestuhlung jetzt fast bis an den Kanal heran, und hinter den Kulissen gewerkelt wird in den Räumen von ehemals „Hintzen unten“ (dorthin soll eine Frozen-Yoghurt-Bar kommen) und in der Bodega (Großer Markt), wo Frank am Wochenende damit beschäftigt ist, die Musikanlage wieder in Gang zu setzen – ein gutes Zeichen! Das alles soll aber nicht ablenken von der Anekdote aus meinen frühen journalistischen Jahren, die mich mein ganzes Leben begleitet und gewissermaßen nachrichtlich auf Kurs gehalten hat.

Also:

Irgendwann so Mitte der achtziger Jahre schickte mich Alois Puyn, Redaktionsleiter der Rheinischen Post Kleve und mittlerweile verstorben, zu einer Sitzung des so genannten Landschaftsausschusses des Landschaftsverbandes Rheinland, der in der Verwaltung der Landesklinik in Bedburg-Hau tagte. Die Sitzung war reichlich unspektakulär, nach kurzer Zeit vorbei, ich fuhr in die Redaktion zurück und schrieb einen kleinen Artikel, dem ich die Überschrift „Keine Knackpunkte“ verpasste und der so auch am nächsten Tag in der Grenzland Post erschien.

Als ich aber am Morgen danach zunächst meinen rallyegestreiften Ford Escort auf dem Parkplatz der ehemaligen Stadtbücherei (heute Grundbuchamt) abgestellt hatte, wie immer in der vergeblichen Hoffnung, kein Knöllchen zu erhalten, und dann flotten Schrittes in die Redaktion getapert war, wartete schon der weißhaarige Redaktionsleiter mit seinem Kaffeebecher in der Hand auf mich.

Er zeigte auf meinen Artikel und stellte mir die Frage, warum um alles in der Welt die Leser seines Blattes eine Geschichte lesen sollten, wenn doch schon in der Überschrift darauf hingewiesen werde, dass man sie lieber nicht lesen sollte.

Wie gesagt, das war eine Lektion fürs Leben. Seitdem mache ich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, andere Überschriften.

Wichtiger aber noch, wenn ich das Gefühl habe, dass etwas nicht zu einer kleveblog-Geschichte taugt, habe ich auch keine Hemmungen, auch mal den Griffel aus der Hand zu legen und ins echte Leben einzutauchen, auf der Suche nach neuen Nachrichtentrüffeln für dich, lieber Leser!, der du wie Erich sicher schon Entzugserscheinungen haben wirst.

Aber dieser kleine Aufsatz ist ja auch schon ganz gelungen. Morgen dann vielleicht noch ein oder zwei Naturaufnahmen, vielleicht klaue ich auch irgend eine „Kannst du mir sagen, welcher Bäcker heute geöffnet hat?“-Geschichte aus „Du kommst aus Kleve wenn…“, und dann aber wird die Zeit reif sein für etwas ganz Originelles, Kostbares, Aufregendes oder Aufrüttelndes, und die Welt wird wieder staunend auf diese Seiten blicken.

Ansonsten aber es kleveblog mit dem guten alten Pythagoras von Samos: „Man soll schweigen oder Dinge sagen, die noch besser sind als das Schweigen.“

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22 Kommentare

  1. 22

    LOL
    Was sich doch so aus einer Nicht-Nachricht alles entwicklen kann.
    Bravo Konfuzius. Ich habe ihn förmlich vor mir gesehen 😉

     
  2. 21

    @ 18

    Ja, ich war Samstag auch dort eingeladen, besonders für den Bereich Kampfkunst Japan. Bin dann gestern noch mit zwei von ihnen durch Kleve gegangen und haben in Kleve gegessen, sie waren von Kleve sehr positiv angetan, nicht nur von der Innenstadt, auch vom Kurpark ….

     
  3. 20

    @19, Konfuzius (alias ich weiß es nicht mehr, schade oder ?)

    wenn ich so sitze und praktisiere über die Leere, ist sie doch notwendig, damit etwas Neues entstehen kann.
    Leider kriegen die das Schrottzeug nicht aus dem Kopp, wohin auch damit und wenn was Neues, dann wieder
    nur Schrott.

    Aber warte mit der Ur-Oma, es soll eine Bahnlinie kommen, dann wird alles besser.

     
  4. 19

    In der Tat ein unglaublicher Wahlkrampf.

