Hochschule Rhein-Waal entwickelt Masterstudiengang Stalinistische Geschichtsschreibung

Kombinatorischer Küchentischvorfall

Peinlich, peinlich! In dieser Woche versandte der neue Präsident der Hochschule Rhein-Waal, Dr. Oliver Locker-Grütjen, ein als Jubiläumsbroschüre bezeichnetes Druckwerk, welches selbst bei wohlwollender Betrachtung als Musterexemplar für Geschichtsklitterung und Personenkult dienen dürfte – und das eigentlich nur den Schluss nahelegen kann, dass an der Hochschule bereits der nunmehr der 37. Studiengang entwickelt wird, der da heißt: Stalinistische Geschichtsschreibung.

Da wird dann gelehrt, wie an den Fakten geschraubt werden kann. Das Subgenre der Historiographie war auch berühmt dafür, dass Teile der Geschichte einfach verschwanden, so wie in Ungnade gefallene Politiker auf Fotos wegretuschiert wurden.

Selbst Grußworte der Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen und der Klever Bürgermeisterin Sonja Northing können nicht darüber hinwegtäuschen, dass selbst für das Genre der Trallala-Publikationen, zu denen Festschriften zweifelsfrei gehören, mit diesem Werk ein Verständnis von Information zutage tritt, das eher bei Donald Trump zu verorten ist als an einer Hochschule, die sich ja den Geiste der Aufklärung verpflichtet sehen sollten.

Beispielsweise bietet die Publikation ein Diagramm, dass die steigende Zahl der Absolventen darstellt. kleveblog hatte mal darüber berichtet, dass die wahren Zahlen etwas anderes offenbaren, den traurigen Umstand nämlich, dass viele Studenten die Ausbildung ohne Abschluss beenden. In der Tabelle jedoch wachsen die Balken von Jahr zu Jahr – was allerdings dem Umstand zu verdanken ist, dass auch die Zahl der Studenten entsprechend gestiegen ist.

Auch in Sachen Personenkult setzt das 48 Seiten starke Heft Maßstäbe. Der neue Präsident findet sich offenbar so attraktiv, dass gleich sechs Fotos von ihm ins Blatt gerutscht sind. Nur um eine Zigarettenlänge abgeschlagen landet Kanzler Michael Strotkemper auf Platz zwei. Er ist fünfmal abgebildet. Bei der Gründungspräsidentin Professor Dr. Marie-Louise Klotz hat es immerhin noch für zwei Bilderchen gereicht.

Bevor du fragst, lieber Leser: Nein, sie kommt nicht vor. Dr. Heide Naderer, die bis zu ihrem Rücktritt 2018 drei Jahre an der Spitze der Einrichtung stand, ist weder mit einem Bild noch im Text einmal namentlich erwähnt. In einer Art Chronik werden aus den Jahren 2016-2018 unter anderem erwähnt, dass die Hochschule als erste „Fairtrade University“ in NRW ausgezeichnet wird (November 2017), und das Michael Strotkemper sein Amt als Kanzler angetreten hat (April 2018). Stalin lässt grüßen.

Die Kräfte des Klamauks, die schon viel Unheil über die Hochschule gebracht haben (Bangladesch, Scientific Freshers), dürften sich die Hände reiben. In diesen Kreisen, wiewohl zumindest auf dem Papier hochgebildet, scheint der kleinkindhafte Glaube vorzuherrschen, dass, was man nicht sieht, auch nicht existiert. Nie gegeben hat.

Ob sich Studenten darauf berufen können? Welches Signal sendet eine solche Darstellung an die Studenten: Können sie in ihrem Prüfungen künftig das halbe Periodensystem oder einen der Hauptsätze der Thermodynamik weglassen? „Ihr macht es doch auch nicht anders!“

Positiv anzumerken ist, dass die Broschüre (Auflage: 2000 Exemplare) auf Recyclingpapier gedruckt wurde. So mussten wenigstens keine Bäume dafür gefällt werden.

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6 Kommentare

  1. 6

    Welt am Sonntag heute Seite 7: Putin, der Historiker. Putin kündigte an, aufzuschreiben, welche Rolle Stalin im Europa des Zweiten Weltkriegs spielte. Die Hochschule ist also total im Thema. Toll!

     
  2. 5

    @rd Ja, mag sein, in der Region aber wohl eher nicht. Und niederländische Interessenten werden deswegen auch nicht in Scharen kommen. Finde, es macht die HSRW nicht attraktiver.

     
  3. 3

    Stalinistische Geschichtsschreibung … nee, oder? Mit so was kann man sich kaum irgendwo bewerben, fast egal, worum es inhaltlich geht.

    Elfenbeinturm HSRW.

     
  4. 1

    >einen der Hauptsätze der Thermodynamik weglassen?

    Ich glaube, so was kompliziertes wird an der FHRW nicht gelehrt… 🙂

    In welchem Fach auch? Genderdiversity-Bioclimate-MachineengineeringEventmanagement ?