„Einer Hochschule komplett unwürdig“

Entsetzt darüber, was an der Hochschule Rhein-Waal möglich war und passiert ist: Prof. Gerard Meijer

Im europäischen Wissenschaftsbetrieb ist Prof. Dr. Gerard Meijer eine angesehene Persönlichkeit – und von 2014 bis 2017 hatte die Hochschule Rhein-Waal (HSRW) das Glück, dass der Naturwissenschaftler aus den Niederlanden, damals Präsident der Radboud Universität, sich für die junge Einrichtung einsetzte. Im vergangenen Jahr trat er jedoch nach einer Intrige als Vorsitzender des Hochschulrats zurück, sein Nachfolger wurde Prof. Krieg – mit den bekannten Folgen. Interviews gibt Meijer normalerweise nicht, doch in diesem Fall machte er eine Ausnahme – weil er so schockiert darüber ist, was in den vergangenen Monaten an der HSRW abgelaufen ist. Die Einblicke, die er gewährt, bieten ein verstörendes Bild vom Innenleben der Hochschule. Meijer: „Das Geschehen ist einer Hochschule unwürdig.“

(Das Interview ist auch in der Klever Ausgabe der NRZ erschienen.)

Herr Prof. Meijer, wann sind Sie erstmals mit der Hochschule Rhein-Waal in Kontakt gekommen?

Meijer: Das war 2012, als ich von Berlin, wo ich am Max-Planck-Institut gearbeitet hatte, zurück nach Nimwegen gekommen bin, um Präsident der Radboud Universität zu werden. In Nimwegen wurde über die neue Hochschule in der Nachbarstadt gesprochen. Ein Jahr später, als wir an der Radboud-Universität das 90-jährige Bestehen feierten und Angela Merkel die Ehrendoktorwürde verliehen bekam, habe ich dann erstmals die damalige Präsidentin Marie-Louise Klotz getroffen. Ende des Jahres rief sie mich an und fragte, ob ich Mitglied des neuen Hochschulrats werde möchte. Ich sagte zu.

Warum?

Ich hatte und habe mich in Deutschland immer wohl gefühlt und fühlte mich verpflichtet, etwas zurückzugegeben. Zudem stamme ich aus der Region – aus Zeddam – und bin der Region verbunden. Ich dachte, mit meiner Erfahrung kann ich etwas zum Erfolg der Hochschule beitragen.

Wie ging es weiter?

Auf der ersten Sitzung des Hochschulrats im Frühjahr 2014 bin ich sofort zum Vorsitzenden gewählt worden. Und zu meinen ersten Aufgaben gehörte es gleich, einen Nachfolger für die Gründungspräsidentin zu finden – oder eben deren Amtszeit zu verlängern.

Wie lief das Verfahren ab?

Die Stelle wurde offen ausgeschrieben, und es haben sich viele Kandidaten beworben, unter anderem eben auch Dr. Heide Naderer, die mir bis dahin völlig unbekannt war. Alle Kandidaten wurden gebeten, Zukunftspläne für die Hochschule aufzustellen. Frau Naderer hat mit ihren Ideen alle überzeugt, sie war die herausragende Kandidatin.

Was zeichnete sie aus?

Sie fühlt sich dieser Gegend verbunden, und einen Beitrag zur Entwicklung dieser Region zu leisten, das war die Motivation von Dr. Naderer. Man wird nicht Präsident einer Hochschule, um Macht zu haben oder um viel Geld zu verdienen.

Aber Frau Naderer war keine Professorin…

Stimmt, das wurde ihr bis zum Ende vorgeworfen. Und das ist Quatsch. Es geht darum, welche Erfahrungen man hat und welche Sozialkompetenz man für den Job mitbringt. In einem solchen Job muss man die akademischen Regeln verstehen, die des Umgangs miteinander. Dr. Naderer hatte die Ausbildung und die Erfahrung.

Das Alleinstellungsmerkmal der Hochschule Rhein-Waal ist die internationale Ausrichtung. Welche Vision hatte Dr. Naderer dafür?

