Heimchen auf dem Herd: Der Klever Grillen-Burger im Test

Mit der Schöpfkelle wird der Burger in die Pfanne befördert
Nach zwei Minuten sind die Patties von jeder Seite knusprig braun
Links der klassische Cheeseburger, rechts die Ziegenkäse-Preiselbeere-Variation: beides lecker
Philip Weykamp serviert – und sucht Finanziers

Philip Weykamp steht in der Küche seiner Wohnung an der Königsallee in Kleve und zeigt an seinem Herd, wie er denkt, die Essgewohnheiten der Deutschen (oder zumindest eines Teils davon) zu verändern. Mit einer Kelle langt er in eine Schüssel, die mit einer bräunlichen Masse von breiiger Konsistenz gefüllt ist. Einen Schlag davon gibt der 32 Jahre alte Master der Produktentwicklung in eine Pfanne, und gleich danach noch einen. Beide werden noch ein wenig platt gedrückt und dann jeweils eine Minute von jeder Seite knusprig gebraten.

Das Ergebnis ähnelt dem Fleischklops, der zwischen die Brötchenhälften eines Hamburgers wandert, und er ist auch für diesen Zielort bestimmt. Allein: Es handelt sich nicht um Fleisch, und auch nicht um die aus Gemüse bestehenden „Patties“, die als vegetarischer Burger-Ersatz dienen und mittlerweile sogar schon den Weg in die Regale der Discounter gefunden haben.

Die beiden Patties, die am Ceranherd in der Klever Oberstadt Gestalt annehmen, bestehen im wesentlichen aus einer Zutat, die für den deutschen Gaumen noch gewöhnungsbedürftig ist. Wesentlicher Bestandteil des Burgers ist ein Insekt mit dem botanischen Namen Acheta domesticus, zu deutsch Heimchen, aus der Familie der Echten Grillen.

Googelt man danach, findet man Angebote für Terrarienbesitzer, die das Tier als Futterinsekt für Reptilien benutzen. Aber in der Küche des Homo sapiens, neben Müsli und Nudeln?

Für Weykamp durchaus vorstellbar. Nachdem er an der Uni in Aachen seinen Master gemacht hatte, verdingte sich der gebürtige Klever, Sohn des Rechtsanwalts Dietmar Gorissen, bei Ford und arbeitete im Big Business. Doch für ein Sabbatical, eine Auszeit von einem Jahr, ließ er sich beurlauben und reiste um die Welt. In Asien erlebte er, wie die Menschen als Snack frittierte Grillen verspeisten – und probierte sie selber.

Irgendwie ist er bei den Tieren hängen geblieben, denn wenn man etwas nachhaltig denkt, wie das die jungen Menschen heute machen, weiß man, dass der Verzehr von Fleisch nicht unbedingt das beste ist, was man den Planeten antun kann.

Weykamp kennt die Zahlen: Für die Produktion eines Kilos Rindfleisch benötigt das Tier 16 Kilogramm Futter. Für ein Kilo Grillen reichen hingegen zwei Kilogramm Futter. Reichlich Protein ist sowohl im Rindfleisch wie in der Grille.

Gemeinsam mit einem Freund aus Studientagen, Christopher Fischer aus Dinslaken (33), ersann er zunächst ein Konzept, wie die Grille auf den mitteleuropäischen Teller wandern soll, und dann begannen die Versuche, das ganze Vorhaben auch praktisch umzusetzen.

Das Konzept besteht aus drei Elementen, und man merkt dem Plan den dahinter stehenden Master der Produktentwicklung gut an: Das neue Angebot sollte aus Grillenmehl bestehen (ganze Tiere sind hierzulande noch zu gewöhnungsbedürftig), es sollte keiner Kühlung bedürfen (Stichwort: Klima), und es sollte einfach zu handhaben sein.

Den beiden Unternehmern erschien das Burger-Patty perfekt geeignet, um aus Grillenmehl eine Speise für jedermann zu kreieren. Zugesetzt wurden Soja und Haferflocken („für die Haptik im Gaumen“) sowie verschiedene Gewürze, wobei Weykamp und Gorissen die Zutaten regional und möglichst Bio halten möchten.

Die Grillen aber kommen aus Thailand, wo ein britisches Unternehmen eine Farm betreibt. Sie leben dort ein normales Grillenleben, bis die Züchter die Temperatur unter 25 °C absenken. Dann stellen die Insekten den Stoffwechsel ein. Wenn sie wieder aufwachen, sind sie schon längst Mehl.

Das wird nach Deutschland geschickt und bei einem Fertigungsunternehmen in Osnabrück getreu der Klever Rezeptur zu einer Mischung verrührt, die in einen Beutel wandert, der darauf wartet von einem Konsumenten bestellt und geöffnet zu werden.

happycricket heißt das Unternehmen von Weykamp und Fischer (cricket ist das englische Wort für Grille). Derzeit ist es noch in der Phase des Crowdfundings, das heißt, kulinarisch interessierte Menschen können die Grillenmehl-Mischung übers Internet bestellen und auf diese Weise die Finanzierung des Unternehmens befördern.

