Endlich ein neuer Niederrhein-Krimi!

Auf Einschläge vorbereitet: Landrat W. Spreen (Foto: © Kleinendonk)

Zugegeben, der Text ist so trocken wie zwei Wochen altes Weißbrot, aber so wie dieses in Brösel zerlegt werden kann, mit frischem, geriebenem Parmesan, kleingehackten Kräutern der Saison und reichlich Olivenöl eine formidable Mischung zur Füllung zuvor ausgehöhlter Fleischtomaten ergibt, die dann nur ein paar Minuten in den Backofen müssen, so entfaltet das Werk »2012/C 279/01« des unbekannten Autors aus den Reihen der EU-Kommission in seinen Partikeln eine Wucht, wie sie Leenders/Bay/Leenders selbst mit ihren explosivsten Plots nicht erreicht haben. Richtig, es geht noch mal um den Flughafen Niederrhein, ich habe mir nun alle 155 Paragraphen der »Aufforderung zur Stellungnahme« durchgelesen – und es sei jedem, der sich dafür interessiert, wie Politik funktioniert, wärmstens empfohlen, den Text zu lesen. Der – wenn auch vorläufige – Blick aus Brüssel auf das Gebaren unserer Institutionen fällt vernichtend aus.

Es berührt den Leser schon peinlich, erfahren zu müssen, dass »Deutschland« (das Verfahren geht gegen Staaten) sich auf Verfahrensfragen beruft, um keine Auskünfte geben zu müssen. Und wenn dieser Hintergrund (Verfahren angeblich bereits abgeschlossen) als mehr oder minder aus der Luft gegriffen dargestellt wird (§§54, 55). Es erschreckt einen dann doch, erstmals Zahlen zum Anteil von Ryanair am Passagieraufkommen in Weeze zu lesen (konstant 80-99%, §10) und zur tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung in den Jahren des angeblichen Prosperierens zu lesen (Rückgang des Umsatzes pro Passagier von 9,75 € auf 8,28 € von 2007-2009, §38).

Es mutet fast schon mafiös an, wie immer neue Kredite ausgereicht und neue Stundungen beschlossen wurden, nur um ein offenbar völlig defizitär arbeitendes Unternehmen am Leben zu erhalten – Ende dieses Jahres steht dann ja der Schritt an, dass der Kreis statt Zinsen und Tilgungen Anteile bekommt. Es sind auch keine Peanuts mehr, um die es hier geht – auf 40 Millionen € kommt die EU-Kommission (Darlehen und aufgelaufene Zinsen).

Es wurden auch nicht nur Kredite verteilt und gestundet, es wurden auch Rückzahlungen in Millionenhöhe (5 inkl. aufgelaufener Zinsen) komplett erlassen – und zwar mit der Begründung, dass vertraglich vereinbarte Arbeitsplatzzahlen erreicht worden seien. Dazu heißt es im Bericht schlicht: Die Kommission stellt fest, »dass ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber einen derartigen Zuschuss niemals ohne jegliche Vergütung gewährt hätte« (§122).

Es ist verstörend zu lesen, wie die Brüsseler Behörde die Rolle der Entwicklungs- und Erschließungsgesellschaft Laarbruch (EEL) beleuchtet. Die EEL hatte laut Bericht ihren Zweck 2003 bereits erfüllt, wurde dann aber nicht aufgelöst, sondern als Infusionsgeber für den Flughafen am Leben erhalten - wörtlich »Zweckgesellschaft zur finanziellen Unterstützung der FN GmbH« (§84). Die Geschäftsführer der Gesellschaft heißen übrigens Wolfgang Spreen (Landrat) und Ulrich Franken (Bürgermeister Weeze).

Es wird sogar haarsträubend, wenn die Kommission lapidar feststellt, dass sie keine Informationen darüber erhalten hat, zu welchen Zinsen die Kredite ausgereicht wurden und wie Ratings und Risikomargen in diesen Satz eingeflossen sind – und man darf vermuten, dass es solches Material auch gar nicht gibt, weil es ein Geschäft unter dicken Freunden war. Es wird vollends zu einer Fremdschämnummer, wenn der einzige je von einer privaten Bank an den Flughafen Niederrhein gewährte Kredit (der damals von interessierter politischer Seite als Beleg für die positive Entwicklung des Flughafens ins Feld geführt wurde) als Rosstäuschung charakterisiert wird (§85).