Ich denke, sie hatte das richtige Verständnis, wie die Internationalisierung bewältigt werden kann. Es kann nicht das Ziel sein, so viele Studenten wie möglich zu holen. Es müssen die richtigen Studenten sein, und es muss für die Studenten das Richtige angeboten werden, und sie müssen für die Umgebung die richtigen sein. Ich bewundere, was hier aufgebaut worden ist. Heide Naderer hat es von Anfang an verstanden, dass eine internationale Hochschule nur Erfolg haben kann mit einer qualitativ hohen Ausbildung und qualitativ guten Studenten. Daraus folgen Fragen, deren Beantwortung die Richtung vorgibt, in die die Hochschule sich entwickeln soll.

Nun ist Dr. Naderer aber zurückgetreten…

Man sollte sagen: Sie ist zum Rücktritt gezwungen worden. Heide Naderer war damals für alle die richtige Person. Ich selbst stehe drei Jahre später noch genauso dahinter wie zum Zeitpunkt ihrer Wahl. Ich fühle mich absolut bestätigt. Sie war absolut die richtige Person für die Hochschule in dieser Phase, leider haben es viele nicht verstanden.

Sie hatte mit vielen Widerständen zu kämpfen…

Leider waren schon die Anfänge nicht einfach. Das fing schon mit der Sitzung an, in der Frau Naderer gewählt wurde. Die lokale Prominenz war reichlich erschienen. Der Glaube, die Wahl auf diese Weise beeinflussen zu können – das zu sehen, war für mich unvorstellbar. Aber Heide Naderer hat sich willensstark durchgesetzt.

Die alte Präsidentin hinterließ ihrer Nachfolgerin ein komplett ausgeräumtes Büro.

Richtig, Heide Naderer hat ein leeres Büro vorgefunden. Das ist für mich so undenkbar, das gibt es auch nirgendwo sonst – nur in Kleve. Es ist so unglaublich!

Welche grundlegenden Probleme haben Sie denn an der Hochschule wahrgenommen?

Sicher gab und gibt es an der Hochschule Professoren, die das richtige wollen. Aber im Vordergrund stehen andere. Viele haben die Hochschule als ein interessantes Geschäft in Kleve gesehen. Aber die Hochschule ist kein Geschäft. Hochschule macht man, um Studenten auszubilden.

Eines dieser Geschäfte waren die Scientific Freshers. Was können Sie dazu sagen?

Ich wusste vorher nichts über die Scientific Freshers. Als ich gesehen habe, wie das läuft, – dass Studenten viel Geld für eine Art Vorschule bezahlen müssen – habe ich das Thema sofort auf die Tagesordnung des Hochschulrats gesetzt. Wenn man so etwas in den Niederlanden machen würde, und es würde bekannt werden – man würde im Knast enden. Das Modell der Scientific Freshers war ein Skandal. Frau Naderer hat dafür gesorgt, dass er auf professionelle Art beendet wurde. Aber das hat das Geschäft für einige vermasselt.

Welche positiven Akzente hat Heide Naderer Ihrer Ansicht nach gesetzt?

In drei Jahren hat Heide Naderer die Hochschule extrem positiv verändert. Der Hochschulentwicklungsplan ist eine hervorragende Leistung, und wenn heute jemand sagt, dass er sich übergangen fühlt, würde ich sagen: eigene Schuld, denn es gab jedes Mal die Möglichkeit sich einzubringen. Das war vorbildlich gemacht. Auch die Akademische Jahresfeier, die jetzt in Kamp-Lintfort ohne Heide Naderer stattfand, war eine Idee von ihr - eine guter Rahmen, um zusammen ein neues akademisches Jahr zu eröffnen und um herausragende Leistungen unter den Studenten und Hochschullehrern auszuzeichnen

Aber hat die Präsidentin nicht auch Fehler gemacht?

Natürlich wird auch Heide Naderer Fehler gemacht haben, denn jeder macht Fehler. Aber sie hat sich immer einer Diskussion gestellt. Ich habe auch keine offen vorgetragenen Argumente gegen sie gehört. Es ist einer Hochschule komplett unwürdig. Eine anonyme Hochschul-Diskussion, das ist ein Widerspruch in sich. Eine Hochschule lebt von der Diskussion. Man muss sich nicht immer einig sein. Aber man diskutiert auf der Basis von rationalen Argumenten und mit offenem Visier.

