Julia Blanck zum Minoritenklotz: »Rückseite statt Gesicht«

Ein offener Brief der freischaffenden Architektin Julia Blanck aus Kleve, Vorsitzende des KFA (Kontaktkreis freischaffender Architekten unterer Niederrhein), zum geplanten Minoritenklotz an Kleves Bürgermeister Theo Brauer – als Auftakt der Berichterstattung zur Info-Veranstaltung in der Stadthalle (heute Abend, 19.30 Uhr – ein Pflichttermin für jeden, der sich für das Wohl und Wehe der Stadt interessiert)…

Sehr geehrter Herr Brauer,

die bisherigen Reaktionen der Bürgerinnen und Bürger auf die bisher veröffentlichten Pläne für die Bebauung des Minoritenplatzes waren vielfältig und engagiert.

Als Architektin möchte ich folgendes ergänzen:

Die vorliegenden Bilder des Entwurfes von RKW zeigen entlang der Wallgrabenzone eine Mauer, die viel diskutierte Gabionen-Wand. Diese Bezugnahme auf die alte Stadtmauer als „Zitat“ aus der Historie der Stadtentwicklung mag auf den ersten Blick passend erscheinen.
Die mittelalterliche Stadtstruktur ist noch heute im Klever Stadtgrundriss deutlich ablesbar und dort war in der Tat die Stadtmauer.
Sie definierte einst die Grenze der Stadt und schützte die innen liegende Stadt vor drohendem Unbill. Die Stadtmauer war nicht durchlässig, nur an wenigen Stellen war der Durchgang in die Stadt möglich, markiert durch ein Tor.

Die Mauer als Element ist nun mal in ihrer ursprünglichsten Aufgabe zur Abgrenzung bestimmt. Und wie die Stadtmauer über die Jahrhunderte die Grenzen der Städte markiert, so wird auch diese über 100m lange Gabionen-Mauer dasselbe Signal setzen!

Der geplante Block hat in der jetzigen Planung eine eindeutige Vorderseite und eine Rückseite. Diese Gabionen-Wand ist die Rückseite. Dort soll sich ein Teil der Parkplätze kaschiert werden, dort soll die Anlieferung stattfinden (ein weiteres großes Problem), und bestimmt auch der Müll entsorgt werden. Für Besucher ist der Blick auf diesen neuen Block der erste Eindruck der Innenstadt. Verehrter Herr Brauer, soll sich so die Stadt präsentieren, mit einer undurchdringlichen Mauer, der Rückseite eines Einkaufscenters?

Dabei besteht hier die historische Chance, der Stadt „ein Gesicht“ zu geben!

Im Mittelalter war die Stadt dort zu Recht begrenzt. Aber heute, vor allem, seitdem Kleve ihre vielleicht wichtigste Errungenschaft der letzten Jahrzehnte, die Hochschule, realisiert hat, hört Kleve dort nicht mehr auf, sondern ist um das „Hochschulviertel“ erweitert. Dieses gilt es anzubinden.

Ob der KCN, der Klevische Verein oder die vielen anderen Stimmen von Bürgern – sie alle nehmen die Stadt sehr ernst und haben die Gefahren, die der vorliegende Entwurf mit sich bringt erkannt und deutlich gemacht. Auch die vielfältigen Anregungen, wie der engagierte Appell des Bildhauers Max Knippert nach mehr Kultur, sind spannend und visionär. Dieses Potential an Ideen und Engagement tut der Stadt und seiner Entwicklung gut. Wenn Sie diese Stimmen ernst nehmen!

Es darf jetzt kein Schnellschuss abgegeben werden. Der Bau der Hochschule sollte hier auch ein mahnendes Beispiel sein. Wie schon erwähnt, es ist phantastisch für Kleve, dass es die Hochschule gibt und der Dank gilt denen, die dafür gekämpft haben. Mir ist auch bewusst, dass viele Entscheidungen damals schnell getroffen werden mussten. Aber architektonisch und städtebaulich sieht man dem Ergebnis diesen Mangel an Zeit auch an.

