Et is den Bölt sin eige Schöld

Noch ein Rätsel der plattdeutschen Sprache, und diesmal gibt’s die Lösung gleich mit. In diesem Jahr hat die Karnevalsgesellschaft Schwanenfunker ein kryptisches Motto: „Et is den Bölt sin eige Schöld.” Meine Kenntnisse der Mundart scheiterten am Wort Bölt, und so fragte ich zwei gestandene Karnevalisten. Das betrübliche Ergebnis: Sie wussten es auch nicht.

So besteht in dieser kurzen Session durchaus die Möglichkeit, dass die Schwanenfunker mit einem Motto ins Rennen gehen, das keiner versteht.

So weit darf es nicht kommen!

Zum Glück gibt es die Wissenschaft, also mal rasch im Rheinischem Wörterbuch

im Auftrag der Preußischen Akademie der Wissenschaften, der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde und des Provinzialverbandes der Rheinprovinz auf Grund der von Johannes Franck begonnenen, von allen Kreisen des Rheinischen Volkes unterstützten Sammlung bearbeitet und herausgegeben von Josef Müller, Heinrich Dittmaier, Rudolf Schützeichel und Mattias Zender, 9 Bände, Bonn/Berlin 1928-1971

geblättert. Doch es ist wie immer: 2 Experten, 3 Meinungen. Demnach hat Bölt die Bedeutung Beule, kann aber auch Bretterzelt, altes Haus heißen – und außerdem im abschätzigen Sinne für die weibliche Brust verwendet werden.

Der Reihe nach: Unter dem Stichwort Schmied findet sich folgende, laut Wörterbuch aus Kleve-Warbeyen stammende Redewendung:

Et es de Bölt (elende Hütte) sin eige Schöld, dat hej de Kast mott drage; was hej mar (nur) nor de Schm. gegohn, den hatt öm drafgeschlagen

In Kleve dagegen wird unter dem Stichwort Schuld die folgende Sentenz verortet:

En ander hät alltit de Schöld, gen Mensch sieht sinen eigen Bölt

Emmerich schließlich trägt zur endgültigen Verwirrung bei. Dort werden Frauen mit geringer Oberweite angeblich so beschrieben:

Glatt af, gen Hölt en gen Bölt

Und da denkt man immer, der Karneval ist so oberflächlich. Doch bei den Schwanenfunkern sieht es ja fast so aus, als hätte Heinrich Bölt die Feder geführt. Jedenfalls, um diese etymologische Plattplauderstunde zu beschließen, erbrachte ein Anruf bei meinem Vater Klarheit: Beule. Wenn man eine Beule abkriegt, ist man’s selbst schuld, dass man damit rumlaufen muss. Et is den Bölt sin eige Schöld, das darf man auch gerne mit einem dreifachen Helau z. B. dem Rentner aus der Münchner U-Bahn nachrufen.

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9 Kommentare

  1. 9

    Als aktiver Schwanenfunker kann ich bestätigen, dass es sinngemäß bedeutet: Wenn man eine Beule hat (sich eine holt), ist man selber Schuld 😉 Gut Funk Helau!

     
  2. 8

    Bölt = Beule scheint zu stimmen, wie mir gerade eine des klevschen Platt mächtige Person bestätigte. Die muss es wissen, Frau Schweißheimer steht seit Jahren „beij“ de Fidelitas in de Bütt.

     
  3. 7

    Hallo WMH,
    Hanne mit der Beule, die ging nach oben,
    Hanne spuckte ins Feuer, dass die Funken flogen.
    Hanne mit der Beule (2x), ist es selber Schuld.
    ??????
    Den versteh ich auch nicht.

     
  4. 6

    Man kann es ja schlecht haben, wenn die Schwanenfunker mit ungeklärten Mottos feiern, daher habe ich noch mal nachgesehen. Karl Gahlings schreibt um 1936: Menschliche Gebrechen sind von jeher Ursache boshaften Spotts gewesen … Beispiel:
    Hanne met den Bölt, die ging nor boove,
    Hanne spejt in’t Füür, dat de Fonke flooge.
    Hanne met den Bölt, Hanne met den Bölt
    es et eiges schöld!
    (aus: Lieder u. Sprüche aus dem Leben und Brauchtum am Niederrhein. Kleve 1936, Nachdruck Kleve 1986)
    Und im Heimatkalender 2002 erklärt Gerd Rübo: Bölt = Beule

     
  5. 5

    Möglicherweise! In früheren Zeiten konnte man immer alles so schön auf die Gesellschaft schieben (apropos: die Zelle ist dieselbe, es ist nur ein anderer Wärter)!
    Aber was solls: „Schuld“ scheint es mir nicht so richtig zu treffen, das bedeutet ja, ich mache jmd. für etwas verantwortlich und das mache ich nicht, im Gegenteil: ich erinnere mich gerne an die Ente (das Auto!, kenne mich mit Markenbezeichnungen nicht so aus), die in den frühen 80gern immer auf der Waldstr. 30 parkte, auf dessen Beifahrertür in hangeschriebenen Lettern stand: ALLE MENSEN POPO! Das ist doch mal wirklich eine unwiderlegbare Wahrheit!

     
  6. 4

    Die Lösung könnte sein: Nicht immer sind die anderen schuld. Man muss sich auch mal an die eigene Nase fassen.

     
  7. 3

    Im Niederländischen heißt Beule „bult“ (gesprochen „bölt“). Das sprachliche Spannungsfeld im niederländisch/deutschem Hochsprachenraum usw, usw, usw. Verstehen tu ichs trotzdem nich: Es ist der Beule ihre eigene Schuld?? Aber wie sagt mein Tant‘ Wysi immer: Schiett doch op den Gallch! (wie schreibt man Galgen auf Platt?)

     
  8. 2

    Das klingt plausibler, würde aber bedeuten, dass ausgerechnet die Schwanenfunker in Mundartdingen daneben gegriffen hätten. Kann das sein??

     
  9. 1

    Was hältst Du denn hiervon:
    Böhl – ein ungefüger Mensch, ein ungeschicklicher Riese
    aus:
    Van Aewerdäss bes Wilewaj. Mundartwörterbuch. Boss 1995 (entstand aber schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts oder vorher)
    passt vielleicht auch zu dem ein oder anderen Schwanenfunker