Offensichtlich gab es aber zu wenige Menschen an der Hochschule, die die Präsidentin unterstützten. Wie sehen Sie das?

Ich bin enttäuscht und finde es absolut schade, dass nicht mehr Leute für Frau Naderer aufgestanden sind. Es gibt an der Hochschule zu wenig Leute mit Rückgrat. Aus meiner Sicht hat Frau Naderer Rückgrat.

Wie beurteilen Sie persönlich die Entwicklung?

Ich finde es sehr schade, dass es so gekommen ist. Frau Naderer hat meinen höchsten Respekt und den vieler anderer. Sie hat sich über drei Jahre für etwas geopfert, möchte ich fast sagen. Aber viele haben nicht verstanden, wofür eine Hochschule steht. Ihr ist großes Unrecht getan worden. Die Hochschule verliert eine starke Persönlichkeit. Ich bin enttäuscht, dass es nicht genügend Unterstützer gegeben hat. Dass man ihr nicht einmal einen respektvollen Abschied bereitet hat, zeigt, wie gering das akademische Selbstverständnis an dieser Hochschule ausgeprägt ist. Ich kenne keinen Fall, in dem jemand so respektlos verabschiedet worden ist.

Herr Prof. Meijer, danke für das Gespräch.

Wer ist Gerard Meijer?

Prof. Gerard Meijer (56) ist seit 2016 Direktor des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin, eine Position, die der Chemikophysiker auch schon von 2002 bis 2012 innehatte. In den Jahren dazwischen war er Präsident der Radboud Universität in Nimwegen. An der Hochschule in der Klever Nachbarstadt hatte Meijer, der aus Zeddam stammt, Physik studiert und später seine erste Professur erhalten. Von 2014 bis 2017 war Meijer Vorsitzender des Hochschulrats der HSRW. Sein Nachfolger wurde Professor Aloys Krieg von der RWTH Aachen, der zuvor bereits Mitglied in dem Gremium war.

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14 Kommentare

  1. 14

    @10. Messerjocke
    c `est pas le syndicat qui merite le predicat, ce sont les gents qui m´en merdent.
    Le temps va guérir.

     
  2. 13

    @ 11., 12. rd: „Das Traurige ist halt, dass andere das Zepter schwingen.“

    Ja, weil die Struktur der Hochschule es zu lässt. Wenn nicht nur die aktuelle Besetzung des Senats veröffentlicht würde, sondern auch alle vorherigen, dann würde man höchst wahrscheinlich feststellen, dass es stimmberechtigte Senatsmitglieder gibt, die schon mehrere Wahlperioden im Senat sitzen. Es gibt 10 Senatsmitglieder in der Gruppe der Professoren/Professorinnen und 105 Professorinnen und Professoren an der Hochschule. Wenn man annähme, dass davon 5 schon mehrfach wiedergewählt wurden, dann kann man sich ungefähr vorstellen welchen Einfluss /welche Macht diese fünf Professoren/Professorinnen verglichen mit den anderen 100 Professoren haben. Das heißt nicht, dass diese fünf Personen ihre Macht missbrauchen, aber es entsteht dadurch eine Unwucht bei der Machtverteilung.
    Es wäre sinnvoll, die Struktur der Hochschule so zu gestalten, dass möglichst viele Hochschulangehörige an der Macht beteiligt werden, um Machtmissbrauch vorzubeugen.

    https://www.hochschule-rhein-waal.de/de/hochschule/organisation/senat

    https://www.hochschule-rhein-waal.de/de/hochschule/ueber-die-hochschule/zahlen-daten-und-fakten

     
  3. 10

    Scheißverein! Club merde! Club of shit! Asociación de excremento! 他媽的俱樂部! शिट क्लब!