Gründer per Crowdfunding unterstützen

8000 Euro Startkapital hat sich das Duo als Ziel gesetzt, 4000 Euro davon haben Sie schon zusammen (mittlerweile schon 5900!), und bis Ende November läuft die Aktion noch. Die günstigste Bestellmöglichkeit kostet derzeit 8,99 Euro (inklusive Versand). Dafür erhält der Käufer ein Päckchen mit der Aufschrift „Der Grüne“, dass er oder sie lediglich aufreißen muss. Der Inhalt muss mit etwas Wasser verrührt werden und 10 Minuten quellen. Dann ist der Brei reif für die Pfanne.

Wenige Augenblicke später hat der Koch Patties von angenehmer Konsistenz, die leicht nussig und angenehm würzig schmecken. Würde man nicht wissen, dass es sich nicht um Fleisch handelt, käme man vermutlich nicht auf die Idee. „Wir möchten mit unserem Produkt allerdings nichts nachahmen“, so Weykamp, „sondern setzen bewusst auf einen eigenen Geschmack.“

Langfristig will happycricket die Regale der Supermärkte erobern, doch dafür müssen natürlich ganz andere Produktionsmengen erreicht werden. Bis zu 3,5 Tonnen Grillenmehl können die Unternehmer monatlich abrufen, das reicht für 100.000 Packungen. Dann aber, so Weykamp, „brauchen wir eine eigene Fabrik in Kleve“.

Hier der Link zum Unternehmen: https://www.startnext.com/happycricket

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9 Kommentare

  1. 9

    Das ist ein Auswuchs der Spaßgesellschaft. Wir haben mehr als genug fremdländische Speiseangebote. Wichtiger ist die Sorge um die Ernährung mit heimischen Produkten. Es ist richtig, dass die Landwirtschaft in Aufruhr ist. Grüne Spinner und andere Besserwisser lassen nichts aus, um der Bevölkerung zu schaden. In der heutigen RP schreibt Herr Reinhold Michels eine interessante Kolumne. Ich mag mir nicht vorzustellen, was ist, wenn der GRÃœNE Habecke mit seinen Ideen von Enteignung und Aufgabe der Sozialen Marktwirtschaft durchkommen sollte. Es geht wohl manchen zu gut in unserem eigentlich schönen Land. Der Aufbau nach dem Krieg ist eine Erfolgsgeschichte. Soll die durch solche Nichtsnutze zerstört werden? Wir werden sehen. Meine Abweichung vom obigen Thema mag man mir verzeihen.

     
  2. 7

    Nun, diese Alternativen gibt es ja bereits – das Rad wurde somit nicht neu erfunden.
    Ich möchte aber zu bedenken geben, dass jede Form der Lebensmittelzubereitung durch Erhitzen gleichfalls total klimaschädlich ist. Die Energie muss ja irgendwo her kommen und umgewandelt werden.
    Ob ich jetzt über offener Flamme oder durch die Umwandlung elektrischer Energie die benötigte Hitze erzeuge ist eher nebensächlich.
    Warum nicht einfach heimische Rohkost?

     
  3. 5

    Ich drücke ihm die Daumen, besser für die Umwelt wäre es. Leider befürchte ich, dass der Gegner zu groß ist. Man bedenke die Situation jetzt. Was kostet ein kg Fleisch und was ein kg Gemüse beim Discounter? Und nun mal ausrechnen, was das Fleisch eigentlich schon kosten müsste, wenn man nur berechnet, wie viel Futter die Tiere vorher benötigt haben. Dazu kommt ja noch Wasser, Stall, … Fleisch ist leider viel zu billig.

     
  4. 4

    So sehr ich jungen, innovativen Unternehmern Erfolg wünsche, so wenig glaube ich in diesem Fall daran. Sorry.

    Als Fan der asiatischen Küche ist mir diese gut bekannt, aber Grillen essen? Auch als frittiertes Mehl in Burgern eher nicht. Insekten als Ersatz für Fleisch, ja schon. Frage mich aber, warum es so schwer ist, weniger Fleisch zu essen, ersatzlos. Einmal in der Woche z.B. oder noch weniger. Stattdessen importiertes Grillenmehl zu verwenden ist irgendwie komisch. Die alten Römer fallen mir ein. Derie aßen Taubenhirne, knusprig frittiert. Vielleicht wäre das ja eine Alternative. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Ups, da sind wir wieder bei den Insekten.

    Trotzdem viel Erfolg.

     
  5. 3

    ein bisschen googeln bringt noch viel mehr Anwendungsmöglichkeiten , von Nudeln bis hin zu Wraps und
    Plätzchen.
    Nur, das Zeug tonnenweise aus Fernost heranzukarren ist natürlich in der CO2-Bilanz auch wieder ein Ding.

    Kann man schon was zum Preis sagen ?