    Offenbar liegen die Beine hoch aber es hilft scheinbar nicht. Eine hervorragende Zeit um zu praktisieren. Macht man gerne am Niederrhein. Hilft nur nie weiter. Wirklich nicht. Praktisieren brachte noch nie etwas ein. Beschreibt eher so einen Zustand der Leere – oder? „Was bist Du denn am praktisieren, Friedhelm?” Meist lautet die Antwort: „Nichts, ich denke nur nach.” Oder: „Ach, war nur so!” Ganz Ängstliche antworten: „War nich so schlimm!” Kennt ihr nicht so? Doch, doch. Das ist unterer Niederrhein und nicht von Hüsch. Was wusste der auch schon vom unteren Niederrhein. Der hat doch eher in der Ruhrpott-Randzone gelebt. Jaaaa sicher!

    Dann doch lieber der Beuys. Lieber der Beuys. Klever Schulbildung geht über alles. Wirklich! Klever Schulbildung geht über alles. Die war immer wahnsinnig gut und wird immer besser. Kenner sagen, dass er deshalb mit dem toten Hasen (…) und die in Bedburg froh waren über die hohen Zäune, falls mal wieder Gefahr aus der Nachbarstadt – jaaaa sicher, es geht fast immer aus der Nachbarstadt in die Anstalt. Direkt aus der Burg. Ich glaube die haben einen Tunnel. Nein? Oder vom Rathaus aus? Ein Loch habe ich da gesehen.

    Aber alles vertragen die in Bedburg auch nicht. Alles nicht. Deshalb werden die möglicherweise einen schwer Kunstbegeisterten einfach zur Burg zurück (…), jaaaa sicher! Hat der Daute berichtet. Dooooch, hat der im Grunde! Vielleicht braucht die Nachbarstadt den als Kämmerer? Nein nicht den Daute. Den Haarigen mein ich. Ich komm nicht auf den Namen. Ist eher so ein FDP Name. Meier-Bresserberg oder so. Kämmerer. Vielleicht wird der Kämmerer. Weiss man es? Ausschliessen kann man nichts. Oder der wird Vorstand in einer Kasse. Dumm ist der ja nicht. Da wäre er ja schon im Vorteil, oder? Der hätte die Akte nicht auf dem Schreibtisch stehen lassen. Nein, haarige Angelegenheit. Ich hoffe mal das Beste. Für wen, verrate ich nicht. Wieso auch.

    Ein unglaublicher Wahlkrampf. Meine Ur-Oma hatte ja auch Last mit den Beinen. Die musste ich dann früher immer zum Bahnhof bringen und ab damit nach Nijmegen in die Klinik, Geht heute auch nicht mehr. Ich hoffe ja noch auf eine Seilbahn. Obwohl Ur-Oma leider nicht mehr unter uns ist. Wäre ja nun doch eine Quälerei gewesen, sie auf der Draisine strampeln zu lassen wo sie doch so Last hatte, oder? Gut, ich sag es mal so. Ich hätte sie natürlich auch mit Ryanair an das Mittelmeer fliegen können. Ist ja billig. Kann sich ja heute jeder leisten. Wir sind ja Exportweltmeister. Salz soll ja gut sein für so ziemlich alles. Bis zum Toten Meer fliegen die ja nicht. Wäre mir persönlich auch viel zu gefährlich. Jaaaa sicher! Man liest doch so viel da mit den und von den, na ihr wisst schon. Na da wo die Iris Berben wohnt. Ja und der vom Kurhaus, wie hiess der doch gleich? Guido de Westerwelle, ich habs. Wusste ich es doch.

    Ich persönlich hoffe ja das sich der Krampf erst nach der Wahl löst. Verdammt kurz gedacht. Briefwahl.

     
  5. 18

    @17, W.H.,

    viele Jahrzehnte hatte ich über die Jap.-Schule engsten Kontakt zur Japanischen Kolonie und war stets Gast bei
    den Feierlichkeiten des Japan-Tages.

    Was den Japanern an Kleve gefällt ist unser historische Erbe und heute dürfte noch die Hochschule hinzu kommen.

    Eine(n) Japanerin(er), die (de)r die verunstaltete Innenstadt, bzw. Unterstadt bewundert, habe ich nie getroffen.

     
  6. 17

    Touristen, die den Niederrhein besuchen, schwärmen von Kleve und Xanten. Besonders Japaner, die das Gebiet nördlich „ihrer Kolonie“ Düsseldorf bereisen, fühlen sich in Kleve „sauwohl“, fahren zum Essen allerdings in die Nicolaistadt.

     
  7. 16

    Kleve zwischen Moderne und Historie, so die RP v. 19. 05., das wirkt doch sehr seltsam.