Zum Abschluss zwei Paragraphen wörtlich:

§154: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt vertritt der Kommission den vorläufigen Standpunkt, dass die Darlehen der EEL GmbH an die FN GmbH, die von der FN GmbH vom Kreis Kleve als Übebrückungsfinanzierung für den Erwerb der Flughafen-Liegenschaft erhaltenen Mittel, die Fördermittel des Landes Nordrhein-Westfalen und die Darlehen und Liquiditätsmaßnahmen sowie die Gewährung einer Bürgschaft des Kreises Kleve und der Gemeinde Weeze zugunsten der EEL GmbH staatliche Hilfen darstellen, und sie hegt Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt.

§148: Dementsprechend fordert die Kommission Deutschland zur Stellungnahme und zur Übermittlung sämtlicher relevanter Informationen in diesem Zusammenhang auf, insbesondere aller vorbereitenden Unterlagen, der Beschlussvorlagen und Protokolle der entsprechnenden Sitzungen, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden des Kreistags, des Kreisausschusses und der Fachausschüsse des Landkreises Kleve und des Gemeinderats Weeze sowie der Darelehensverträge und Konditionsvereinbarungen zwischen der EEL GmbH und der [Bank] und der [Bank].

Als nächstes dann Hausdurchsuchungen?

Betriebswirtschaftliche Startbahnalitäten aus Brüssel
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12 Kommentare

  1. 12

    @ Thomas Velten: Da scheinen wir aneinander zu reden…
    Wo Hr. Spreen nach einer Besoldungstabebelle einzuordnen ist, ist klar und kann man erfahren. Weiterhin auch wieviel er von sonstigen Einnahmen, die im Bezug zum Wahlamt stehen, abzugeben und zu behalten hat.
    Aber – und das ist doch die Krux, was bekommt er für diverse Tätigkeiten wie z.B. bei der EEL GmbH etc. und gibt weiviel dann davon ab? An für sich gehört sich so etwas veröffentlicht – wurde und wird aber in nicht-öffentlichen Sitzungen behandelt und nichts geht davon in die Öffentlichkeit.
    Oder kannst du, als Mitglied des Kreistages, hier berichten welche Gelder Hr. Spreen für seine Tätigkeit bei der EEL GmbH erhält…?
    Dann bitte!

     
  2. 11

    a)zu TEE
    Ihr Hinweis ist völlig berechtigt.Sinnvollerweise hätte der Kreis die geliehenen (und wahrscheinlich verlorenen) Kredite besser zur Reaktivierung der Bahnlinie nach Nijmegen ausgeben sollen. Das wäre eine sinnvolle Infrastruktur-Investition, die der gesamten Region zugute kommt. Und nicht nur einzelnen Personen, die für 19,00 subvemtionierte Flugkosten sich ein paar neue Schuhe in Mailand kaufen wollen. Oder sonstwie das geld ins ausland bringen.

    b)zu Jens-Uwe Habedank
    Der Verdienst des Landrates wird nicht hinter verschlossenen Türen ausgekungelt. Es ist in der Besoldungsordnung für Wahlbeamte landesweit geregelt. Also: einfach mal googeln!
    Seine Tätigkeiten in den Aufsichtsräten des Kreises sind in der Regel daurch abgedeckt.
    Eine prekäre Ausnahme ist in der Tat die Tätigkeit im Aufsichtsrat oder Beiräten der RWE. Aber dafür ist Kersting und Spreen ja auch tüchtig kritisiert worden!

     
  3. 10

    Für €28.000.000,00 wäre die Bahnlinie nach Nijmegen längst wieder im Betrieb…

    Und jetzt kommt das Schlimme: Wir, der Kreis, müssten wahrscheinlich noch nicht einmal 5 Mio. dafür zahlen… wenn man sich denn endlich damit beschäftigen würde. Aber, so ist das, es brennt wieder irgendwo anders im hausgemachten Pulverfass und die wirklichen Probleme bleiben liegen.