     
  4. 9

    Traurig, dass einige nicht verstehen, dass das Verhalten einiger mit Einfluss/ in führender Position nicht gleichzusetzen ist mit der Arbeit, die viele andere Mitarbeiter an der ‚Basis‘ der Hochschule täglich leisten! Die (meisten) Wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen und auch Professoren/Professorinnen leisten sehr gute Arbeit, unabhängig von dem Verhalten anderer. Ihnen dies nun abzusprechen, weil es mit Frau Dr. Naderer so gelaufen ist, ist unfair.

     
  5. 8

    „Der Hochschulentwicklungsplan ist eine hervorragende Leistung….“

    Warum hat Prof. Dr. Gerard Meijer dann nach 2,5 Jahren sein Amt aufgegeben und nicht daran mitgearbeitet diesen Plan, vielleicht auch gegen Widerstände, gemeinsam mit Frau Naderer umzusetzen? Sein Nachfolger war doch der wesentliche Grund für die weitere Entwicklung gegen Frau Naderer. Ohne seinen Rücktritt hätte es nicht diesen Nachfolger gegeben. So ein Interview, 1,5 Jahre nach seinem Rücktritt, mutet seltsam an.

     
  6. 6

    „Der Machtzuwachs der Hochschulleitungen birgt auch ein beträchtliches Konflktpotenzial nach innen“

     
  7. 5

    Kann ein Student noch stolz sein auf diese Hochschule für „Applied arrogance and stupidity “ ? Ich habe es mir bis jetzt verkniffen meinen Sohn zu fragen.

     
  8. 4

    Tja, endlich einer der es sich leiste(n kann) alles das anzusprechen, was wir alle gewusst haben,
    von SciFre als privates Geschäftsmodell im öffentlichen Mäntelchen bis hin zu offenem Mobbing.
    Dem war ja auch Gerard Meijer ausgesetzt, nur, dem geht das souverän am Allerwertesten vorbei.
    Danke rd für das Interview und Prof. Meijer für die aussergewöhnliche Offenheit.

     
  9. 3

    Wenn man nur, zugegeben auszugsweise, folgende Sätze durch’s Hirn blasen läßt:

    1) „Es gibt an der Hochschule zu wenig Leute mit Rückgrat.“

    2) „Ich wusste vorher nichts über die Scientific Freshers. Als ich gesehen habe, wie das läuft, – dass Studenten viel Geld für eine Art Vorschule bezahlen müssen – habe ich das Thema sofort auf die Tagesordnung des Hochschulrats gesetzt. Wenn man so etwas in den Niederlanden machen würde, und es würde bekannt werden – man würde im Knast enden.“

    3) „Leider waren schon die Anfänge nicht einfach. Das fing schon mit der Sitzung an, in der Frau Naderer gewählt wurde. Die lokale Prominenz war reichlich erschienen. Der Glaube, die Wahl auf diese Weise beeinflussen zu können – das zu sehen, war für mich unvorstellbar.“

    DANN – weiß man doch wo man ist!: Im Klever Landrecht…

     
  10. 2

    Wenn ich noch Blagen in dem Alter hätte, würde ich sie nicht dahin schicken. Angepisste beleidigte Arroganz als Lehrfach. Danke. Kann ma da noch wat lernen oder besser Maurerlehre, also nichts gegen gute Maurer, find den mal….

     
  11. 1

    Ralf,

    vielen Dank für die Wiedergabe dieses Interview’s mit Prof. Dr. Meijer. Klarer und deutlicher ist nicht
    darzustellen (besser noch zu beweisen), was für ein unwürdiges, schon kriminelles Verhalten an der Klever Hochschule herrschte, um den Rücktritt von Frau Dr. Naderer zu erzwingen.

    Das Konzept von Meuchlern wurde hier für ALLE -offensichtlich-. Ein Meuchler hat sein Treiben auf der einen Seite geheim zu halten (sonst geht es in den Knast), auf der anderen Seite ist er der Spiritus Rector einer
    zur Verleumdung bereiten Gruppe. Diese Vorgehensweise und noch viel mehr kann nachgelesen werden
    unter LarpWiki Charaktertips für angehende Meuchler.

    Auf Klever Hochschul-Niveau würde Prof. Dr. Meijer einfach nachgesagt, was soll’s, er versteht eben kein Deutsch deshalb seine Irritationen.