Es fehlte einfach die Zeit herauszufinden, was die beste Lösung für diese Stadt wäre. Weder dem Wesen des Ortes, noch dem der Nutzung wurde Rechnung getragen. Es wird keine Identität gebildet. Dieses Gebäudeensemble könnte überall stehen und es könnte jede Nutzung beherbergen.

Am Montag wollen die Investoren einen überarbeiteten Entwurf präsentieren. Darauf dürfen wir alle sehr gespannt sein. Und auch darauf, wie weit Sie die Anregungen und den Willen der Bürgerinnen und Bürger in den Prozess mit einbinden.“

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7 Kommentare

  1. 7

    Sehr gerne wäre ich gekommen – allein Theo B. weiß warum es mir nicht möglich ist…
    Den Kritikern wünsche ich Standhaftigkeit, Westen gegen Einseifung und ggf. das nötige Maß an Empörung gegenüber vertrickster und getäuschter verwaltlichter Einmütigkeit.

    Glück Auf!

     
  2. 6

    @ Max Knippert.

    Die Politik bzw. die Verwaltung in Kleve wird sich NIE die Blöße geben kritische Meinungen einzufordern…. Das würde ja in gewissen Maße die eigene Fehlbarkeit belegen.
    Ein Dialog mit den Bürgern wird hier bewusst erschwert, behindert oder gar ganz vermieden.


    Manchmal ist es besser offen auf die Bürger zuzugehen als unter den „Deckmantel“ der Nichtöffenlichkeit zu flüchten. Alles was geheim ist und unter ausschluss der Öffentlichkeit passiert bietet Anlass zu Spekulationen, und diese wiederum sind ein gefundenes Fressen für alle Kritiker. (incl. Verschwörungstheoretikern wie z.b. JUH )

    Kleve ist eine Weltoffene Stadt. So wird es zumindest nach aussen hin propagiert. Aber wenn es um die Offenheit gegenüber derer geht, die ein Großteil der Stadt mitfinanzieren (Bürger der Stadt Kleve), wird eine Mauertaktik verfolgt.

    Bildlich gesprochen hat Kleve noch eine Stadtmauer. Zumindest um das Rathaus herum…..vielleicht auch nur deshalb, um die Kritiker auszusperren.

     
  3. 5

    Wir brauchen das Ding überhaupt nicht. Nichts davon! Höchstens des Geldes wegen, um einmalig die Kasse zu füllen, damit man nach 36 Monaten nicht mehr weiß, wo das Geld hin ist, der Klotz (siehe Spoycenter) aber noch Ewigkeiten als Mahnmal seine Schatten wirft und langfristig sogar für Mindereinnahmen sorgt, ganz zu schweigen von der verlorenen Lebensqualität- Hauptsache der ramponierte Haushalt stimmt kurzfristig?

    So viele Jahre haben wir uns nun schon darum bemüht und es soll halt nicht sein. Es gibt Dinge, die muss man dann einfach loslassen…

    Holt den besten GaLa-Bauer, integriert den Parkplatz in einer ansehnlichen Anlage, meinetwegen baggert den Platz zum Hafen aus, oder was auch immer, aber bitte macht Schluss mit dem Quatsch.

    Wir sind hier doch nicht in Oberhausen!

     
  4. 4

    Vielen dank für den Brief! Ich hoffe sehr, dass heute Abend entsprechend kompetente und mit dem Thema vertraute Leute den Mund gegen dieses furchtbare Projekt auf machen werden. Alles in der Hoffnung, dass man das noch stoppen kann und die gewünschte Kleinteiligkeit und NICHT Austauschbarkeit mit anderen Städten erreicht! Geht das alles im Moment nicht, BLEIBT DER PLATZ HALT ERST MAL LEER UND UNBEBAUT. JA UND!