     
  4. 9

    @Günther
    …und weil der Landrat soviel Geld vom RWE bekam, brauchte das RWE im Gegensatz zu jedem Normalbürger seine Gebäude/Einrichtungen nicht einmessen und im Kataster eintragen zu lassen.
    Das überrascht dann hinterher die Bürger und Baggerführer…
    Echtes Klever Landrecht!
    Dabei hat der aber nicht 40 Mios verzockt und mit Steuergeld der Bürger in Sprennschen Dimensionen für Unternehmen gebürgt, die jahrelang negative Bilanzergebnisse aufeinanderhäufen.

     
  5. 7

    @ dickschädel: Das ist ja genau der Punkt, der Punkt des Klever Landrechtes vom Klever Landvogt.
    Einerseits ist der Herr Landrat verpflichtet seine Einkünfte offen zu legen, darf einen Teil behalten und muss einen Teil abführen bzw. spenden oder so; das wäre der Normalfall…
    Im Kreis Kleve, und bei eben dessen Landrat, sieht das anders aus: Hier werden die Einnahmen/ Einkünfte nur, wenn überhaupt vollständig, in nicht-öffentlicher Sitzung eines Gremiums (Kreisausschuss oder Kreistag) besprochen – und darüber darf keiner, Klever Landrecht, der Teilnehmer reden!

    (…)

     
  6. 5

    nochmal ergänzend, ebenfalls aus dem bundesanzeiger:

    Entwicklung des Anlagevermögens…

    A. Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs
    8.657.471,09

    Die Entwicklung der Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebes und die Entwicklung des Anlagevermögens werden im Anlagenspiegel dargestellt.

    Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebes: Die aktivierten Aufwendungen beinhalten im Wesentlichen im Zusammenhang mit Routenerweiterungen angefallene einmalige Beträge.
    ….“

    Diese „Aufwendungen für die Ingangsetzung…“ (8mio!) könnten Zahlungen an ryanair sein. im damaligen beitrag im wdr fernsehen war mal davon die rede, dass solche zahlungen üblich seien, ryanair weiß um die abhängigkeit der flughäfen und erpresst diese dann bspws zu werbeunterstützungen o. ä. (kann man den beitrag noch wo sehen?)

    sollte das so sein ist es für mich als laien verwunderlich, dass diese summe im anlagevermögen auftaucht. theoretisch ne luftbuchung, denn da würde kein wirklicher wert gegen stehen, kann mir nicht vorstellen dass die fluglinie, sollten ziele gestirchen werden, geld zurück überweisen muss.

     
  7. 4

    in dem zusammenhang auch interessant die im bundesanzeiger veröffentlichte bilanz.

    der flughafen hat mittlerweile verluste von 28.000.000,–€ angehäuft.

    wohlgemerkt verluste, heißt das geld ist verbrannt, futsch bzw. hat jemand anders…

    nochmal: da gibt es keinen gegenwerte die geschaffen wurden sondern die kohle ist weg!

     
  8. 2

    Wann schaltet sich bei diesen mafiösen Handlungen die Staatsanwaltschaft ein?
    Dies ist eine bewußte Steuergeldvernichtung zur Subvention konstant defizitär arbeitender Firmen. Jeder konnte von Anfang an sehen, dass man hier versucht ein Fass ohne Boden zu füllen.
    Die einzigen, welche dabei schmunzelnd Reibach machen, dürften die gut bezahlten Geschäftsführer sein.

    Wenn die EU-Kommission sich schon für das Geschäftsgebahren des Kreistages interessiert, könnte sie auch noch einen Blick auf die Kredite des Kreis Kleve an die Sparkasse Emmerich werfen. Da warf doch sogar Parteikollege Palmen Herrn Spreen juristische Unkorrektheiten vor.

     
  9. 1

    Hausdurchsuchungen kennt man da bereits.
    FN hat Microsoft-Produkte in großem Stil illegal genutzt.
    Wurde bei Durchsuchung festgestellt.
    Gebühren und Strafe nachgezahlt und gut war.
    Downloads (illegal) seitens des Towers, der Feuerwehr, und der „FN-Technik“ wurden nicht verfolgt.
    Auch andere recht seltsam anmutende Nebengeschäfte einzelner Angestellter und Beschäftigter im Rahmen der Anstellung bei FN oder einer entsprechenden FN nahen ZA blieben unberücksichtigt.