    Wir haben historische Parks und Bauten, anerkannte Museen und eine moderne, gut gestaltete Hochschulanlage.

    Was ist jedoch dazwischen? Architektur mit dem Flair von Müllverbrennungsanlagen. Ästhetik = Fehlanzeige.
    Die Fragenden und Befragten in diesem RP Artikel ergehen sich in einem Stilgeschwätz, ohne jedes notwendiges
    Wissen.?

    Soll das so weitergehen?

     
  8. 15

    @ 13

    Gibt es in diesem genannten Forum denn noch die „Willi Heuvens-Schmierentafel“?

     
  9. 14

    @ 13,

    Peter Du hast den Plan der „Eissporthalle“ nicht berücksichtigt, stell Dir vor, sie wäre gebaut worden!!!!!!!
    Dafür haben wir nun den scheußlichsten Ãœbernachtungsbunker in ganz NRW!!!

     
  10. 13

    Haushaltssperre in Kleve. Eigentlich ein Thema, bei dem die Oppositionsparteien zwei Wochen vor der Wahl so richtig jubilieren könnten. Aber was hört man? Richtig: Nichts!

    Es ist schon traurig, dass es im Rat der Stadt Kleve so wenig haushaltspolitische Kompetenz gibt. Und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern: http://www.politikblog-kleve.de/2014/05/16/kommunalwahl-2014-finanzen-und-verwaltung/

    Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da hat der Rat nach lukrativen Anlageformen gesucht, weil er hohe Gewerbesteuerzahlungen erhalten hat. Das komplette Geld ist in planlose Vorhaben geflossen, die Kleve kaum weiter gebracht haben: http://www.politikblog-kleve.de/2014/05/11/5-jahre-kommunalpolitik-eine-bilanz-des-schreckens/

    Deshalb kann es ein weiter so, wie es die CDU so schön in ihr Programm schreibt, nicht geben. Es ist Zeit für Veränderung!

     
  11. 12

    @11 Georg Dönisch
    Wunderbar, der gute alte Hüsch.
    Aber lassen wir noch ein wenig den Lateiner raushängen:
    Si tacuisses, philosophus mansisses
    Sei’s drum.

     
  12. 11

    @Peter Wanders
    Seien Sie unbesorgt. Schließlich sind wir Niederrheiner. Und wie sagte so schön unser Hüsch: „Der Niederrheiner weiß nix, kann aber alles erklären.“
    In diesem Sinne wird´s hier wie anderswo fröhlich weiter „erklärt“.

     
  13. 10

    @ 9. Peter Wanders :
    Ob allerdings altBackene knackPunktFreie Knack&Back-Konserven als ÃœberlebensRation ausreichen ?
    Selbst mit RallyeStreifen garniert sind sie altBacken statt knackig.

     
  14. 8

    „Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben, und den Mund halten!“
    Oscar Wilde

     
  15. 6

    @ 4. Georg Dönisch :
    ### „Man soll schweigen oder Dinge sagen, die noch besser sind als das Schweigen.“ ###
    In diesem Fall erfüllt :
    Schließlich werden diesMal – anders als vor 4 Jahren
    ( https://www.kleveblog.de/2010/09/bericht-aus-dem-nichtoffentlichen-teil-folge-73 ) –
    die nicht vorhandenen KnackPunkte von RallyeStreifen escortiert.
    Alte Liebe rostet zwar ( in FrankReich vor sich hin )
    ( https://www.kleveblog.de/2009/02/irgendjemand-gehorbelt/ ),
    ist aber viele Zeilen wert.

     
  16. 5

    @ 4 und 3.

    wohl wahr.

    @ 2,

    ………….muß reden können, IMMER unter Beachtung der drei W’s (was, worüber, wie)

     
  17. 4

    „Man soll schweigen oder Dinge sagen, die noch besser sind als das Schweigen.“

    Na da wären die Kommentarspalten hier im Blog (und anderswo) aber recht leer.
    Dieser Kommentar wohl eingeschlossen 😉

     
  18. 3

    wo wir schon alle so altklug sind „Weiß immer genau, was du sagst, aber sage nicht alles was du weißt“, für den Journalisten genau so wichtig wie für den Verantwortungsträger

     
  19. 2

    Wer schweigen will, muss reden können ….. sagte der Buddha, die Wahrheit sollte ausgesprochen werden.

     
  20. 1

    Ralf, du hast einen wunderbaren Satz ausgewählt. Er wird selten befolgt, hier schließe ich mich leider
    mit ein. Emotionen sind nun mal die Feinde des klugen Schweigens