     
  5. 3

    @ Max Knippert:
    „Sich wieder besseren Wissens zu ducken ist alles andere als Ehrenhaft. Auch würde dies nicht wie bei Anarcharsis Cloots den Kopf kosten. Etwas mehr Courage bitte!“

    Zustimmung zum ersten SatzM kann aber auch etwas mit der jahrhundertealten Sozialistaion der Klever Art zu tun haben…
    Bedenken beim zweiten Satz – da müßte man definieren was „Kopf“ bedeutet; Der Ausschluss von allen öffentlichen Aufträgen aus der Umgebung, die Zurückhaltung der öffentlichen Hand (eben Verwaltung) bei Fördergeldern, eine Art Isolation uvm. …?
    Unterstützung beim dritten Satz – wenn’s die in höherem Maße gäbe, „erlaubt“ wäre, dann wäre Satz No. überflüssig!

     
  6. 2

    Meine persönlichen Empfindungen zu „Offenen Briefen“:

    Ich bin ein, in allen Richtungen freidenkender Mensch, aber immer im Hinblick dahin, dass Niemandem Schaden zugefügt wird.

    Wir können uns wirklich glücklich schätzen, dass wir auf unserem kleinen Fleckchen Land auf dieser Erde, u.a. die uneingeschränkte Meinungsfreiheit haben.
    Unsere Freiheiten sollten wir sehr schätzen und pflegen und auch andere Menschen mit Respekt behandeln und Ihnen auch so gegenüber treten. Egal wer und was dieser Mensch ist.

    Ein „Offener Brief“ mit persönlicher Anrede, wird meist nur negativ angelegt.
    Es ist ein persönlicher Angriff und so wird man mittelalterlich „An den Pranger gestellt“.

    Diese imaginäre Mauer schreckt dann für „Offene Gespräche“, die ein Miteinander statt Gegeneinander schaffen sollen, ab.

    Man sollte auch andere Meinungen anhören, einfach zuhören und versuchen miteinander eine perfekte Lösung zu finden.

    Ein kleiner Hinweis noch:
    Die Ideen, Gedanken und Hinweise für einen gemeinschaftlichen Generations- und Multikulurellenbereich gab es bereits schon vor den „Offenen Briefen“ eben nur als stille E-Mails.

     
  7. 1

    Dieser offene Brief ist eine wunderbare Handreichung. Es ist eine Freude dies zu lesen.

    Hier ein kleiner Auszug aus meinem Brief den ich ans Rathaus und an der Stadthalle verteilen möchte.

    „Zu dieser Verantwortung gehört im Besonderen, kritische Meinungen nicht nur zuzulassen, sondern diese, seitens der Politik, Ausdrücklich einzufordern!
    Das von den 10, durch die NRZ befragten, Architekten nur Ekkehard Voss aus Hamburg, der gerade mit der Hochschule einen neuen Stadtteil eingeweiht hat, seine kritische Meinung öffentlich macht ist mit Verlaub eine Schande. Gerade die Architekten aus Kleve haben neben dem Sachverstand auch die nötige Ortskenntnisse und sollten Stellung beziehen. Sich wieder besseren Wissens zu ducken ist alles andere als Ehrenhaft. Auch würde dies nicht wie bei Anarcharsis Cloots den Kopf kosten. Etwas mehr Courage bitte! Das Julia Blanck ihre Meinung in der RP deutlich macht ist in diesem Zusammenhang Vorbildlich und zu unterstreichen. Und in der Tat, die ersehnten Studenten laufen zur Zeit noch gegen eine sich (besser nicht) Vorzustellende Verteidigungsanlage. Zitat E. Voss “ die „Kleinteiligkeit“ der Klever Innenstadt am Hafen fortzusetzen. „Die durchlässigen Riegel haben Maßstäbe geschaffen“, sagt Voss. Darauf legt der Architekt Wert: Er mauere keine Stadtkante zu, sondern verbinde die neue „weiße Stadt“ mit den Galleien – jener halbkreisförmigen Ebene, die früher zu einem System von Parkanlagen, Gräben und Alleen gehörte.” Herr Voss lässt die Stadt offen und auf dem Minoritenplatz wird die Stadt zugemauert. Ein Masterplan sieht anders aus.“

    Bis heute Abend, es sollte kein Sitz leer bleiben!!